Am Ende beinahe etwas überraschend hat das vom Bundestag am 23.2.2024 beschlossene „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG)“ am 22.3.2024 auch den Bundesrat passiert, nachdem zuvor aufgrund entsprechender Verlautbarungen aus den Ländern verbreitet davon ausgegangen worden war, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen werde. Entsprechende Anträge fanden in der entscheidenden Sitzung jedoch keine Mehrheit; möglicherweise auch deshalb, weil die Absicht einiger Bundesländer, das Gesetz im Vermittlungsausschuss nicht nur inhaltlich abzuändern, sondern dort bis zum Ende der Legislaturperiode „versauern“ zu lassen und so die Reform insgesamt zu blockieren, am Ende doch allzu offenkundig wurde. So konnte die Neuregelung wie geplant größtenteils zum 1.4.2024 in Kraft treten (BGBl 2024 I Nr. 109). Einige Regelungen, v.a. zu den neuen Anbauvereinigungen, werden hingegen erst ab dem 1.7.2024 gelten (Art. 15 CanG).
Die nachfolgenden Ausführungen geben einen ersten Überblick über die für die Strafrechtspraxis besonders relevanten Bestimmungen des neu geschaffenen „Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG)“. Auf die Vorschriften des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) sowie auf strafvollstreckungsrechtlichen Folgen der Neuregelung kann hingegen an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
Die Neuregelungen zu Besitz, Anbau und Konsum von Cannabis
1. Keine Komplettlegalisierung
Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erweckten nicht wenige Politiker und Medienvertreter den Eindruck, Cannabis sei nunmehr legal. Dies greift freilich zu kurz, denn tatsächlich besteht weiterhin ein grundsätzliches Verbot für den Umgang mit Cannabis. Allein § 2 Abs. 1 KCanG führt zwölf Verbotstatbestände auf, die, wie zuvor das BtMG, u.a. den Besitz, den Anbau, die Herstellung und den Erwerb von Cannabis grundsätzlich ebenso untersagen wie das Handeltreiben, die Abgabe und die Einfuhr. Es war der erklärte Wille des Gesetzgebers, dass der gewerbliche Umgang mit Cannabis sowie die Verschaffung des Zugriffs auf Cannabis für Kinder und Jugendliche weiterhin verboten und strafbewehrt bleibt (BT-Drucks 20/8704, S. 93). Bei synthetischen Cannabinoiden sind Herstellung und Inverkehrbringen nach dem insoweit weiterhin einschlägigen BtMG nach wie vor untersagt (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.).
Statt einer völligen Freigabe sieht § 2 Abs. 3 KCanG deshalb lediglich einige Ausnahmen vom allgemeinen Cannabisverbot vor, die zudem nur für Personen gelten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Für Jugendliche bleibt der Umgang mit Cannabis dagegen weiterhin ausnahmslos verboten. Allerdings greift das Jugendstrafrecht erst bei Verstößen, die auch bei Erwachsenen strafbar wären (s.u.). Unterhalb dieser Schwelle hat es der Gesetzgeber bei einem „verwaltungsrechtlichen“ Verbot belassen (BT-Drucks 20/8704, S. 130), es gibt also kein „Cannabis-Sonderstrafrecht“ für Minderjährige. Dies ist schon aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sachgerecht.
2. Erlaubter Besitz
Die praktisch wohl wichtigste und weitreichendste Neuregelung brachte § 3 Abs. 1 KCanG: Diese Vorschrift gestattet Erwachsenen jetzt den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis (bezogen auf das Gewicht nach dem Trocknen) zum Eigenkonsum, sodass Strafbefehle und Anklagen mit Vorwürfen wie „der Angeklagte führte 0,6 Gramm Marihuana mit sich, ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis zu sein“ (endlich) der Vergangenheit angehören. Nicht mehr strafbar sind zudem der Erwerb und die Entgegennahme von bis zu 25 Gramm Cannabis pro Tag bzw. von bis zu 50 Gramm pro Kalendermonat (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG, s.a. BayObLG, Beschl. v. 8.4.2024 – 203 StRR 39/24). Das Handeltreiben mit Cannabis bleibt dagegen weiterhin strafbar, gestattet ist lediglich eine begrenzte Weitergabe unter Mitgliedern von Anbauvereinigungen (§ 19 KCanG).
