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Einziehung bei nicht tatbeteiligter Person

Voraussetzung für das Vorliegen eines Verschiebungsfalles gemäß § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a a StGB ist, dass nachgewiesen ist, dass der Dritte aus einer Straftat etwas erlangt hat.

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 19.5.20221 StR 405/21

I. Sachverhalt

Hinterziehung von Vergnügungs- und Umsatzsteuer

Der Angeklagte S und W hinterzogen Vergnügungs- und Umsatzsteuer. Dabei war nur der S Steuerschuldner. Gegen ihn erging neben der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe eine Einziehungsverfügung wegen ersparter Aufwendungen für Abgaben und Umsatzsteuern in Höhe von 1.051.857,09 EUR. Da W weder Steuerschuldner noch ihm die sonstige Erlangungen von Vermögenswerten aus den Taten des S nachweisbar war, erging gegen ihn keine Einziehungsanordnung.

Einziehungsanordnung gegen Strohfrau

Allerdings erging eine Einziehungsanordnung gegen die Schwester (A) der Angeklagten S und W in Höhe von 201.000 EUR. Hintergrund war, dass S und W nach Anlagemöglichkeiten für die ersparten Abgaben bzw. Steuern suchten. In diesem Zusammenhang erwarb W unter Einschaltung der A als Strohfrau drei Immobilien, wobei er beim Kauf als Bevollmächtigter der A auftrat. Den Kaufpreis von 172.000 EUR entrichtete W entweder in bar beim Notartermin oder ließ diesen aus seinem Vermögen von Strohleuten entrichten. Zwei der Immobilien wurden für 29.000 EUR zudem renoviert.

Insofern vertrat die Vorinstanz – das LG Halle – die Rechtsauffassung, dass der A von W und S aus den Taten insgesamt 201.000 EUR unentgeltlich übertragen worden seien, mithin unterliege sie nach §§ 73b Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 73 Abs. 1, 73c S. 1 StGB der Einziehung von Wertersatz in Höhe von insgesamt 201.000 EUR.

II. Entscheidung

Der BGH hob die Einziehungsentscheidung gegen A auf.

Ersparte Aufwendungen

Nur S als Steuerschuldner erlangte unmittelbar durch die Abgaben- und Steuerhinterziehung eine Ersparnis in Höhe der nicht gezahlten Abgaben und Steuern. Das durch die Taten erlangte Etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB unterlag mithin bereits bei S der Einziehung des Wertersatzes nach § 73c S. 1 StGB, weil sich ersparte Aufwendungen als nicht gegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme verbrauchen (BGH, Urt. v. 18.12.2018 – 1 StR 36/17 Rn 17 ff., NZG 2019, 427).

Der W selbst hat allerdings nichts aus den Taten erlangt, die von W der A zum Kauf und der Renovierung der Immobilien unentgeltlich zugewandten finanziellen Mittel unterliegen somit nicht der Wertersatzeinziehung.

III. Bedeutung für die Praxis

Ein Verschiebungsfall nach § 73b StGB kommt auch dann in Betracht, wenn das i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB Erlangte wie im Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bzw. des Abgabenhinterziehung (vgl. § 15 KAG Sachsen-Anhalt) – neben Umsatzsteuer war auch kommunale Vergnügungssteuer hinterzogen – lediglich aus ersparten Aufwendungen besteht. Allerdings gilt auch bei Verschiebefällen, dass der Vorteil des Dritten aus der Tat i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB erlangt worden sein muss. Somit erschöpft sich auch hier die Abschöpfung auf dasjenige, was dem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten unmittelbar oder kraft Erstreckung gem. § 73 Abs. 2 StGB mittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist. Folglich wäre nicht der Wert der Immobilien mit entsprechenden Wertsteigerungen von der Einziehung erfasst, sondern nur die in die Immobilien investierten Beträge (BGH, Urt. v. 18.12.2018 – 1 StR 36/17, NZG 2019, 427). Hier kam jedoch hinzu, dass das Geld für die Investition von W stammte, der im Unterschied zu S gerade keine solchen ersparten Aufwendungen als erlangtes Etwas i.S.v.§§ 73 Abs. 1 StGB besaß, weshalb kein Verschiebefall mangels bemakelter Bereicherung nach § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst a StGB in Bezug auf A gegeben war. Der BGH musste somit in der Entscheidung nicht darauf eingehen, ob diese Vorschrift einen Bereicherungszusammenhang voraussetzt, wobei allerdings vertreten wird, dass es ausreichend ist, wenn eine Gesamtschau der Zahlungsflüsse bei wirtschaftlicher Betrachtung ergibt, dass der dem Dritten zugewendete Vermögensvorteil aus der Straftat resultiert und die Transaktionen das Ziel verfolgten, das Erlangte dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen oder die Tat zu verschleiern (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28.10.2021 – 3 Ws 506/21, NStZ-RR 2022, 71).

Vorteil des Dritten aus der Tat erlangt?

Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

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