Beitrag

E-Scooter – Zum aktuellen Stand

I.

Einleitung

Durch die VO über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) vom 6.6.2019 (BGBl I, S. 756), am 15.6.2019 in Kraft getreten, wurde der rechtliche Rahmen für die Nutzung von E-Scootern im öffentlichen Straßenverkehr geschaffen. Nachdem die Popularität von E-Scootern deutlich zugenommen hatte, erhoffte sich der Verordnungsgeber, durch die Regulierung dieses Bereichs zu einer nachhaltigen Verkehrswende weg vom Pkw zu zweirädrigen Fahrzeugen und damit zur Entlastung des Straßenverkehrs insbesondere im städtischen Bereich beizutragen. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Nur ein geringer Anteil an Pkw-Fahrten wird durch die Nutzung von E-Scootern ersetzt. Im Gegenteil haben sich neue tatsächliche Problemlagen ergeben, wie etwa die falsche Straßennutzung durch Fahrer von E-Scootern, „wildes“ Abstellen von Miet-Scootern bis hin zum Versenken in Gewässern und eine nicht unerhebliche Anzahl von Trunkenheitsfahrten in der Vorstellung, man fahre ja schließlich nicht betrunken mit dem Auto. In Paris ist ab September 2023 der Verleih von E-Scootern untersagt, in Großbritannien und den Niederlanden sind sie im öffentlichen Verkehrsraum verboten, Italien verschärft die einschlägigen Regelungen (https://­www.adac.de/­verkehr/­recht/­verkehrsvorschriften-­ausland/­e-­scooter-­regeln-­ausland/). Zugleich haben Drogenhändler den E-Scooter als Mittel der schnellen Auslieferung entdeckt (etwa im Fall BGH NStZ-RR 2022, 281). Zugleich sind aber auch rechtliche Streitfragen und Unzulänglichkeiten evident geworden. Nicht ohne Grund ist dieser Bereich auch Dauerthema der letzten Jahre beim Verkehrsgerichtstag gewesen:

  • im AK V des Jahres 2020 das Thema „Elektrokleinstfahrzeuge“,

  • im AK VI des Jahres 2022 zur zivilrechtlichen Haftung,

  • im AK V des Jahres 2023 zur strafrechtlichen Behandlung.

Gut vier Jahre nach Einführung der eKFV ist es daher an der Zeit, sich einen Überblick über die rechtlichen Fragen in der Praxis zu verschaffen (im Anschluss an Deutscher, ZAP Fach 9, S. 1105; VRR 9/2020, 4)

Hinweis

Zum aktuellen Stand im Zivil- und Verwaltungsrecht s. demnächst Deutscher in VRR. Eine Checkliste zu den straf-, bußgeld- und verkehrsverwaltungsrechtlichen Konsequenzen bei Alkoholfahrten auf dem E-Scooter bietet Fromm, NZV 2020, 230).

II.

Grundlagen

1. Legaldefinition

Die heute in Benutzung stehenden E-Scooter erfüllen die Legaldefinition von Elektrokleinstfahrzeugen (eKF) in § 1 eKFV. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Kraftfahrzeuge (Kfz) mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit (bbH) von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h,

  • Fahrzeug ohne Sitz oder selbstbalancierendes Fahrzeug mit oder ohne Sitze,

  • eine Lenk- oder Haltestange von mindestens 500 mm für Kfz mit Sitz und von mindestens 700 mm für Kfz ohne Sitz,

  • eine Nenndauerleistung von nicht mehr als 500 Watt oder von nicht mehr als 1400 Watt, wenn mindestens 60 Prozent der Leistung zur Selbstbalancierung verwendet werden,

  • eine Gesamtbreite von nicht mehr als 700 mm, eine Gesamthöhe von nicht mehr als 1400 mm und eine Gesamtlänge von nicht mehr als 2000 mm und

  • eine maximale Fahrzeugmasse ohne Fahrer von nicht mehr als 55 kg.