Am eigenen Wohnsitz sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 KCanG sogar bis 50 Gramm und bis zu drei lebende Cannabispflanzen erlaubt. Wichtig hierbei ist, dass bei einer Kombination aus Abs. 1 und Abs. 2 die insgesamt besessene Menge 50 Gramm nicht übersteigen darf (§ 3 Abs. 2 S. 2 KCanG).
3. Eigener Anbau
a) Darüber hinaus ist durch die Reform in begrenztem Umfang auch der private Eigenanbau erlaubt worden. Volljährige dürfen an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig besitzen. Das durch deren Aufzucht gewonnene Cannabis muss aber für den gewöhnlichen Eigenkonsum bestimmt sein und darf nicht an Dritte weitergegeben werden (§ 9 Abs. 2 KCanG). Leben mehrere volljährige Personen in einem gemeinsamen Haushalt, so gilt die Obergrenze für jede Person gesondert (BT-Drucks 20/8704, S. 101).
Für den Fall, dass die vorgegebene Obergrenze überschritten wird, besteht eine Pflicht, sämtliche über die Anzahl von insgesamt drei hinausgehenden Cannabispflanzen unverzüglich und vollständig zu vernichten, unabhängig davon, ob diese Pflanzen Fruchtstände oder Blüten entwickelt haben oder nicht (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.).
Diese Vorstellung des Gesetzgebers, wonach erfahrene Züchter freiwillig Pflanzen vernichten, anstatt diese abzuernten und das hierbei gewonnene Cannabis anschließend zu konsumieren, zeugt – wie einige andere Regelungen des KCanG auch – freilich von einiger Lebensfremdheit, zumal ein ernstzunehmender Kontrolldruck jedenfalls so lange nicht besteht, bis der Verdacht des Handeltreibens aufkommt und dann strafprozessuale Maßnahmen möglich sind. Unterhalb dieser Schwelle ist eine Art polizeiliche oder ordnungsbehördliche „Präventivnachschau“ in Privatwohnungen nicht zulässig. Der Gesetzgeber scheint aber ohnehin allenfalls bedingt willens gewesen zu sein, sich mit der Frage einer Umsetzbarkeit der neu geschaffenen Vorschriften zu befassen.
Dies zeigt sich auch an § 10 KCanG, der – bußgeldbwehrt (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 KCanG) – zum Schutz vor dem Zugriff durch Dritte, insbesondere Kinder und Jugendliche, nicht näher bezeichnete „geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen“ verlangt, ohne solche auch nur im Ansatz zu definieren. Der Gesetzesbegründung lässt sich immerhin entnehmen, dass der Gesetzgeber hier an eine Aufbewahrung in kindersicheren Behältnissen oder in gegen Zutritt bzw. Zugriff gesicherten Räumen und Schränken gedacht hat. Nachdem verbotene Bereiche auf Kinder und Jugendliche seit jeher eine besondere Faszination ausüben, darf indes bezweifelt werden, ob dies dem vom Gesetzgeber behaupteten Ziel, den Kinder- und Jugendschutz stärken zu wollen (BT-Drucks 20/8704, S. 1), tatsächlich dienlich ist. Zudem steht die Rechtspraxis angesichts der Unbestimmtheit der Vorschrift vor einem aller Voraussicht nach länger anhaltenden Zustand der Rechtsunsicherheit, wird doch die Frage, wann eine Sicherheitsvorkehrung als „geeignet“ i.S.d. § 10 KCanG angesehen werden kann oder wann sie gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 als „nicht richtig“ eingestuft werden muss, erst nach und nach durch die Bußgeldsenate der OLG geklärt werden können. Die im Gesetzgebungsverfahren immer und immer wieder versprochene Entlastung der Gerichte wird sich daher jedenfalls an dieser Stelle bis auf weiteres nicht einstellen.
b) Über den eigenen Anbau hinaus hat der Gesetzgeber im Zuge der Reform auch den gemeinschaftlichen Anbau mit weiteren beteiligten Personen zugelassen (§§ 11 ff. KCanG). Hierfür hätte ein pragmatischer Weg gefunden werden können; dies war jedoch nicht gewollt bzw. ist jedenfalls nicht gelungen.
