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„Donuts“ (360-Grad-Kehren) als unerlaubtes Kraftfahrzeugrennen?

1. „Donuts“ (360-Grad-Kehren) sind kein unerlaubtes Kraftfahrzeugrennen und unterfallen nicht § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB.

2. Der Tatbestand der Nötigung erfordert in Bezug auf die Zwangswirkung nicht in jedem Fall Absicht.

(Leitsatz des Gerichts)

KG, Urt. v. 18.1.2022 – 3 Ss 59-60/21

I. Sachverhalt

Das AG Tiergarten hat den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Im Einzelnen hatte das AG festgestellt: Am Tattag befuhr der Angeklagte gegen 16:45 Uhr mit einem Pkw Maserati als Teilnehmer eines Hochzeitskorsos die Kreuzung H-Straße, H-Platz, J-Straße in Berlin. Unter gravierender Beschleunigung brachte er das von ihm geführte Fahrzeug in eine kreisende, driftende Fahrbewegung. Unter zunehmender weiterer Beschleunigung vollzog der Angeklagte für ca. 10 Sekunden „Donuts“ (360-Grad-Kehren auf der Stelle) über den gesamten Kreuzungsbereich, wobei die Reifen quietschten und aufgrund des Reifenabriebs starke Qualmentwicklung die Folge war. Nachdem der Angeklagte das Fahrzeug mehr als zweimal um die eigene Achse gedreht hatte, fuhr er entgegen der Fahrtrichtung in die H-Straße (Richtung B-Straße) ein. Während des Fahrmanövers des Angeklagten strahlte jedenfalls die Lichtzeichenanlage, welche für den aus Richtung B-Straße kommenden Fahrzeugverkehr auf der H-Straße gilt, grünes Licht ab. Aufgrund des sich mit starker Beschleunigung im Kreis bewegenden Pkw des Angeklagten wurden andere Verkehrsteilnehmer durch die physisch unmittelbar blockierend wirkende Anwesenheit des Pkw sowie die von diesem ausgehende Gefahr aufgrund eines jederzeit möglichen unkontrollierten Ausbruchs des Fahrzeugs daran gehindert, den gesamten Kreuzungsbereich ungehindert zu befahren bzw. im Bereich der Fußgängerfurten der Lichtzeichenanlagen zu begehen. Hierdurch wurde eine unbestimmte Anzahl anderer Verkehrsteilnehmer (insbesondere Kraftfahrzeugführer, Radfahrer und Fußgänger), welche sich zur Tatzeit an der belebten innerstädtischen Kreuzung aufhielten, jedenfalls vorübergehend – jedoch für einen nicht unerheblichen Zeitraum – an einem sicheren und zügigen Passieren der Kreuzung gehindert.

Gegen das AG-Urteil haben die Amtsanwaltschaft Berlin und der Angeklagte Revision eingelegt. Erstere macht geltend, der Angeklagte hätte auch wegen eines verbotenen Einzelrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilt werden müssen. Letzterer vertritt die Auffassung, die Feststellungen trügen eine Verurteilung wegen Nötigung weder in Bezug auf die innere noch auf die äußere Tatseite. Auch beanstandet der Angeklagte die Beweiswürdigung sowie die Bemessung der Rechtsfolgen, namentlich die Entziehung der Fahrerlaubnis. Beide Rechtsmittel bleiben erfolglos. Beide Revisionen hatten keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Zur Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 StGB) soll hier nur darauf hingewiesen werden, dass das KG davon ausgeht, dass der Tatbestand der Nötigung in Bezug auf die Zwangswirkung nicht in jedem Fall Absicht erfordert. Auch gegen den Rechtsfolgenausspruch sei nichts zu erinnern. Die Entziehung der Fahrerlaubnis begründe das AG zwar überaus knapp. Zur (ausdrücklichen) Begründung der Maßregel enthalte das Urteil lediglich den Hinweis, der Angeklagte sei wegen seines verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens (charakterlich) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Angesichts des drastischen äußeren Tatgeschehens, welches das AG verschiedentlich als gefährlich bezeichnet, und der umfänglich geschilderten inneren Tatseite (wollte „imponieren, um sein Selbstwertgefühl zu steigern“) erfüllen diese kurzen Ausführungen nach Auffassung des KG aber noch die Voraussetzungen des § 267 Abs. 6 StPO.

Dass das AG davon abgesehen hat, den Angeklagten wegen eines mit der Nötigung tateinheitlich begangenen verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§§ 315d Abs. 1 Nr. 3, 52 StGB) zu verurteilen, ist nach Ansicht des KG ohne Rechtsfehler. So offenkundig die Merkmale der groben Verkehrswidrigkeit und der Rücksichtslosigkeit durch den Angeklagten auch verwirklicht sein mögen, so falle sein Verhalten doch nicht unter die weiteren Merkmale des 2017 eingeführten Straftatbestands.