2. E-Scooter als Kraftfahrzeuge

Nach § 1 Abs. 2 StVG gelten als Kfz im Sinne dieses Gesetzes Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Keine Kfz sind nach § 1 Abs. 3 SVG Landfahrzeuge, die durch Muskelkraft fortbewegt werden und mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind. Hierunter fallen etwa Pedelecs. E-Scooter sind nach einhelliger Ansicht hingegen Kfz i.S.d. § 1 Abs. 1 StVG (LG München DAR 2020, 111 m. Anm. Timm; LG Wuppertal VRR 3/2022, 26 [Lauterbach] = NZV 2022, 444 [Krenberger]; a.A. AG Wuppertal DAR 2022, 155; für Segways OLG Koblenz DAR 2020, 36), Pedelecs hingegen auch strafrechtlich nicht (OLG Karlsruhe DAR 2020, 579 m. abl. Anm. König = zfs 2020, 526 = VRR 9/2020, 15 = StRR 9/2020, 28 [jew. Deutscher] = NZV 2020, 435 [Kerkmann]; zur verkehrsrechtlichen Einordnung von Elektroroller, E-Scooter und Tretroller Rebler, SVR 2021, 88).

3. Weitere Vorgaben

Die eKFV enthält weitere Vorgaben für das Inbetriebsetzen von E-Scootern (§ 2), die Berechtigung zum Führen (§ 3), technische Anforderungen (§§ 4–8) sowie allgemeine (§ 9) sowie besondere (§ 11 ff.) Verhaltensregeln und zu den erlaubten Verkehrsflächen (§ 10, näher zu allem Deutscher, VRR 9/2020, 4, 5–7).

III.

Strafrecht

1. Trunkenheits- und Drogenfahrten (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 StGB)

a) Der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit

Erforderlich für das Vorliegen einer Trunkenheits- und Drogenfahrt bzw. einer hierdurch bewirkten Gefährdung des Straßenverkehrs (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 StGB) ist das Führen eines Fahrzeugs im Verkehr, obwohl der Fahrzeugführer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Bei Kfz gilt für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Alkoholisierung der Grenzwert von 1,1 ‰, bei Fahrradfahrern der Grenzwert von 1,6 ‰ (Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 316 Rn 25, 27 m.N.). Umstritten ist die Einordnung bei E-Scootern. Das BayObLG (NStZ 2020, 736 = DAR 2020, 576 = NZV 2020, 582 m. Anm. Lamberz = VRR 10/2020, 15 = StRR 1/2021, 35 [jew. Deutscher]) sieht für Fahrer von E-Scootern den Mindestwert für die unwiderlegliche Annahme von absoluter Fahruntüchtigkeit bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰. Elektrokleinstfahrzeuge würden in § 1 Abs. 1 eKFV aufgrund ihres elektrischen Antriebs als Kfz eingestuft. Sie unterlägen damit den für Kfz geltenden Regelungen im Straßenverkehrsrecht, soweit nicht für Elektrokleinstfahrzeuge ausdrücklich abweichende Regelungen geschaffen wurden. Das sei hinsichtlich der Vorschriften zum Alkohol im Straßenverkehr nicht der Fall. Im Übrigen würde auch ein eigener Grenzwert für jede Fahrzeugart zu einer verwirrenden Vielfalt von Werten und Begriffen für die Verkehrsteilnehmer führen, was schon aus praktischen Gründen bedenklich wäre. Dem haben sich andere Gerichte angeschlossen: KG DAR 2022, 465 Ls.; LG München I DAR 2020, 111 m. Anm. Timm; LG Dortmund DAR 2020, 274 = VRR 3/2020, 14, 16 = StRR 3/2020, 28, 30 [jew. Deutscher]; ebenso Fischer, § 316 Rn 25; Heß/Figgener, NJW-Spezial 2019, 585; Huppertz, NZV 2019, 560; SVR 2020, 81, 87; Ternig, DAR 2019, 289, 597). Dem wird entgegengehalten, es fehle bislang an naturwissenschaftlichem Erfahrungswissen dazu, ab welchem Wert Fahrer solcher Fahrzeuge absolut fahruntüchtig sind, gemessen an den Anforderungen, die straßenverkehrsrechtlich an das Führen solcher Fahrzeuge zu stellen sind (Niehaus, StRR 6/2023, 23; Schefer, NZV 2020, 239).

