Beitrag

Pauschgebühr in einem Umfangsverfahren

1. Zur Übertragung der Entscheidung über den Pauschgebührantrag auf den Senat.

2. Zur Bewilligung einer Pauschgebühr in einem Umfangsverfahren mit rund 300 Stehordnern Akten.

3. Bei der Bewilligung einer Pauschgebühr (in einem Staatsschutzverfahren) ist diese i.d.R. unter Außerachtlassung der Terminsgebühren über eine Erhöhung der Grund- und Verfahrensgebühren zu bemessen.

4. Die durch Covid-19 bzw. den Erreger SARS-CoV-2 bestehenden Einschränkungen sind bei der Bemessung einer Pauschgebühr ggf. zu berücksichtigen.

(Leitsätze des Verfassers)

OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.20225-2 StE 7/20

I. Sachverhalt

Staatsschutzverfahren beim OLG Stuttgart

Der Rechtsanwalt ist (auswärtiger) Pflichtverteidiger in einem umfangreichen Verfahren beim Staatsschutzsenat des OLG. Er hat sich mit Schriftsatz vom 16.6.2020 gegenüber dem Generalbundesanwalt legitimiert und ist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 4.2.2021 bestellt worden. Inzwischen liegen 253 Band Stehordner Ermittlungsakten, 23 Band Gerichtsakten sowie Beiakten vor. Seit dem 13.4.2021 wurde an bislang 85 Tagen (haupt-)verhandelt.

Vorschuss von 216.750 EUR auf Pauschgebühr beantragt

Die gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers betragen 67.760 EUR. Er hat einen Vorschuss auf eine Pauschgebühr (§ 51 Abs. 1 S. 5 RVG) in Höhe von 216.750 EUR beantragt. Den hat er u.a. mit dem Umfang, dem erforderlichen Einarbeitungsaufwand, der Dauer der laufenden Hauptverhandlung, der Terminierungsdichte mit zwei Verhandlungstagen pro Woche mit Unterbrechung von einem Tag, der wegen der weiten Entfernung eine Rückreise an den Kanzleiort nicht zulasse, der Dauer und Schwierigkeit der Hauptverhandlungstermine mit zwölf Angeklagten mit jeweils zwei Verteidigern und dem erhöhten Abstimmungsbedarf und Besprechungsaufwand unter den Verteidigern begründet. Zudem habe er wegen des Umfangs und der Schwierigkeit ab Mandatierung im Hinblick auf den zu erwartenden Aufwand so gut wie keine anderen Neumandate annehmen können. Durch „diverse coronabedingte Ausfälle“ sei „auch diese Einnahmequelle teilweise über Wochen eingebrochen“. Aus all diesen Gründen müsse auch die im Regelfall als Obergrenze anzusehende Wahlverteidigerhöchstgebühr überschritten werden, nachdem in einem derartigen Ausnahmefall die Höhe des Entgeltes für den Pflichtverteidiger existenzielle Bedeutung gewinne, in besonderem Maße für einen in Einzelkanzlei tätigen Verteidiger.

OLG gewährt 146.142 EUR als Vorschuss

Das OLG hat einen Vorschuss in Höhe von 146.142 EUR bewilligt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass in Anbetracht der von dem Pflichtverteidiger entfalteten Tätigkeit die bislang entstandenen gesetzlichen Gebühren nicht ansatzweise zumutbar sind.