Stattdessen hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, den gemeinschaftlichen Anbau nur im Rahmen sogenannter Anbauvereinigungen zu erlauben. Dies sind nach der Definition in § 1 Nr. 13 KCanG eingetragene nicht-wirtschaftliche Vereine oder Genossenschaften, deren Zweck der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis zum Eigenkonsum durch und an Mitglieder sowie die Weitergabe von Vermehrungsmaterial ist; vor dem erlaubten Anbau oder gar Konsum steht also erst einmal der Gang zum Registergericht. Mit dieser Ausgestaltung sollte wohl ein unkontrollierter Anbau von Cannabis unterbunden werden. Die Umsetzung dieses Vorhabens muss indes als vollständig misslungen bezeichnet werden. Denn herausgekommen ist am Ende ein bürokratisches Monstrum, das primär zusätzlichen Verwaltungsaufwand schafft.
So bedarf der gemeinschaftliche Anbau nicht nur einer Eintragung im Vereins- oder Genossenschaftsregister, sondern zudem auch einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, die nur auf Antrag erteilt wird. Die bei der Antragstellung zu beachtenden Vorgaben umfassen allein in § 11 Abs. 4 KCanG insgesamt zwölf Punkte. Hinzu kommen umfangreiche Versagungsgründe (§ 12 KCanG), die von den Behörden zu prüfen sind.
Darüber hinaus wird von den Anbauvereinigungen, die bis zu 500 volljährige Mitglieder haben dürfen (§ 16 KCanG), die Befolgung einer Vielzahl von Vorgaben verlangt. So haben sie unter anderem Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu ergreifen (§ 18 KCanG), bei der Weitergabe von Cannabis an Mitglieder deren Mitgliedschaft und Alter zu kontrollieren (§ 20 KCanG), die dem Anbau und der Lagerung von Cannabis dienenden Räumlichkeiten gegen Zugriff durch unbefugte Dritte zu sichern (§ 22 KCanG) sowie zu einem umfassenden Jugend- und Gesundheitsschutz beizutragen und ihre Mitglieder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis anzuhalten (§ 23 Abs. 4 KCanG). Hinzu kommen – wie könnte es anders sein – umfangreiche Dokumentations- und Berichtspflichten (§ 26 KCanG).
All dies verführt regelrecht dazu, sich diesen ebenso bürokratischen wie lebensfremden Regelungen nicht zu unterwerfen und den Anbau stattdessen wie schon vor der Reform heimlich zu betreiben, zumal in Züchterkreisen auch der Wille, sich, wie in § 27 KCanG vorgesehen, regelmäßigen Kontrollen der zuständigen Behörden zu unterwerfen, nicht allzu stark ausgeprägt sein dürfte, erst recht, wenn vergleichbare Kontrollen im privaten Bereich nicht möglich sind.
4. Konsumverbote
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber nicht nur den Anbau, sondern auch den Konsum von Cannabis diversen Einschränkungen und Verboten unterworfen. Diese sind geregelt in § 5 KCanG.
a) Diese Vorschrift verbietet in Abs. 1 zunächst den Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen. Unmittelbare Gegenwart bedeutet hierbei eine zu einer konkreten Gefährdung des Minderjährigen führende gleichzeitige, vorsätzliche enge körperliche Nähe des Konsumenten zu einem oder mehreren Kindern oder Jugendlichen am gleichen Ort oder in unmittelbarer räumlicher Nähe (BT-Drucks 20/8704, S. 97). Ein Verstoß hiergegen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG).
Wann die körperliche Nähe als „eng“ anzusehen ist, bleibt offen und wird erst durch die Praxis geklärt werden müssen. Relativ einfach zu bejahen sein wird dieses Tatbestandsmerkmal bei einer Zusammenkunft mehrerer Personen in einer kleinen Wohnung oder gar in einem einzelnen Zimmer. Wie es sich hingegen etwa bei einer Veranstaltung in einem prall gefüllten Jugendhaus verhält, wird sich erst noch zeigen müssen. Absehbar ist aber, dass allgemeingültige Aussagen hierzu schwer zu treffen sein werden; vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen in hohem Maße von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängig sein wird.
Weiter enthält § 5 Abs. 2 KCanG eine Aufzählung von insgesamt sechs als besonders sensibel eingestuften Einrichtungen und Bereichen, in denen der Konsum von Cannabis ebenfalls verboten ist. Mit diesen sogenannten Schutzzonen will der Gesetzgeber Konsumanreize verhindern.