Der BGH hat sich hierzu noch nicht abschließend geäußert (NStZ-RR 2023, 223 = zfs 2023, 407 = StRR 6/2023, 22 [Niehaus]). Eine Verurteilung setze aber Feststellungen zu Art und technischer Beschaffenheit voraus, auf deren Grundlage beurteilt werden kann, ob das Fahrzeug § 4 Abs. 1 S. 1 FeV oder aber § 4 Abs. 1 S. 2 FeV unterfällt. Gleiches gelte bei der Verurteilung gem. § 316 Abs. 1 StGB oder § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 2 StGB bezüglich der fahrzeugtechnischen Einordnung, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Tatgericht zu Recht den für absolute Fahruntüchtigkeit entwickelten BAK-Grenzwert von 1,1 ‰ seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt hat (BGH NStZ 2021, 608 = NZV 2021, 471 m. Anm. Zivanic = DAR 2021, 397 = StRR 9/2021, 23 = VRR 7/2021, 18 [jew. Burhoff] zu einem „Sunny-Bike“; ebenso LG Oldenburg DAR 2022, 707 = zfs 2023, 286; sich anschließend KG Blutalkohol 59 [2022], 358). Eine endgültige Klarstellung durch den BGH bleibt abzuwarten (König, DAR 2023, 366).

Hinweis

Der AK V des Verkehrsgerichtstags 2023 hat empfohlen, den Grenzwert von 1,1 ‰ beizubehalten (NZV 2023, 76, s.a. Kerkmann, NZV 2023, 25). Zur alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit und Fahrerlaubnisentziehung bei E-Scootern, Fahrrädern und Co. näher Krumm, SVR 2023, 18. Zum Reformbedarf bei der strafrechtlichen Bewertung Fromm, DAR 2023, 57.

Bei Drogenfahrten stellt sich die Frage der absoluten Fahruntüchtigkeit nicht, da es bisher wissenschaftlich nicht gelungen ist, Grenzwerte für die jeweiligen Drogen zu bestimmen (näher Fischer, § 316 Rn 39). Hier wie auch bei einer Alkoholisierung bis 1,1 ‰ kommt nur eine relative Fahruntüchtigkeit bei Feststellung von hierdurch bedingten Ausfallerscheinungen in Betracht.

b) Tathandlung: Führen eines Fahrzeugs

Wer einen unversicherten E-Scooter ohne Fahrerlaubnis im öffentlichen Straßenverkehr wie einen einfachen Tretroller mit bloßer Muskelkraft fortbewegt, verhält sich selbst dann weder strafbar noch ordnungswidrig, wenn er zuvor Drogen konsumiert hat, ohne Ausfallerscheinungen zu zeigen (LG Hildesheim zfs 2023, 48 = VRR 1/2023, 18 = StRR 12/2022, 26 [jew. Burhoff] = NZV 2023, 237 [Sandherr]).

Allein das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters während der Fahrt durch einen absolut fahruntüchtigen Sozius stellt unabhängig von aktiven Lenkbewegungen nach links oder rechts, um eine Kurve zu fahren, ein Lenken des Fahrzeugs und damit das „Führen“ eines Fahrzeugs i.S.d. § 316 StGB dar (LG Oldenburg VRR 1/2023, 20 [Deutscher] = NZV 2023, 238 [Kerkmann]; zust. Bespr. Mitsch, NZV 2023, 197). Angesichts des bloßen Festhaltens am Lenker ohne eigene Lenkbewegungen ist das nicht zwingend, letztlich auf dem Hintergrund des Verbots der Personenbeförderung in § 8 eKFV aber jedenfalls plausibel.

2. Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG)

Nach §§ 3 eKFV, 10 Abs. 3 S. 2 a FeV sind Personen zum Führen eines E-Scooters berechtigt, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Eine Fahrerlaubnis ist nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a FeV). Bei einem technisch getunten E-Scooter ist zu unterscheiden: Beträgt die Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn dann höchstens 25 km/h, bleibt das Fahrzeug fahrerlaubnisfrei (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b FeV); einschlägig ist dann die Ordnungswidrigkeit nach § 14 Nr. 1 eKFV, Nr. 236 BKat (Erlöschen der Betriebserlaubnis). Kann eine höhere Geschwindigkeit erreicht werden, besteht eine Fahrerlaubnispflicht nach Klasse AM oder A1. Ein Führen des getunten E-Scooters ohne Fahrerlaubnis ist dann strafbar.