II. Entscheidung

Übertragung vom Einzelrichter auf den Senat

Der an sich zuständige Einzelrichter hat die Entscheidung gemäß § 51 Abs. 2 S. 4 RVG in Verbindung mit § 42 Abs. 3 S. 2 RVG dem Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung übertragen. Eine solche Übertragung komme nicht nur dann in Betracht, wenn schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung fortbestehen würden, sondern bereits dann, wenn sie entstehen können (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, § 42 Rn 25). Hier betreffe die Entscheidung den Umgang mit der Vergütung eines Rechtsanwalts in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Diese werfe Fragen auf, die bislang, da nicht existent, gerichtlich nicht geklärt seien. Allerdings werden nach Auffassung des OLG in Zukunft in einer Vielzahl von Fällen derartige Entscheidungen zu treffen sein. Schon der Senat werde in dem vorliegenden Verfahren eine Vielzahl von Anträgen zu entscheiden haben. Die Frage, ob das Vorliegen einer solchen pandemischen Situation das Abweichen von bisherigen Grundsätzen notwendig mache, ob, abweichend von der regelmäßigen Rechtsprechung, individuelle Gesichtspunkte der Antragsteller einer Rolle zu spielen vermögen, gebiete die Herbeiführung einer Senatsentscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu diesen nunmehr gehäuft auftretenden Fragestellungen (vgl. auch KK-OWiG/Hadamitzky, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn 15 ff.; Burhoff, a.a.O.).

Besonderer Umfang des Verfahrens

Das OLG bejaht den besonderen Umfang des Verfahrens i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stelle sich als die Ausnahme dar, da die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen Sachen in exorbitanter Weise abheben müsse (BGH NJW 2015, 2437 = AGS 2016, 5 = StRR 2015, 357). Dem Rechtsanwalt müsse wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit durch die gesetzlichen Gebühren eine unzumutbare Benachteiligung entstehen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.3.2022 – 5 – 2 StE 7/20). Nach Auffassung des OLG bedarf es allerdings keiner näheren Ausführungen, dass hier ein solcher Fall gegeben ist und die gesetzlichen Gebühren von 67.760 EUR nicht hinreichend sind. Es liegen 253 Band Stehordner Ermittlungsakten, 23 Band Gerichtsakten sowie Beiakten vor, zudem wird seit dem 13.4.2021 an bislang 85 Tagen verhandelt. Bereits dieser Umfang sei absolut außergewöhnlich und trage die Festsetzung einer Pauschgebühr.

Allgemeine Berechnungsgrundlagen

Das OLG nimmt dann eingehend zu der von ihm gewählten Berechnungsgrundlage Stellung. Es entspreche seiner ständigen Rechtsprechung unter (grundsätzlicher) Außerachtlassung der Terminsgebühren, einen Ausgleich über eine Erhöhung der Grund- und Verfahrensgebühren herbeizuführen. Diese Annahme begründet das OLG mit einem Hinweis auf die gesetzgeberische Grundentscheidung, allein bei den Terminsgebühren eine Abstufung vorzunehmen, die sich bei sog. Umfangsverfahren auswirken kann. Bei der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren sei hingegen keine, bei der Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren sei lediglich eine Differenzierung nach den Gerichten vorgenommen worden, bei denen der Verteidiger seine Tätigkeit entfalte. Anders verhalte es sich bei der Terminsgebühr, was im Wesentlichen zunächst daran liege, dass sie „je Hauptverhandlungstag“ anfällt. Allerdings sei hier bereits die Bandbreite im Ausgangspunkt größer. Das RVG differenziere insoweit nicht nur nach den Gerichten, bei denen der Verteidiger seine Tätigkeit entfalte, und dann noch nach drei Stufen (Dauer bis fünf Stunden, Dauer fünf bis acht Stunden und Dauer mehr als acht Stunden) nach der jeweiligen Hauptverhandlungsdauer, sondern als wesentliches Kriterium schlicht auch nach der Anzahl der Hauptverhandlungstage, sodass in Umfangsverfahren ein weit ausdifferenzierteres System zur Verfügung stehe und Wirkung entfalte, als dies bei Grund- und Verfahrensgebühren der Fall ist und sein kann. Daher lasse das OLG im Regelfall die Terminsgebühren unangetastet, nehme aber bei Grund- und Verfahrensgebühren Modifikationen vor und überschreite dabei, sofern geboten, auch die Schwelle des § 42 Abs. 1 S. 4 RVG.