Soweit sich diese Verbote auf Schulen, Kinderspielplätze, Jugendeinrichtungen und Sportstätten beziehen, sind sie nachvollziehbar. Für einige Verwunderung sorgt dagegen das in Nr. 5 verankerte Verbot des Konsums in Fußgängerzonen zwischen 7:00 und 20:00 Uhr. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in dieser Zeit in Fußgängerzonen regelmäßig Kinder und Jugendliche anzutreffen seien (BT-Drucks 20/8704, S. 98), was nicht nur angesichts der bei Jugendlichen nicht sehr weit verbreiteten Neigung, morgens allzu früh aufzustehen und sich – Stunden vor Öffnung der Läden – in Innenstädte zu begeben, sondern insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass sich Kinder und Jugendliche jedenfalls werktags regelmäßig in der Schule oder in ihrem Ausbildungsbetrieb aufzuhalten pflegen, als nicht sonderlich lebensnah erscheint. Zudem erscheint es im Hinblick auf den Jugendschutz geradezu widersinnig, das Konsumverbot um 20:00 Uhr zu beenden und so gerade jene Zeiten, zu denen sich Jugendliche abends treffen, außen vor zu lassen.
Für zahlreiche Probleme sorgen dürfte auch die praktische Umsetzbarkeit der Regelungen. So sehen die ortsbezogenen Verbote mit Ausnahme des Konsumverbots in Fußgängerzonen vor, dass diese nicht nur an der jeweiligen Einrichtung direkt, sondern auch „in deren Sichtweite“ gelten (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 – Nr. 4, Nr. 6 KCanG). Bei einem Abstand von mehr als 100 Metern zum Eingangsbereich der Einrichtung soll eine Sichtweite nicht mehr gegeben sein (§ 5 Abs. 2 S. 2 KCanG). Der Abstand ist linear bis zur Eingangstür der jeweiligen Einrichtung zu bemessen (BT-Drucks 20/8704, S. 97). Diese Regelung dürfte in Fällen, in denen die Nichteinhaltung des Mindestabstands substantiiert infrage gestellt werden kann, zu zahlreichen Diskussionen über die Richtigkeit des Messergebnisses und damit zu überaus zähen Beweisaufnahmen vor dem Bußgeldrichter führen. Jedenfalls bieten sich hier für die Verteidigung durchaus interessante Ansätze.
Die neuen Strafvorschriften
Die Strafbarkeit für Verstöße insbesondere gegen die zentrale Verbotsnorm des § 2 Abs. 1 KCanG richtet sich nunmehr – ausschließlich – nach § 34 KCanG. Mit Ausnahme des Besitzes bzw. des Anbaus einer nicht mehr erlaubten Menge ist in allen Fällen des § 34 Abs. 1 KCanG der Versuch strafbar. Die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG gelten dagegen nicht mehr (BT-Drucks 20/8704, S. 130). Dementsprechend wurde Cannabis auch aus Anlage I zum BtMG gestrichen.
Bei der Bezeichnung der strafbaren Handlungen (Besitz, Anbau, Handeltreiben, Einfuhr, Abgabe usw.) hat sich der Gesetzgeber jedoch an der Terminologie des BtMG orientiert (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.), sodass insoweit weiterhin auf die zum BtMG ergangene und ergehende Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Weitreichende Änderungen wie beispielsweise eine engere Auslegung des Begriffs des Handeltreibens sind daher nicht zu erwarten. Zudem enthält § 35 KCanG eine Kronzeugenregelung, die § 31 BtMG entspricht. Auch insoweit verbleibt es bei der bisherigen Rechtsanwendungspraxis.
1. Die zentrale Strafvorschrift des § 34 KCanG
Eine 1:1-Übertragung der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die im jeweiligen Gerichtsbezirk für bestimmte Cannabismengen üblichen „Tarife“ bei der Strafzumessung, verbietet sich jedoch. Denn während § 29 Abs. 1 BtMG Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht, hat der Gesetzgeber es beim Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG, der im Wesentlichen dieselben Handlungen wie bisher erfasst, bei einer Strafe von höchstens drei Jahren belassen.
a) Bei der Auslegung der dort genannten Tathandlungen kann hingegen wie ausgeführt ganz überwiegend auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Steht der Besitz einer nicht mehr von der Erlaubnisnorm des § 3 Abs. 1 KCanG gedeckten Menge Cannabis im Raum, ist allerdings zu beachten, dass die Schwelle zur Strafbarkeit nicht bereits bei einer Menge von mehr als 25 Gramm bzw. von mehr als 50 Gramm überschritten ist, sondern erst bei mehr als 30 bzw. mehr als 60 Gramm (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG). Werden die erlaubten Mengen nur geringfügig überschritten, liegt keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit vor (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG).
