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Keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG bei Einziehung des Führerscheindokuments

1. Für die Einziehung des Führerscheindokuments fällt nicht die Gebühr Nr. 4142 VV RVG an, da die Nr. 4142 VV RVG den Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht umfasst.

2. Die Kosten für die Wiedererlangung des Führerscheindokuments, das eingezogen wurde, sind mit 300 EUR anzusetzen. Eine Festsetzung des Gegenstandswerts nach dem Auffangstreitwert der Verwaltungsgerichtsbarkeit kommt nicht in Betracht.

(Leitsatz des Verfassers)

LG Amberg, Beschl. v. 18.5.202211 Qs 9/22

I. Sachverhalt

Streit um Nr. 4142 VV RVG

Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger. Nach Beendigung des Verfahrens hat er u.a. eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 257 EUR aus einem Gegenstandswert von 5.000 EUR geltend gemacht. Begründet hat er dies damit, dass im Zuge der Einziehung des Führerscheindokuments diese Gebühr angefallen sei. Als Gegenstandswert seien entsprechend Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 5.000,00 EUR anzusetzen. Der Rechtspfleger des AG hat die zusätzliche Verfahrensgebühr nicht festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Pflichtverteidigers hatte teilweise Erfolg. Das AG hat die Gebühr Nr. 4142 VV RVG dem Grunde nach anerkannt, ist aber nur von einem Gegenstandswert von 300 EUR ausgegangen (AG Amberg AGS 2022, 128 = VRR 2/2022, 25 = StRR 2/2022, 33). Dagegen hat der Pflichtverteidiger sofortige Beschwerde eingelegt, die beim LG, das durch den Einzelrichter entschieden hat, keinen Erfolg hatte.

II. Entscheidung

Anfall der Nr. 4142 VV RVG

Das LG weist zunächst darauf hin, dass für die Einziehung des Führerscheindokuments – entgegen der Entscheidung des AG – mangels gesetzlichen Gebührentatbestands keine Gebühr anfällt. Die Nr. 4142 VV RVG sei nicht einschlägig, da sie den Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht umfasse (OLG Koblenz AGS 2006, 236 = RVGreport 2006, 191). Die Einziehung des Führerscheindokuments sei aber lediglich zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis. Damit falle auch diese nicht unter den Gebührentatbestand Nr. 4142 VV RVG. Da jedoch die Entscheidung des AG insoweit nicht durch die Staatskasse angefochten worden sei, habe die Kammer nicht über den Anfall der Gebühr Nr. 4142 VV RVG zu befinden, sondern dieser stehe im vorliegenden Verfahren fest.

Gegenstandswert

Für diese Gebühr sei das AG zu Recht von einem Gegenstandswert von (nur) 300 EUR ausgegangen. Insoweit bezieht sich das LG auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung (AG Amberg a.a.O.). Denen schließt es sich an. Der Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der für Führerscheinsachen Klasse B, BE den Auffangwert von 5.000 EUR vorschlägt, sei einerseits nicht verbindlich und andererseits im vorliegenden strafgerichtlichen Verfahren nicht maßgeblich. Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, den Auffangwert von 5.000 EUR für die Wertfestsetzung der Anwaltsgebühren heranzuziehen. Der Auffangwert ist grundsätzlich nur maßgeblich, wenn eine Schätzung in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte nicht möglich ist. Vorliegend sei jedoch eine Schätzung möglich.

Die Kosten für die Wiedererlangung des Führerscheindokuments, das eingezogen wurde, habe das AG auf 300 EUR geschätzt. Diese Schätzung sei nicht zu beanstanden. Maßgeblich seien insoweit die Verwaltungsgebühren gewesen, die für die Wiedererteilung eines Führerscheindokuments selbst anfallen – wie auch das AG in seiner Entscheidung ausführe. Kosten, beispielsweise für eine MPU, seien bei der Wertfestsetzung insoweit nicht zu berücksichtigen. Letztlich seien diese erforderlich, weil die Fahrerlaubnis entzogen wurde, wofür aber nach allen Ansichten und auch nach Ansicht des Verteidigers keine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG anfalle. Dann könnten diese Kosten aber auch nicht für die Wertfestsetzung betreffend die Einziehung berücksichtigt werden. Die Einziehung des Führerscheindokuments sei lediglich sekundäre Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Kosten für eine MPU beispielsweise fallen deshalb an, weil in erster Linie eine neue Fahrerlaubnis erteilt werden muss, die in gewissen Fällen lediglich bei Vorlage einer MPU-Bescheinigung erteilt wird.

III. Bedeutung für die Praxis

Gegenstandswert

1. Mit der vom LG Amberg abgesegneten Schätzung des Gegenstandswertes in den Fällen der Einziehung des Führerscheinformulars bei Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) liegt die erste landgerichtliche Entscheidung zur Höhe des Gegenstandswerts in diesen Fällen vor. Andere Gerichte und die Vertreter der Staatskasse werden die Entscheidung mit Freude lesen, scheint damit doch der Ansatz über den Streitwertkatalog vom Tisch zu sein. Aber immerhin: 300 EUR sind besser als nichts.

Warum ein „obiter dictum“?

2. Nichts hätte es aber gegeben, wenn der Bezirksrevisor seine im Verfahren vertretene Auffassung, dass die Gebühr Nr. 4142 VV RVG in diesen Fällen nicht anfällt, weiterverfolgt hätte. Man merkt dem Beschluss des LG an, wie traurig der entscheidende Einzelrichter ist, dass die Frage wegen fehlenden Rechtsmittels der Staatskasse nicht zur Entscheidung anstand. Damit hätte man es dann als Einzelrichter aber auch bewenden lassen sollen. Denn warum hängt man sich so weit aus dem Fenster und entscheidet eine Frage, die man gar nicht entscheiden muss? Und es ist die Übertragung der Entscheidung auf die Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung gerade damit abgelehnt worden, dass die Frage des Anfalls der Gebühr nicht entschieden werden musste. Was soll dann also das obiter dictum? Und wenn schon ein obiter dictum in der Frage für erforderlich gehalten wird, dann darf man aber doch wohl eine vernünftige Begründung für die mitgeteilte Auffassung erwarten und nicht nur, dass die Einziehung des Führerscheindokuments lediglich zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis sei und damit die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht anfalle. Basta! Zudem setzt sich der Einzelrichter auch nicht mit entgegenstehender Rechtsprechung und Literatur auseinander (vgl. dazu die Anmerkung zu AG Amberg a.a.O.). Auch das hätte man erwarten dürfen, wenn man schon meint, sich ungefragt äußern zu müssen. So überzeugt der Beschluss nicht, jedenfalls mich nicht.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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