Umfangsverfahren von herausragender Qualität

Das OLG bejaht ein Umfangsverfahren von herausragender Qualität. Als Vergleichsmaßstab stellt es in dem Zusammenhang auf die in Nr. 4118 VV RVG genannten Verfahren ab. Es beurteilt sodann die im Einzelnen vom Antragsteller angeführten Kriterien für eine weitere Einordnung und meint: Der Umfang der Akte und der notwendige Einarbeitungsaufwand seien taugliche Abgrenzungskriterien, da sie quantifizierbar und damit weitgehend objektivierbar seien. Die Dauer der laufenden Hauptverhandlung sei jedenfalls im Grundsatz eher kein maßgebliches Abgrenzungskriterium, da insoweit über die Anzahl der Terminsgebühren ein Ausgleich geschaffen werde. Die Terminierungsdichte bzw. Rückreisemöglichkeit sei im Grundsatz ebenfalls eher kein maßgebliches Abgrenzungskriterium, da die in Nr. 4118 VV RVG genannten Verfahren in aller Regel Haftsachen seien und damit die Terminierungs- bzw. Verhandlungsdichte von Verfassungs wegen bestimmten, und zwar insoweit identischen und allen Verfahren in gleichem Maße immanenten Regeln unterliegen. Auch die Dauer und Schwierigkeit der Hauptverhandlungstermine mit einer Vielzahl von Angeklagten mit jeweils zwei Verteidigern und der erhöhte Abstimmungsbedarf unter den Verteidigern bzw. der Besprechungsaufwand seien generell-abstrakten Erwägungen kaum zugänglich. Schließlich sei auch die Höhe des mit der Verfahrensbearbeitung verbundenen Verdienstausfalles ein nur scheinbar brauchbares, bei näherer Betrachtungsweise hingegen kaum taugliches Kriterium, denn, wenn mehrere Verteidiger mit – aus welchen Gründen auch immer – ganz erheblichen Einkommensdifferenzen im selben Verfahren tätig werden, könne die zweifellos mühelos darzustellende Einkommensdifferenz keine massiv unterschiedliche Pauschgebühr rechtfertigen.

Alles in allem sieht das OLG den Umfang der Sache mit der Messzahl Aktenbestand als das zuverlässigste, weil zudem einzig wirklich objektivierbare Kriterium zur Beurteilung eines Verfahrens. Damit führe der Aktenumfang von derzeit rund 300 Stehordnern sowie elektronischen Daten zur Annahme eines Umfangsverfahrens von herausragender Qualität. Zudem sei ein überschaubarer Zeitraum zwischen Sommer/Herbst 2019 und Februar 2020 mit einer allerdings beträchtlichen Anzahl handelnder Personen in den Blick zu nehmen. Rechtliche Schwierigkeiten seien vorhanden, sie bewegen sich nach Auffassung des OLG allerdings im eher „klassischen“ Feld eines Staatsschutzverfahrens mit Bezügen zum Allgemeinen Teil des StGB.

Covid-19-Einschränkungen

Das OLG sieht infolge der durch Covid-19 bzw. den Erreger SARS-CoV-2 bestehenden Einschränkungen weitere Modifikationen als notwendig an. Das bisherige Verfahren sei maßgeblich durch Covid-19 beeinflusst worden. 20 terminierte Sitzungstage hätten ausschließlich wegen der Pandemie nicht stattfinden können. Neben diesen 20 durch Covid-19 bedingten Aufhebungen hätten sechs Hauptverhandlungstage aus in jedem Verfahren möglichen Gründen aufgehoben werden müssen. Zwölf der 20 ausgefallenen Sitzungstage liegen zwischen dem 8.3. und dem 12.5.2022. Mithin habe es im Verfahren ein Zeitsegment gegeben, in dem Covid-19-bedingt kaum Hauptverhandlungen stattgefunden haben. Das OLG sieht hier das Bedürfnis, über die Gewährung weiterer Verfahrensgebühren einen Ausgleich zu schaffen. Ein „Sonderopfer“, gerade in diesem bzw. in einem vergleichbaren Verfahren bestellt zu sein, sei ohne Ausgleich nicht abzuverlangen.