Als nicht verwirklicht sieht das KG zunächst das Merkmal der „Fortbewegung“ an, zumal in der vom Gesetz gewählten Form des „Sichfortbewegens“. Denn der Angeklagte habe sich durch seine sinnlosen Kehren gerade nicht fortbewegt, sondern er rotierte auf der Stelle. Eine Auslegung dahin, Rotationen seien eine Art der Fortbewegung, scheitere bereits an der Wortlautgrenze. Da man etwa einem Uhrzeiger eine Bewegung ebenso wie eine Geschwindigkeit attestieren könne, könnte man zwar zutreffend formulieren, der Zeiger bewege sich in oder mit einer bestimmten Geschwindigkeit. Unüblich und wohl falsch wäre es hingegen zu äußern, der Zeiger bewege sich „fort“. Unter Fortbewegung sei, wie die beiden Bestandteile des Kompositums unzweifelhaft zeigen, eine Bewegung von einem Ort zu einem anderen zu verstehen (vgl. Duden online: „von der Stelle bewegen“; Fischer, StGB, 69 Aufl. 2022, § 315d StVO 13). Unzutreffend wäre es zu argumentieren, dass sich das Heck eines rotierenden Fahrzeugs durchaus fortbewegt, nämlich im Kreis. § 315d StGB ist, wie die meisten Strafvorschriften, als Relativsatz konstruiert. Es heißt hier: „Wer sich … fortbewegt …“. Unzweifelhaft beziehen sich die beiden Pronomen „wer“ und „sich“ auf ein Subjekt, einen Menschen. Fortbewegen muss sich als also nicht ein Gegenstand, sondern eine Person. Ein Fahrzeug per Funk zu steuern, reiche nicht aus. Ebenso wenig reiche es aus, wenn sich nur das Heck eines Fahrzeugs im Kreis bewegt. Und selbst wenn man hier noch einwendete, dass auch der Fahrer eines rotierenden Fahrzeugs nicht immer an oder über der gleichen Stelle bleibe, sondern sich geringfügig bewege, so fehlt es bei ihm doch am Umstand der „Fort-Bewegung“.

Auch habe das AG nicht festgestellt, dass der Angeklagte handelte, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Wie oben angedeutet, erscheine es zwar noch nachvollziehbar, einem rotierenden Gegenstand eine Geschwindigkeit beizumessen. Messbar wäre im Falle eines sich drehenden Fahrzeugs die Geschwindigkeit des Hecks, z.B. als Umdrehungen pro Zeit. Hierbei handele es sich aber um einen von der StVO abweichenden Geschwindigkeitsbegriff; § 3 StVO und allen anderen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts liegt der Quotient „km/h“ zugrunde (ausführlich zur Bedeutung des § 3 StVO für § 315d StGB vgl. StVO 2021, 1173). Zwar gelte auch hier, dass sich die Geschwindigkeit des Fahrzeughecks als Umlaufgeschwindigkeit in km/h und damit – im Grundsatz – in der durch die StVO zugrunde gelegten Maßeinheit messen ließe. Allerdings spreche auch hier nichts dafür, dass der Gesetzgeber bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ausnahmsweise nicht auf die Geschwindigkeit des gesamten Fahrzeugs, sondern nur auf einen Teil davon (hier: das Heck) abstellen wollte. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber in § 315d StGB einen anderen Geschwindigkeitsbegriff gebrauchen wollte als die StVO, sei dem angefochtenen Urteil auch nicht zu entnehmen, dass die Zahl der Umdrehungen und mehr noch ihre „Geschwindigkeit“ bei der Tat und für den Täter überhaupt eine Rolle gespielt haben. Es sei auch auszuschließen, dass diesbezüglich noch etwas aufzuklären sei.

III. Bedeutung für die Praxis

M.E. zutreffend, zumal das KG noch auf weitere Argumente abstellt, nämlich: Der Terminus der „nicht angepassten Geschwindigkeit“ zeige, dass der Gesetzgeber Fahrweisen unter Strafe stellen wollte, die einer angepassten Geschwindigkeit grundsätzlich zugänglich sind. Das missbräuchliche Rotierenlassen eines Pkw fällt ersichtlich nicht darunter. Auch die amtliche Überschrift des § 315d StGB „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ lasse erkennen, dass die Vorschrift das hier abgeurteilte Verhalten, dem jedes kompetitive Moment fehlt, nicht erfasst. Zwar werde eingewandt, die Überschrift sei ohnehin unzutreffend, weil sie mit Abs. 1 Nr. 3 das sog. Einzelrennen unter Strafe stelle, dem der Wettbewerbscharakter gleichfalls fehle (Fischer, a.a.O., § 315d Rn 1 m.w.N.). Nach Auffassung des KG muss die Überschrift aber begrenzend in den sehr weit gefassten Straftatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hineingelesen werden, so dass sich das äußere und innere Tatgeschehen „wie ein Rennen darstellen“ muss. Auch in den Materialien finde sich immer wieder die Formulierung, § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB wolle Sachverhalte erfassen, bei denen „nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein Rennen nachstellt“ (vgl. BT-Drucks 18/12964, S. 5). Der für § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB üblich gewordene Terminus des „Einzelrennens“ sei geeignet, dem Rechnung zu tragen. Mit einem Rennen habe die Aufführung des Angeklagten ersichtlich nichts gemein gehabt. Schließlich habe das AG zutreffend bedacht, dass § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) eine zurückhaltende Anwendung erfordert.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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