Eine besonders ins Auge fallende Verortung der Bezeichnung als „Vergütungsvereinbarung“ (§ 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG) entbindet nicht von der kumulativen Pflicht des „deutlichen Absetzens“ der Vergütungsvereinbarung i.S.v. § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG.
(Leitsatz des Gerichts)
I. Sachverhalt
Klage auf Zahlung von Anwaltshonorar
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Anwaltshonorar nebst Verzugszinsen auf der Basis einer Vergütungsvereinbarung, deren rechtliche Wirksamkeit in Streit steht, in Anspruch. Zugrunde liegt eine Vereinbarung zwischen den Parteien, bei der sich auf einem Deckblatt die Überschrift „Vergütungsvereinbarung“ und die Worte „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen“ befinden. In der Vereinbarung ist dann ohne besondere Hervorhebung ein § 3 eingefügt, der einfach mit „Vergütung/Auslagen/Fälligkeit“ überschrieben ist. Das LG hat die Beklagte verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
II. Entscheidung
Die Berufung hatte Erfolg. Nach Auffassung des OLG verstößt entgegen der Ansicht des LG die dem Verfahren zugrunde liegende Vergütungsvereinbarung gegen § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG, weil sie nicht deutlich von anderen Vereinbarungen, die verschieden von der Vergütungsvereinbarung und der Auftragserteilung sind, abgesetzt ist.
„Andere Vereinbarungen“ enthalten
Das OLG weist zunächst darauf hin, dass die Vergütungsvereinbarung neben der Vergütungsabrede und der Auftragserteilung noch als „andere Vereinbarungen“ i.S.v. § 3a Abs. 1 S. 2 RVG einzustufende Regelungen enthält. Demzufolge liegt eine kombinierte Vergütungs- und Mandatsvereinbarung vor, die sämtlichen Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 RVG genügen müsse.
Gebot des „deutlichen Absetzens“
Die Vereinbarung der Parteien erfülle zwar – so das OLG – unstreitig das Bezeichnungsgebot i.S.v. § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG, nicht jedoch das Gebot eines „deutlichen Absetzens von anderen Vereinbarungen“ i.S.v. § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG.
Regelungsziele
Für die Erfüllung des Erfordernisses „deutlich abgesetzt“ i.S.v. § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG seien allein die vom Gesetzgeber mit § 3a Abs. 1 RVG verfolgten Regelungsziele entscheidend (BGH NJW 20216, 1586 = AGS 2016, 56.). Der Wille des Gesetzgebers ziele auf eine räumliche Trennung zwischen der Vergütungsvereinbarung und sonstigen Abreden ab und solle dem Schutz des rechtsuchenden Auftraggebers dienen (vgl. BT-Drucks 16/8384, 10; BGH a.a.O.). Regelungsziel sei es, den Mandanten auf die Vergütungsvereinbarung klar erkennbar hinzuweisen und auf diese Weise davor zu schützen, unbemerkt eine Honorarabrede abzuschließen, die dem Rechtsanwalt von den gesetzlichen Gebührenvorschriften abweichende Honoraransprüche auf vertraglicher Grundlage verschafft (BGH a.a.O., m.w.N.). Um dieser Schutz- und Warnfunktion gerecht zu werden, genüge es für ein „Absetzen“ als solches von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung, wenn der Vertrag die Vergütungsvereinbarung in einem gesonderten und entsprechend gekennzeichneten Abschnitt oder Paragrafen regelt (BGH a.a.O.). „Deutlich“ sei dieses Absetzen, wenn die Vergütungsvereinbarung optisch eindeutig von den anderen im Vertragstext enthaltenen Bestimmungen – mit Ausnahme der Auftragserteilung – abgegrenzt sei. Dies sei objektiv zu beurteilen (BGH a.a.O.).
Vorliegende Vereinbarung wird dem nicht gerecht
Diese Anforderungen erfüllte die Vereinbarung nach Auffassung des OLG nicht. Abgesehen von der jeweils auf dem Deckblatt befindlichen Überschrift „Vergütungsvereinbarung“ und den Worten „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen“ entspreche die weitere Gestaltung der Vergütungsvereinbarung im Kern derjenigen, welcher der BGH (NJW 2016, 1596 = AGS 2016, 56) die Qualität eines „deutlichen Absetzens“ gerade abgesprochen habe: Die in § 3 der Vereinbarung mit „Vergütung/Auslagen/Fälligkeit“ überschriebene Abrede sei ebenfalls unauffällig in den übrigen Vertragstext eingefügt. Weil sich der besagte § 3 zwischen anderen Regelungen befinde und sich in seiner Gestaltung in keiner Weise von den anderen Vereinbarungen unterscheide oder abhebe, werde dem Mandanten nicht hinreichend vor Augen geführt, dass der Vertrag eine Vergütungsvereinbarung enthält, die von den gesetzlichen Regelungen abweicht. Dass die Überschriften aller einzelnen Paragrafen und deren Nummerierung jeweils durch Fettdruck und Zentrierung hervorgehoben seien, führe ebenso wenig zu einem deutlichen Absetzen gerade des § 3 wie der Umstand an sich, dass der Vergütungsvereinbarung mit dem § 3 ein eigener Paragraf gewidmet sei. Denn der gesamte Vertragstext sei völlig einheitlich gestaltet, so dass der § 3 in diesen gleichförmig eingebettet sei.
III. Bedeutung für die Praxis
Teures Lehrgeld, aber die Anforderungen sind streng
Teures Lehrgeld für die Klägerin, aber: Nach der vom OLG angeführten Entscheidung des BGH (NJW 2016, 1596 = AGS 2016, 56) war das zu erwarten. Denn die vom BGH an das „deutliche Absetzen“ gestellten Anforderungen, die vom OLG angewendet werden, sind recht streng. Zu deren Erfüllung reicht eben nicht, worauf auch das OLG hingewiesen hat, dass versucht wird, durch Maßnahmen auf einem Deckblatt den Mandanten bereits derart zu sensibilisieren, dass die Gefahr eines unabsichtlichen Abschlusses eines (von der gesetzlichen Vergütung möglicherweise abweichenden) Zeithonorars von vornherein gebannt ist. Denn das RVG verlangt für die Sensibilisierung eben ein deutliches Absetzen gerade der Vergütungsvereinbarung als solcher von sonstigen Vereinbarungen jenseits der Auftragserteilung. Die „eigentliche“ Vergütungsvereinbarung als solche muss in einer irgendwie gearteten, geeigneten Weise so gestaltet sein, dass auch diese an der Etablierung der gewünschten Warn- und Schutzfunktion in maßgeblicher Weise teilhat. Der Mandant muss bereits bei einem einfachen Blick auf die Gesamtheit der im Vertrag getroffenen Vereinbarungen und nicht etwa nur durch die Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung unschwer erkennen können, dass sie eine Abrede enthalten, die dem Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft, der möglicherweise von der gesetzlichen Vergütung abweicht (vgl. dazu auch BGH a.a.O.). Es reicht also gerade nicht ein Blick auf die Überschrift oder auf andere Vertragsteile im bloßen Vorfeld der einzelnen konkreten Vereinbarungen. Würde man das anders sehen, würde das letztlich darauf hinauslaufen, dass jede Vereinbarung, die mit „Vergütungsvereinbarung“ überschrieben ist, zugleich die Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG erfüllen würde. Das würde indessen die gesetzliche Vorgabe des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG aushöhlen.