b) § 34 Abs. 3 KCanG sieht höhere Strafen für besonders schwere Fälle vor. Mit drei Monaten bis zu fünf Jahren ist jedoch auch hier ein geringerer Strafrahmen vorgesehen als in § 29 Abs. 3 BtMG. Dort beträgt die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr und die Höchststrafe wird erst durch § 38 Abs. 2 StGB begrenzt.
aa) Insgesamt enthält § 34 Abs. 3 KCanG vier Regelbeispiele, die weitgehend bereits aus dem Betäubungsmittelstrafrecht bekannt sind. Dies gilt insbesondere für die gewerbsmäßige Tatbegehung (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 KCanG), insoweit ergeben sich keine Neuerungen.
bb) Darüber hinaus stellt es in der Regel einen besonders schweren Fall dar, wenn durch die Tat eine konkrete Gesundheitsgefährdung für mindestens zwei Personen geschaffen wird (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 KCanG). Hier hatte der Gesetzgeber insbesondere das Inverkehrbringen von verunreinigtem Cannabis im Blick (BT-Drucks 20/8704, S. 131).
cc) Aus § 29a Abs. 1 BtMG dem Grunde nach bekannt ist auch die erhöhte Strafdrohung für eine Person über 21 Jahre, die Cannabis an Minderjährige abgibt, verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überlässt (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 KCanG). Allerdings handelt es sich nicht mehr um einen Verbrechenstatbestand, sodass sich z.B. bei der Abgabe kleiner Mengen anders als in Fällen des § 29a Abs. 2 BtMG nicht mehr die Frage nach einem minder schweren Fall stellt. Stattdessen wird allerdings sorgfältig zu prüfen sein, ob im Einzelfall nicht die Indizwirkung des Regelbeispiels entfallen muss.
dd) Darüber hinaus taucht auch die aus dem BtMG hinlänglich bekannte nicht geringe Menge im neuen Recht auf, und zwar in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG. Auch insoweit erfolgte allerdings eine Herabstufung vom Verbrechen zu einem Vergehen und damit einhergehend eine Absenkung der Höchststrafe von 15 Jahren auf fünf Jahre. Hiervon dürften insbesondere Täter, denen eine Bandenmitgliedschaft nicht nachgewiesen werden kann (dann fiele die Tat unter § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG), deutlich profitieren; die künftig zu verhängenden Strafen werden bei weitem nicht mehr die Höhe erreichen wie im alten Recht.
Auch im Hinblick auf den Grenzwert, ab dessen Erreichen die Schwelle zur nicht geringen Menge überschritten ist, kommt es möglicherweise zu Änderungen. Denn der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge von mindestens 7,5 Gramm THC nicht festgehalten werden soll, und dies mit einem Hinweis auf die geänderte Risikobewertung im Umgang mit Cannabis begründet (BT-Drucks 20/8704, S. 132). Dies ist angesichts der mit dem CanG vorgenommenen teilweisen Legalisierung des Besitzes und des Anbaus bestimmter Mengen Cannabis im Ansatz nachvollziehbar. Eine kolossale Fehlleistung stellt es allerdings dar, dass der Gesetzgeber auf halber Strecke stehengeblieben ist und der Rechtsprechung zwar eine Erhöhung des Grenzwerts nahegelegt hat, ohne sich dann um dessen exakte Bestimmung zu kümmern. Stattdessen sollen nun die Gerichte einen neuen Grenzwert ermitteln, der aber, so der Wunsch des Gesetzgebers, deutlich höher liegen soll als in der Vergangenheit (BT-Drucks 20/8704 a.a.O.).
Damit droht der Praxis eine erhebliche Rechtsunsicherheit, auch wenn sich der erste Strafsenat des BGH in einer ungewöhnlich schnell veröffentlichten Entscheidung bereits zu der Thematik geäußert und entschieden hat, dass die Grenze zur nicht geringen Menge weiterhin bereits ab 7,5 Gramm THC überschritten ist (BGH, Beschl. v. 18.4.2024 – 1 StR 106/24). Zuvor hatte das OLG Hamburg (Beschl. v. 9.4.2024 – 5 Ws 19/24) in einer Haftbeschwerdeentscheidung dem Gesetzgeber ebenfalls die Gefolgschaft verweigert und am bisherigen Grenzwert festgehalten.