3. Fahren ohne Haftpflichtversicherung (§ 6 PflVG)

Nach § 1 PflVG besteht für den Halter eines Kfz die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Ein E-Scooter muss mit einer gültigen Versicherungsplakette für eKF nach § 29a FZV versehen sein (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 eKFV). Der Straftatbestand des § 6 PflVG ist erfüllt, wenn der E-Scooter ohne formellen Bestand des erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrags geführt wird (BGH NStZ-RR 2022, 281). Es genügt nicht, dass lediglich die vorhandene Versicherungsplakette nicht angebracht ist, was allerdings ein Indiz für eine fehlende Versicherung ist, oder dass ein E-Scooter getunt geführt wird (Huppertz, NZV 2019, 561).

Hinweis

Allgemeine Straftatbestände, die nicht auf das Führen eines Fahrzeugs abstellen, bleiben anwendbar. Insbesondere kann der E-Scooter-Fahrer als Unfallbeteiligter Täter eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort sein (§ 142 StGB).

4. Strafrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a, 111a StPO)

Nach § 69 Abs. 1 StGB entzieht das Gericht dem Täter einer Tat bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder unter Verletzung der Pflichten eines Kfz-Führers die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kfz ungeeignet ist. Der Täter ist in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kfz anzusehen, wenn einer der in § 69 Abs. 2 StGB genannten Regelfälle vorliegt, hier die Nr. 2 (Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB). Liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, kann diese zuvor gem. § 11a StPO vorläufig entzogen werden.

Kontrovers und bislang nicht abschließend behandelt wird die Frage, wie diese Vorschriften bei Trunkenheits- und Drogenfahrten mit E-Scootern anzuwenden sind. Im Kern geht es dabei um die Auswirkungen des Regelfalls in § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Das LG Chemnitz etwa (DAR 2023, 50) lehnt eine Anwendung des Regelfalls generell ab, weil E-Scooter gegenüber einspurigen Kfz eine verringerte abstrakte Gefährlichkeit aufweisen und angesichts ihres Gewichts und der erreichbaren Geschwindigkeit vielmehr mit der Gefährlichkeit eines Pedelecs oder eines konventionellen Fahrrads zu vergleichen sind. Das ist angesichts der Eigenschaft des E-Scooters als Kfz weder mit der gesetzlichen Regelung in § 69 StGB noch dem Sinn der Vorschrift in Einklang zu bringen. Die Frage ist vielmehr, ob und unter welchen Voraussetzungen bei solchen Fällen im konkreten Einzelfall die Regelvermutung widerlegt werden kann. Die folgenden Übersichten zeigen die einschlägigen Entscheidungen auf:

Regelvermutung bejaht

Gericht

Fundstelle

Begründung

BayObLG

NStZ 2020, 736 = DAR 2020, 576 = NZV 2020, 582 m. Anm. Lamberz = VRR 10/2020, 15 = StRR 1/2021, 35 (jew. Deutscher)

E-Scooter kein Grund für Ausnahmefall.

Kurze Fahrtstrecke von 300 Metern genügt nicht.

OLG Frankfurt

Urt. v. 8.5.2023 – 1 Ss 276/22

Nutzung eines E-Scooters reicht nicht aus.

Keine geringere Gefährlichkeit.

KG

DAR 2022, 465 Ls.

Tatrichter hat Besonderheiten des Falls berücksichtigt.

LG München I

DAR 2020, 111 m. abl. Anm. Timm

Erhebliches Verletzungspotenzial für Dritte.

LG Dortmund, 43. StrK

DAR 2020, 274 = VRR 3/2020, 14 = StRR 3/2020, 30 (jew. Deutscher)

Keine geringere Gefährlichkeit als bei Nutzung von Motorrollern.

Irrtum über einschlägigen Grenzwert irrelevant.

LG Oldenburg

LG Oldenburg VRR 1/2023, 20 (Deutscher) = NZV 2023, 238 (Kerkmann)

Darlegung, Beschuldigte sei „lediglich“ als hinterer Fahrer bzw. Sozius auf dem Roller „mitgefahren“, genügt nicht.

