Zwar kann auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit ein der Einziehung unterliegender Vermögensvorteil i.S.v. § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB sein. Dies gilt aber nicht, wenn das der Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichtig ist. Ein solch nichtiges Rechtsgeschäft liegt beim Erwerb oder der Veräußerung unversteuerter und unverzollter Zigaretten vor, weil es sich bei § 374 AO um ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB handelt. Damit liegt kein der Einziehung unterfallender Vermögensvorteil in der Tilgung des Kaufpreises für solchermaßen erlangte Zigaretten.
(Leitsatz des Verfassers)
Der Angeklagte A veräußerte an M unversteuerte und unverzollte Zigaretten, die von dritten Personen aus einem Drittland in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht und anschließend nach Deutschland geliefert worden waren. Hierbei hatten die Lieferanten die bei der Einfuhr aus dem Ausland nach Deutschland entstandene Tabaksteuer nicht abgeführt. Die Zigaretten waren nicht mit einer deutschen Steuerbanderole versehen und in Deutschland nicht verkehrsfähig.
Der A beauftragte seine Lieferanten, diese Zigaretten direkt an M zu liefern. A veranlasste dabei den M wiederum, einen Teil des Kaufpreises – 60.500 EUR – direkt an die Lieferanten des A zu zahlen.
Der wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung verurteilte A wendet sich gegen die Einziehung dieses Betrages.
Der BGH hob die Einziehungsentscheidung gegen A in Höhe von 60.500 EUR auf, denn A hat nichts i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB erlangt, weil er weder eigene Verfügungsgewalt an den Zahlungsmitteln hatte noch durch die Zahlung gemäß § 267 BGB von einer Verbindlichkeit befreit wurde.
Zwar unterliegt der aus der Veräußerung der Zigaretten dem Steuerhehler zufließende Erlös nach § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB der Einziehung als Surrogat des Erlangten (BGH, Urt. v. 11.7.2019 – 1 StR 634/18, wistra 2020, 161 mit Anm. Gehm), aber im vorliegenden Fall hat der A nicht den Erlös aus den Verkäufen erlangt, sondern M hat lediglich (auf sein Geheiß) 60.500 EUR direkt an die Lieferanten des A gezahlt.
Grundsätzlich kann die Befreiung von einer Verbindlichkeit einen Vermögensvorteil darstellen, dies ist jedoch nicht der Fall, wenn das der Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft unwirksam ist und der Täter somit durch die Leistung des Dritten lediglich von einer unwirksamen – mithin nicht werthaltigen – Verbindlichkeit frei wird (BGH, Beschl. v. 19.10.2021 – 3 StR 331/21, BeckRS 2021, 37996, betrifft Forderungen aus Betäubungsmittelgeschäften).
Da es sich bei § 374 AO um ein Verbotsgesetz handelt – denn Zweck der Vorschrift der Steuerhehlerei ist es, das Tatunrecht, das in der Aufrechterhaltung des steuerrechtwidrigen Zustandes liegt, zu ahnden und somit zu verhindern, dass unversteuerte und unverzollte Zigaretten in den Verkehr gelangen –, sind Erwerbs- und Veräußerungsgeschäft des Steuerhehlers nach § 134 BGB nichtig.
Folglich hat A durch die Zahlung des M an seine Lieferanten keinen Vermögenswert gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB erlangt.
Der BGH erweitert konsequent insbesondere die Rechtsprechung zu Drogengeschäften, wonach es kein der Einziehung unterfallender Vorteil ist, wenn Schulden aus einem Drogengeschäft erlassen werden, auf den Straftatbestand der Steuerhehlerei. Der BGH hob dabei auch in der Entscheidung ausdrücklich hervor, dass Strafgesetze im Zweifel als Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB anzusehen sind (BGH, Urt. v. 10.7.1991 – VIII ZR 296/90, NJW 1991, 2955).
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