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Strafantrag durch „einfache“ E-Mail?

Keine wirksame Anbringung eines Strafantrags mittels „einfacher“ E-Mail.

(Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschl. v. 12.5.20225 StR 398/21

I. Sachverhalt

Strafantrag per E-Mail

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Verstößen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verurteilt. Die Sachbearbeiterin der Führungsaufsichtsstelle schickte im September 2020 von ihrem Arbeitsplatz aus der zuständigen Staatsanwältin an deren persönlich zugeordnetes dienstliches Postfach eine E-Mail, in der sie im Mailtext unter Angabe ihres Namens und ihrer Funktion mitteilte, dass gegen den Angeklagten durch die Aufsichtsstelle wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht Strafantrag gestellt werde. Diese E-Mail versandte sie nicht an ein elektronisches Behördenpostfach der Staatsanwaltschaft. Ein Ausdruck der an die ermittelnde Staatsanwältin verschickten E-Mail gelangte zur Verfahrensakte. Seitens der Aufsichtsstelle wurde ein solcher zur Führungsaufsichtsakte genommen, der mit einer handschriftlich unterzeichneten Verfügung der Sachbearbeiterin versehen war. Erst nach Ablauf der Antragsfrist übersandte die Aufsichtsstelle im Anhang einer E-Mail als PDF-Datei einen Scan dieses Ausdrucks. Der BGH hat das Verfahren hinsichtlich dieser Vorwürfe gem. § 206a StPO eingestellt.

II. Entscheidung

Grundlagen

Innerhalb der Antragsfrist sei bei der StA kein formwirksamer Strafantrag der Aufsichtsstelle angebracht worden. Der fristgemäß im Text einer einfachen E-Mail direkt an die ermittelnde Staatsanwältin gesandte Strafantrag habe nicht der durch § 158 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Schriftform entsprochen. Für zweckorientierte Abschwächungen des Formerfordernisses, wie sie für die Einreichung in Papierform anerkannt sind, lasse die für die Einreichung elektronischer Dokumente bei Strafverfolgungsbehörden allein maßgebliche Vorschrift des § 32a StPO keinen Raum. Strafanträge seien bei einem Gericht oder der StA schriftlich oder zu Protokoll bei einer anderen Behörde schriftlich anzubringen (§ 158 Abs. 2 StPO). Zur Wahrung der Schriftform sei grundsätzlich eine Unterschrift des Antragstellers erforderlich (BGH NStZ-RR 2020, 367). Für Strafanträge, die als Papierdokument angebracht werden, seien angesichts des Zwecks der vorgeschriebenen Schriftform überwiegend gewisse Lockerungen bei ihrer Einhaltung anerkannt. Durch das Formerfordernis solle nur sichergestellt werden, dass über den Verfolgungswillen des Antragstellers kein Zweifel entstehen kann. Zudem solle (im Wege des Freibeweises jederzeit nachprüfbare) Klarheit über die Identität des Antragstellers geschaffen werden. Diese Zwecke könnten im Einzelfall auch ohne eine Unterschrift erfüllt sein, wenn aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt, und feststeht, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern es mit Wissen und Wollen des Berechtigten der zuständigen Stelle zugeleitet worden ist (wird näher ausgeführt). Aufgrund vergleichbarer Erwägungen werde bislang auch die Einreichung eines Strafantrags mittels einer einfachen E-Mail als formgemäß erachtet, soweit der Antragsteller erkennbar ist (Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 77 Rn 23). Teils werde dies jedenfalls für die Übersendung als PDF-Dokument im Anhang einer E-Mail angenommen (OLG Rostock, Beschl. v. 6.1.2017 – 20 Ws 311/16; StRR 7/2017, 12 [Burhoff]). Die Frage, ob eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist, werde regelmäßig nicht erörtert.