Konkrete Berechnung der Pauschgebühr

Auf der Grundlage waren nach Auffassung des OLG Grund- und Verfahrensgebühren angesichts des Umfangs, der Dauer und der Schwierigkeit – bezogen auf das durchschnittliche Verfahren gemäß Nr. 4118 VV RVG – zu erhöhen, und zwar die Grundgebühr (Nr. 4100, 4101 VV RVG) pauschal um das 30-Fache, die Vorverfahrensgebühr Nr. 4104, 4105 VV RVG pauschal um das 30-Fache und die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG (quantifizierbar) jeweils pro drei Band Akten, damit jedenfalls bislang um das 100-Fache. Die Terminsgebühren hat das OLG entsprechend den Vorgaben des RVG berechnet. Allerdings geboten auch insoweit Umfang, Dauer und durchaus auch Schwierigkeit – bezogen auf das durchschnittliche Verfahren gemäß Nr. 4118 VV RVG – eine Erhöhung pro Sitzungswoche. Unbeschadet der Anzahl der Hauptverhandlungstage, die dort stattgefunden haben, werde eine weitere Verfahrensgebühr fällig. Schließlich hat es einen angemessenen Ausgleich für die Risiken der Covid-19-Infektion vorgenommen und abermals pro infolge Covid-19 ausgefallenem Sitzungstag zwei Verfahrensgebühren angesetzt.

Dies alles führte zu dem Vorschuss in Höhe von 146.142,00 EUR. Werde die so errechnete, dem OLG jedenfalls bei vorläufiger Betrachtung angemessen erscheinende Pauschgebühr, die als Vorschuss gewährt werde, auf die Anzahl der Monate heruntergebrochen, die der Antragsteller bislang in diesem Verfahren tätig sei, wird nach Ansicht des OLG deutlich, dass jedenfalls ein hinreichender Ausgleich ermöglicht wird. Auch könne das Verfahren perspektivisch in den Blick genommen und könnten hypothetische Berechnungen angestellt werden: Das Ergebnis finde Bestätigung. Damit trage der Senat dem „Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung“ (BVerfG NJW 2007, 3420 = AGS 2007, 504) Rechnung, denn es werde sichergestellt, dass dem Antragsteller die Verteidigung in diesem Verfahren kein unzumutbares Opfer abverlange.

III. Bedeutung für die Praxis

Grundsätzlich zutreffend

1. Angesichts der vom OLG im Beschluss mitgeteilten Verfahrenstatsachen liegt es auf der Hand, dass die vom OLG getroffene Entscheidung zutreffend ist, und zwar sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Frage, ob das Verfahren (schon) „besonders umfangreich“ i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG war als auch im Hinblick darauf, dass dem Pflichtverteidiger ein Vorschuss zu gewähren war. Die vom OLG mitgeteilten Daten sprechen für sich. Sowohl der Aktenumfang als auch die (bisherige) Dauer der Hauptverhandlung sind bemerkenswert. Anzumerken ist allerdings, dass § 51 RVG für die Gewährung einer Pauschgebühr kein „exorbitantes Verfahren“ voraussetzt. Es ist inzwischen aber müßig, darauf noch näher einzugehen. Die OLG beten diese falsche Formulierung des BGH nach, ohne sie einmal näher auf ihre Richtigkeit abzuklopfen (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 2 f.).