Demgegenüber waren einzelne Instanzgerichte teils deutlich großzügiger: So setzte das LG Braunschweig im dortigen Verfahren 4 KLs 115/23 den Grenzwert auf 40 Gramm THC fest und das LG Freiburg (Urt. v. 5.4.2024 – 17/23 3 KLs 690 Js 3513/23) zog die Grenze bei 80 Gramm THC. Das AG Karlsruhe (Urt. v. 9.4.2024 – 1 Ls 610 Js 32177/23) ging sogar erst dann von einer nicht geringen Menge aus, wenn die gem. § 3 KCanG erlaubte Menge um mehr als das Zehnfache überschritten ist. Diese Entscheidungen sind allerdings größtenteils nicht rechtskräftig und angesichts der Linie des 1. Senats beim BGH dürften Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft durchaus gute Erfolgschancen haben. Ob sich andere BGH-Senate der Auffassung des 1. Senats anschließen werden oder ob nicht irgendwann der Große Strafsenat eine Klärung herbeiführen muss, bleibt abzuwarten.
c) Schließlich enthält § 34 Abs. 4 KCanG in Nr. 1 bis Nr. 4 Qualifikationen für Tathandlungen mit besonderem Gefährdungspotenzial. Hierzu zählen insbesondere solche, die üblicherweise mit organisierter Kriminalität im Zusammenhang stehen oder besonders kinder- und jugendgefährdend sind. Erfasst sind die gewerbsmäßige Weitergabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche (Nr. 1), das Bestimmen Minderjähriger zur Begehung bestimmter Cannabisdelikte (Nr. 2), das bandenmäßige Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge (Nr. 3) sowie das bewaffnete Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge (Nr. 4).
Die einzelnen Tatbestände sind an jene im BtMG angelehnt; allerdings sind auch hier angesichts der vom Gesetzgeber vorgenommenen geringeren Risikobewertung hinsichtlich des Verkehrs mit Cannabis die Strafrahmen herabgesetzt worden.
d) Aus Gründen des Jugend- und Gesundheitsschutzes (BT-Drucks 20/8704, S. 132) sieht § 34 Abs. 5 KCanG für die meisten Fälle des Abs. 1 auch dann eine Bestrafung vor, wenn der Täter fahrlässig handelt. Die Regelung ähnelt § 29 Abs. 4 BtMG.
2. Besonderheiten bei Minderjährigen
Bei Cannabisverstößen, die von Minderjährigen verübt werden, ist zwischen dem umfassenden verwaltungsrechtlichen Verbot des Umgangs mit Cannabis und den strafbewehrten Verboten zu unterscheiden. Denn während das verwaltungsrechtliche Verbot uneingeschränkt gilt, sind die auf Besitz, Erwerb, Anbau und Weitergabe von Cannabis bezogenen Straftatbestände des § 34 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 6 und Nr. 8 KCanG so ausgestaltet, dass eine Strafbarkeit für Jugendliche erst dann gegeben ist, wenn auch der zulässige Handlungsrahmen für Erwachsene überschritten ist. Wäre also dieselbe Tathandlung bei einem Erwachsenen straflos, etwa weil die besessene Menge 25 Gramm nicht übersteigt, scheidet auch bei Jugendlichen eine Strafverfolgung aus.
Komplett folgenlos bleiben derartige Verstöße allerdings nicht, denn § 7 KCanG sieht Möglichkeiten zu einer sog. Frühintervention vor. Hiernach sind bei Übertretungen zunächst die Personensorgeberechtigten zu informieren (§ 7 Abs. 1 KCanG), damit diese eine mögliche Kindeswohlgefährdung durch aus ihrer Sicht geeignete Maßnahmen abwehren können (BT-Drucks 20/8704, S. 99). Bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohls des Minderjährigen, etwa bei Hinweisen auf ein riskantes Konsumverhalten, ist darüber hinaus neben den Sorgeberechtigten auch das Jugendamt zu informieren (§ 7 Abs. 2 KCanG).
Bußgeldtatbestände
Weniger schwerwiegende Verstöße gegen das KCanG wie beispielsweise die geringfügige Überschreitung der erlaubten Besitzmengen oder Zuwiderhandlungen gegen einzelne Konsumverbote des § 5 Abs. 2 KCanG werden als Ordnungswidrigkeiten verfolgt. Zentrale Vorschrift ist hier § 36 Abs. 1 KCanG, der insgesamt 37 Bußgeldtatbestände enthält.