Einfache E-Mail genügt nicht

Nach gegenwärtiger Rechtslage könne ein Strafantrag nicht wirksam mittels einer einfachen E-Mail angebracht werden, da dieser Übertragungsweg die durch § 158 Abs. 2 StPO vorgeschriebene Schriftform nicht erfüllt. Bei einer E-Mail handele es sich um ein elektronisches Dokument i.S.d. § 32a StPO. Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei einer Strafverfolgungsbehörde richte sich allein nach § 32a StPO. Für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, schreibe § 32a Abs. 3 StPO vor, dass es als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss. Diese Vorgabe gelte auch für Strafanträge, wenn sie als elektronisches Dokument eingereicht werden. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers beziehe § 32a Abs. 3 StPO sämtliche Dokumente mit ein, für die ein Schriftformerfordernis gilt. Dass es sich bei der (einfachen) Schriftform und den in § 32a Abs. 3 StPO gleichfalls genannten Erfordernissen einer Unterschrift bzw. Unterzeichnung um unterschiedliche förmliche Anforderungen handelt, habe der Gesetzgeber gesehen und sich ausdrücklich dafür entschieden, diese Differenzierung bei elektronischen Dokumenten nicht nachzuvollziehen (BT-Drucks 18/9416, S. 45 f.). Die unsignierte, direkt an den Empfänger gerichtete einfache E-Mail werde keiner der genannten Vorgaben gerecht: Weder enthalte sie eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 32a Abs. 3 1. Alt. StPO), noch werde einer der vorgesehenen sicheren Übermittlungswege verwendet (§ 32a Abs. 3 2. Alt. StPO). Letztere seien in § 32a Abs. 4 S. 1 StPO abschließend normiert. Anderes folge hier auch nicht daraus, dass die E-Mail zwischen dienstlichen Postfächern zweier Behörden verschickt wurde. Insbesondere sei sie damit nicht zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Behördenpostfach (hier der Aufsichtsstelle) und der elektronischen Poststelle der Staatsanwaltschaft übermittelt worden (§ 32a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 StPO). Denn es sei nicht ersichtlich, dass bei der hier zwischen den persönlichen E-Mail-Postfächern zweier Mitarbeiterinnen der jeweiligen Behörden versandten Nachricht die technischen Vorgaben erfüllt worden wären, welche sich für die sicheren Übermittlungswege aus § 10 ERW a.F. (§ 14 ERVV in aktueller Fassung) i.V.m. §§ 6 ff. ERVV als der nach § 32a Abs. 2 S. 2, Abs. 4 S. 2 StPO ergangenen Rechtsverordnung ergaben. Zudem wären die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV enthaltenen technischen Rahmenbedingungen einzuhalten gewesen; diese sehen für elektronische Dokumente allein die Dateiformate PDF und TIFF vor (BGH StraFo 2022, 576). Im Übrigen wären die sonst anfallenden Protokolle bzw. technischen Bestätigungen mit dem übermittelten Dokument zur Akte zu nehmen gewesen, um die Benutzung eines zugelassenen sicheren Übermittlungsweges überprüfen zu können (BGH a.a.O.; BT-Drucks 18/9416, S. 46). Dass damit die für die papiergebundene Schriftform anerkannten Lockerungen bei der Übermittlung elektronischer Dokumente an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden keine direkte Entsprechung finden, sei zwangsläufige Konsequenz der gesetzlichen Regelung und durch den Gesetzgeber in Kauf genommen. Dies wird deutlich aus den Gesetzesmaterialien (BGBl 2021 I, S. 2099). Der Gesetzgeber habe vor Augen gehabt, dass die Anforderungen nach § 32a Abs. 3 StPO auch für Strafanträge nach § 158 Abs. 2 StPO gelten.

Keine Parallele zum Zivilrecht

Nicht einschlägig sei auch der in der zivilrechtlichen Rechtsprechung für per E-Mail übermittelte Dokumente entwickelte, die Vorgaben des elektronischen Rechtsverkehrs lockernde Ansatz, wonach diese als in schriftlicher Form eingereicht erachtet werden, sobald ein Ausdruck bei Gericht vorliegt (BGH NJW 2008, 2649; NJW 2015, 1527). Zwar sei im vorliegenden Fall ein Ausdruck der an die StA gesandten E-Mail mit dem Strafantrag zur Ermittlungsakte gelangt. Die genannte Rechtsprechung betreffe jedoch allein Fälle, in denen im Anhang einer E-Mail eingescannte Kopien eigenhändig unterzeichneter Schriftsätze übermittelt wurden; durch deren Ausdruck werde das Unterschriftserfordernis gewahrt. Für den hier gegebenen Fall einer E-Mail, die nur eine Textnachricht, aber keine Abbildung eines unterschriebenen Dokuments enthält, verneine deshalb auch die genannte Rechtsprechung die Erfüllung der Schriftform (BGH NJW-RR 2009, 357). Der Senat könne somit offenlassen, ob auch im Strafverfahren ein unter Missachtung der Vorgaben des § 32a Abs. 3 StPO im Anhang einer einfachen E-Mail eingereichtes elektronisches Dokument durch Ausdruck und Aufnahme in die Akte zu einem formwirksamen Papierdokument werden kann (ablehnend OLG Düsseldorf NJW 2020, 1452).

§ 32b StPO ändert nichts daran

Eine Wirksamkeit des per E-Mail gestellten Strafantrags ergebe sich auch nicht über § 32b StPO, der die justizinterne Kommunikation zwischen Gerichten und Strafverfolgungsbehörden regelt. Die Aufsichtsstelle sei schon keine Strafverfolgungsbehörde i.S.d. § 32b StPO (vgl. BT-Drucks V/4095, S. 35 f.). Unabhängig davon wäre ein mittels einfacher E-Mail versandter Strafantrag auch nach § 32b StPO nicht wirksam gewesen (wird näher ausgeführt).

III. Bedeutung für die Praxis

Überzeugende Begründung

Die für BGHSt vorgesehene Entscheidung macht erneut deutlich, dass die Vorschriften in §§ 32 ff. StPO zur elektronischen Kommunikation keine unverbindlichen Ordnungsvorschriften, sondern zwingendes Verfahrensrecht sind (Rechtsprechungsübersicht zur aktiven Nutzungspflicht elektronischer Dokumente bei Burhoff, VRR 8/2022, 5). Das gilt auch für die Pflicht von Verteidigern und Rechtsanwälten zur elektronischen Übermittlung (zu dem seit 1.1.2022 geltenden § 32d StPO Deutscher, StRR 2/2022, 5 = VRR 2/2022, 4). Der BGH stellt hier mit einer eingehenden und überzeugenden Begründung klar, dass eine „einfache“ E-Mail für einen wirksamen Strafantrag nicht genügt, auch wenn dies bedeutet, dass die Anforderungen an einen per E-Mail übersandten Strafantrag höher sind als die an einen weiterhin zulässigen schriftlichen Antrag. Bei Antragsdelikten werden Verteidiger zukünftig darauf zu achten haben, ob fristgemäß elektronisch gestellte Strafanträge den Vorgaben des BGH entsprechen. Fehlt es daran, ist bei reinen Antragdelikten das Verfahren wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung einzustellen.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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