Berechnungsmethode

2. Gegen die vom OLG gewählte Berechnungsmethode, die vornehmlich auf den Aktenumfang abstellt, ist – im Ergebnis – nichts einzuwenden. Der Aktenumfang ist in der Tat ein objektives Merkmal, mit dem man recht gut die Pauschgebühr berechnen kann. Ob das – wie es beim OLG erscheint – das wichtigste Merkmal ist oder ob daneben nicht auch auf die Dauer der Hauptverhandlung abzustellen ist, kann hier dahinstehen, da das OLG ja auch insoweit eine Erhöhung vorgenommen hat. Interessant und für die Rechtsprechung der nächsten Jahre sicherlich von Bedeutung ist die Berücksichtigung der Einschränkungen, die sich im Verfahren durch die Covid-19-Pandemie ergeben haben. Dazu wird sicherlich Rechtsprechung anderer OLG folgen (müssen).

Schwelle des § 42 Abs. 1 S. 4 RVG

3. Im Zusammenhang mit der Höhe der Pauschgebühr weist das OLG auf die „Schwelle des § 42 Abs. 1 S. 4 RVG“ hin. Insoweit ist anzumerken, dass es bei der Pauschgebühr des Pflichtverteidigers nach § 51 RVG, über die hier zu entscheiden war, eine solche „Schwelle“ – gemeint ist offenbar das Doppelte der Wahlanwaltshöchstgebühr – nicht gibt und die „Schwelle des § 42 Abs. 1 S. 4 RVG“ betreffend die Pauschgebühr des Wahlanwalts wegen der anderen Interessenlage bei der Pauschgebühr des Pflichtverteidigers nicht herangezogen werden kann (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 61 m.w.N.).

Nur vorläufig

4. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass es sich um die Gewährung eines Vorschusses nach § 51 Abs. 1 S. 5 RVG auf eine demnächst zu gewährende Pauschgebühr handelt. Es ist also noch nicht die endgültige Festsetzung der Pauschgebühr, die erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens erfolgen wird. Darauf hat das OLG ausdrücklich hingewiesen und ausgeführt, dass es nicht auszuschließen sei, dass der Senat bei der endgültigen Festsetzung einer Pauschgebühr weitere, vom Antragsteller dann vorgetragene individuelle Gesichtspunkte, aber auch neu zutage getretene generell-abstrakte Erwägungen werde miteinfließen lassen müssen, bei Ersteren werde ggf. die Rechtsprechung des BGH (BGH a.a.O.) zu beachten sein. Gemeint ist damit offenbar der Umstand, dass der Pflichtverteidiger hier so weit entfernt vom Prozessort wohnt, dass sich an dem sitzungsfreien Tag zwischen den beiden Hauptverhandlungstagen/Woche eine Heimfahrt nicht gelohnt hat. Dazu ist anzumerken, dass in dem Zusammenhang dann aber der Umstand der Fahrtzeit eine Rolle spielen dürfte und gegengerechnet werden müsste (zu den Fahrtzeiten Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 136 f.).

Hoher Betrag?

5. Schließlich: Dem einen oder anderen wird der gewährte Betrag von rund 142.000 EUR hoch erscheinen. Aber das gilt nur auf den ersten Blick. Denn man muss berücksichtigen, dass der Verteidiger in diesem Verfahren mindestens schon seit Juni 2020, also etwa 26 Monate, tätig ist, und zwar weitgehend ausschließlich. Das entspricht einer monatlichen Bruttoeinnahme (durch dieses Verfahren) von rund 5.500 EUR. Berücksichtigt man den Zeitaufwand für die Einarbeitung in und die Bearbeitung von 253 Band Stehordnern Ermittlungsakten, 23 Band Gerichtsakten sowie Beiakten vor sowie die Teilnahme an bislang 85 Hauptverhandlungstagen, relativiert sich nicht nur sehr schnell der „hohe Betrag“, sondern m.E. auch die Annahme des OLG, dass durch die gewährte Pauschgebühr/den Vorschuss dem Pflichtverteidiger „ein hinreichender Ausgleich ermöglicht wird“. Jedenfalls ist die gewährte Pauschgebühr auf keinen Fall übersetzt.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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