Die Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis zu 10.000 EUR geahndet werden. Für einzelne gewichtigere Ordnungswidrigkeiten sieht § 36 Abs. 2 KCanG Bußgelder bis zu 30.000 EUR vor.
Die Änderungen der StPO
Eine auch nur halbwegs effektive Strafverfolgung im Bereich der Rauschgiftkriminalität ist ohne verdeckte Maßnahmen schlechterdings nicht möglich. Dies schien lange unstreitig zu sein, ehe das im Gesetzgebungsverfahren federführende Bundesgesundheitsministerium in seinem Entwurf zum CanG darauf verzichtete (oder es schlicht versäumte), Verstöße gegen das KCanG in die §§ 100a ff. StPO aufzunehmen. Dies wäre, von wenigen Zufallsfunden abgesehen, einem Ende der Strafverfolgung im Bereich der Cannabiskriminalität gleichgekommen; ohne verdeckte Maßnahmen hätten auch Tätergruppierungen, die hunderte Kilogramm Cannabis nach Deutschland einführen und dabei ebenso gewerbsmäßig wie bewaffnet agieren, die Ermittlungsbehörden nicht mehr fürchten müssen. So weit wollte der Gesetzgeber am Ende dann aber doch nicht gehen, und so wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Änderungen der StPO in das CanG (Art. 13a) aufgenommen, nachdem man auch im Hinblick auf Cannabisdelikte (wieder) zu der Erkenntnis gekommen war, dass eine konsequente Bekämpfung der organisierten Kriminalität gewährleistet sein sollte (BT-Drucks 20/10426, S. 151).
Im Zuge dessen wurden die Qualifikationstatbestände des § 34 Abs. 4 KCanG und die gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis an Minderjährige in den Katalog des § 100a Abs. 2 StPO aufgenommen. Damit bleibt die Überwachung der Telekommunikation weiterhin möglich. In Fällen des § 34 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 KCanG kommen zudem auch Online-Durchsuchungen in Betracht; insoweit hat § 100b Abs. 2 StPO eine entsprechende Ergänzung erfahren. Weiter erlaubt eine Änderung des § 100j Abs. 1 S. 3 StPO die Einholung einer Bestandsdatenauskunft.
Beibehalten wurden überdies auch die Eingriffsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden, was Durchsuchungen betrifft. So gilt die gesetzliche Beschränkung für Durchsuchungen zur Nachtzeit nach wie vor nicht, denn § 104 Abs. 2 StPO wurde durch das CanG auf polizeibekannte Schlupfwinkel des unerlaubten Cannabishandels erstreckt.
Schließlich hat der Gesetzgeber auch noch § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO dahingehend ergänzt, dass beim dringenden Verdacht einer Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 3 oder Nr. 4 KCanG der Haftgrund der Wiederholungsgefahr in Betracht kommt.
Sonstiges
1. Grenzwerte im Straßenverkehr
§ 44 KCanG enthielt den an eine vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppe gerichteten Auftrag, bis zum 31.3.2024 den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol im Blut vorzuschlagen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr nicht mehr regelmäßig gewährleistet ist. In Umsetzung dieses Auftrags hat die Expertengruppe am 28.3.2024 vorgeschlagen, in § 24a StVG einen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum zu verankern. Zudem hat das Gremium unter Hinweis auf die besonderen Gefahren von Mischkonsum vorgeschlagen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot festzuschreiben, entsprechend der Regelung für Fahranfänger in § 24c StVG. Ob der Gesetzgeber diesen Vorschlägen folgen wird, bleibt abzuwarten (vgl. dazu aber schon AG Dortmund StRR 5/2024, 33 [in dieser Ausgabe]).
2. Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung
Darüber hinaus erfolgte durch Art. 14 CanG auch eine Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung. Diese wurde um § 13a FeV ergänzt und ermächtigt die Fahrerlaubnisbehörde nunmehr, bei tatsachengestützter Annahme von Cannabisabhängigkeit die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen (§ 13a Nr. 1 FeV). Darüber hinaus kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Cannabisabhängigkeit besteht, jedoch Anzeichen für Cannabismissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der vorgenannten Gründe entzogen war oder wenn sonst zu klären ist, ob Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit nicht mehr besteht (§ 13a Nr. 2 FeV). Cannabiskonsumenten droht also weiterhin die Entziehung der Fahrerlaubnis.