LG Lüneburg

Beschl. v. 27.6.2023 – 111 Qs 42/23

Keine Bagatellfahrt.

Regelvermutung verneint

Gericht

Fundstelle

Begründung

LG Dortmund, 31 StrK

VRS 138, 20 = VRR 3/2020, 16 = StRR 3/2020, 28 (jew. Deutscher)

Keine größere Gefährlichkeit als bei Nutzung eines Pedelecs.

Tatzeit 01.10 Uhr nachts an einem Wochentag.

Keine Information der Bürger über Grenzwert vorab.

LG Dortmund, 35. StrK

Blutalkohol 57 (2020), 115 = VRR 3/2020, 16 = StRR 3/2020, 28 (jew. Deutscher)

Fahrtstrecke aufgrund eines Sturzes nur einige Meter.

Trotz der objektiv bestehenden Möglichkeit der Weiterfahrt wird die Fahrt nicht fortgesetzt.

AG Dortmund

Blutalkohol 57 (2020), 118 = NZV 2020, 270 (Staub) = SVR 2020, 279 (Steinert)

Nachts zur verkehrsarmen Zeit auf einer Verkehrsfläche ohne jeden Bezug zum fließenden Straßenverkehr und ohne tatsächlich feststellbare oder auch nur abstrakt drohende Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter durch einen nicht vorbelasteten geständigen Täter.

LG Halle

zfs 2021, 168

Über kurze Strecke von 15 Metern leichte Schlangenlinien, ohne weitere Ausfallerscheinungen.

LG Düsseldorf

DAR 2021, 162

Fahrt zur Nachtzeit bei nur geringem Verkehrs- und Passantenaufkommen.

AG Dresden

DAR 2021, 163

Fahrt zur verkehrsarmen Nachtzeit mit erstmals angemietetem E-Scooter.

AG Frankfurt/Main

Blutalkohol 57 (2020), 368 = NZV 2020, 598 (Fromm)

Fahrtstrecke von 150–200 Metern.

AG Heidelberg

DAR 2022, 47

E-Scooter steht dem Fahrrad näher.

Tathergang sowie die Täterpersönlichkeit sind zu berücksichtigen.

AG Hannover

DAR 2022, 710

Eigenschaft des E-Scooters als Kfz war nicht bewusst.

Fahrt zur Nachtzeit bei geringem Verkehrsaufkommen.

Benutzung des Fahrradwegs.

Grenzwert nur geringfügig überschritten.

Keine Fahrunsicherheiten.

LG Leipzig

Blutalkohol 59 (2020), 50 = VRR 10/2022, 16 = StRR 12/2022, 28 (jew. Deutscher)

Ohne Ausfallerscheinungen.

Kurze Fahrtstrecke auf Radweg zur Nachtzeit ohne Fremdgefährdung.

Die Tagerichte tendieren also eher zu einer Widerlegung des Regelfalls (ebenso Engel, DAR 2020, 16). Es bleibt abzuwarten, wie sich der BGH dazu positioniert, was bislang aus seiner Sicht nicht erforderlich war (o. III. 1. a). Bei Widerlegung der Regelvermutung verbleibt die Anordnung eines strafrechtlichen Fahrverbots nach § 44 StGB. Bei erfolgter vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO hat nach § 51 Abs. 5 StGB eine Anrechnung zu erfolgen, sodass in aller Regel im Urteilzeitpunkt die gesetzliche Höchstfrist von sechs Monaten erreicht sein dürfte und damit eine entsprechende Anordnung rein deklaratorische Wirkung besitzt.

Hinweis

Der AK V des VGT 2023 hat empfohlen, § 69 Abs. 2 StGB dahingehend zu ändern, dass die Regelvermutung für eine Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem fahrerlaubnisfreien Elektrokleinstfahrzeug (z.B. E-Scooter) nicht greift; er hält die Verhängung eines Fahrverbotes (§ 44 StGB) grundsätzlich für ausreichend. Es bleibe Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, die Fahreignung nach Maßgabe des geltenden Rechts in diesen Fällen zu prüfen (NZV 2023, 76; s.a. Kerkmann, NZV 2023, 25). Weitere Rechtsprechung zu Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern bei Kerkmann, NZV 2020, 161, 560; 2022, 413.

5. Einziehung des E-Scooters als Tatmittel (§§ 44, 69, 69a StGB, FeV)

Eine Einziehung des E-Scooters als Tatmittel nach § 74 StGB dürfte im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung schon wegen des geringen Gewichts der hier einschlägigen Straftaten nicht in Betracht kommen. Angesichts der quantitativen Dominanz von Leih-Scootern stehen diese in den allermeisten Fällen ohnehin nicht im Eigentum des Täters und mangels einer Verweisungsvorschrift ist die Dritteinziehung nach § 74a StGB dann nicht zulässig (aktuelle Rechtsprechung zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung bei Deutscher, StRR 11/2022, 7).

IV.

Bußgeldrecht

1. Allgemeine Tatbestände

Die allgemeinen Bußgeldtatbestände gelten, soweit sie tatbestandlich einschlägig sind, auch für die Benutzung von E-Scootern (vgl. § 9 eKFV). In erster Linie gilt das für Trunkenheits- und Drogenfahrten nach § 24a StVG mit den Rechtsfolgen nach Nrn. 241–243 BKat. Auch für E-Scooter gilt der Alkoholgrenzwert von 0,25 mg/l oder 0,5 ‰. Der Art des geführten Kfz (E-Scooter) kommt für die abstrakte Gefahr, die von einer Trunkenheitsfahrt für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgeht, keine derart bestimmende Bedeutung zu, dass dieser Umstand allein schon die Indizwirkung des Regelbeispiels nach §§ 25 Abs. 1 S. 2, 24a StVG entfallen lässt (OLG Zweibrücken NStZ 2022, 493 = zfs 2021, 650 = VRR 1/2021, 25 [Deutscher] = NZV 2022, 101). Weiter ist das Verbot der Benutzung elektronischer Geräte nach § 23 Abs. 1a StVO mit den Rechtsfolgen nach Nrn. 246–246.3 BKat bis hin zu einem Fahrverbot von einem Monat anwendbar, ebenso wie die Vorschriften über Rotlichtverstöße. Für das Abstellen von E-Scootern gelten die für Fahrräder geltenden Parkvorschriften entsprechend. Damit ist auch die Anwendung der für Kfz im Übrigen geltenden Parkvorschriften der §§ 12 und 13 StVO ausgeschlossen (so AG Frankfurt/Main, Beschl. v. 12.8.2022 – 971 OWi 51/21, Bespr. Sandherr, DAR 2023, 237; nachfolgend 3.). Allerdings ist ein Parkverstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO durch behinderndes oder gefährdendes Abstellen möglich (AG Hamburg-Altona DAR 2023, 230 = zfs 2023, 232 = NZV 2023, 333 [Sandherr]; eingehend Sandherr, DAR 2023, 238).

2. Spezielle Tatbestände

In § 14 Nrn. 1–9 eKFV sind bestimmte Verstöße gegen Betriebsvorgaben und Verhaltensregeln der eKFV als Ordnungswidrigkeiten bestimmt worden. Die entsprechenden Regelgeldbußen sind in Nrn. 234–238a.3 BKat aufgeführt. Die dort nicht genannten Verstöße gegen § 14 eKFV bleiben auch ohne Regelgeldbuße verfolgbar (näher Deutscher, VRR 9/2020, 10).

3. Halterkostenbescheid gegen Vermieter von E-Scootern?

Die übergroße Mehrzahl von E-Scootern wird von Vermietern betrieben und für einzelne Fahrten gemietet. Bei einem Park- oder Halteverstoß (vorstehend 1.) ergibt sich die Möglichkeit der Kostentragungspflicht des Vermieters als Halter nach § 25a StVG, wenn der Fahrer nicht oder nur mit unangemessenem Aufwand ermittelt werden kann. In einem solchen Fall soll ein Halterkostenbescheid zulässig sein (AG Hamburg-Altona DAR 2023, 230 = zfs 2023, 232 = NZV 2023, 333 [Sandherr]; Bespr. Sandherr DAR 2023, 238).

Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum

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