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Subventionsbetrug beim Antrag auf „Corona-Soforthilfe“

1. Staatliche Leistungen, die als „Corona-Soforthilfe“ aufgrund der „geänderten Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“ bzw. der „Förderrichtlinie Hamburger Corona Soforthilfe“ gewährt wurden, stellen Subventionen im Sinne des § 264 StGB dar.

2. Für die nach § 264 Abs. 9 Nr. 1 Var. 2 StGB erforderliche hinreichend konkrete Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen genügt es grundsätzlich, hinsichtlich der einzelnen subventionserheblichen Tatsachen auf konkret bezeichnete Textziffern des Antragsformulars zu verweisen. Jedenfalls bei einer überschaubaren Gesamtanzahl an Textziffern im Antragsformular steht dem grundsätzlich nicht entgegen, dass auf nahezu alle vom Antragsteller zu tätigenden Angaben verwiesen wird. (Leitsätze des Gerichts)

LG Hamburg, Beschl. v. 18.1.2021 – 608 Qs 18/20

I. Sachverhalt

Dem Beschuldigten wird mit der beim AG Hamburg-St. Georg erhobenen Anklage vorgeworfen, online bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank einen Antrag auf Gewährung von „Corona-Soforthilfe“ gestellt zu haben. In der Folge habe er darauf ein als „Bewilligungsbescheid“ bezeichnetes Schreiben erhalten, mit dem eine Soforthilfe des Bundes (i.H.v. 9.000 EUR) sowie der Stadt Hamburg (i.H.v. 2.500 EUR) festgesetzt worden sei. Die insgesamt 11.500 EUR seien sodann auf das Konto des Beschuldigten ausgezahlt worden. Der Beschuldigte soll in dem entsprechenden Antrag angegeben haben, ein Gewerbe im Hauptbetrieb zu betreiben und einen Liquiditätsengpass von 11.500 EUR erlitten zu haben, was beides unzutreffend gewesen sei, und dadurch die Festsetzung und Auszahlung zu Unrecht erwirkt haben. Die StA hat die vorgeworfene Tat rechtlich als Betrug nach § 263 gewertet. Das AG hat sich jedoch mit dem von der StA angefochtenen Beschluss für örtlich unzuständig erklärt, da ein Subventionsbetrug (§ 264 StGB) im Raume stehe, sodass aufgrund einer bestehenden Sonderzuständigkeit das AG Hamburg zuständig sei. Die Beschwerde der StA blieb erfolglos.

II. Entscheidung

Es bestehe gegen den Beschuldigten auf Basis des Anklagevorwurfs ein hinreichender Tatverdacht des Subventionsbetrugs. Die von der IFB Hamburg an den Beschuldigten bewilligten Geldleistungen stellen eine Subvention i.S.d. § 264 Abs. 8 StGB dar. Subventionen seien nach Bundes- oder Landesrecht gewährte geldwerte direkte Zuwendungen an den Empfänger, die aus Mitteln der öffentlichen Hand erbracht werden (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 264 Rn 7). Sie müssten den Charakter einer Sonderunterstützung aufweisen und zudem wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt werden und der Förderung der Wirtschaft dienen sollen. Letzteres sei in Bezug auf die an den Beschuldigten geleisteten Geldzahlungen erfüllt, insbesondere werde der Charakter der Sonderunterstützung durch den Staat sowie die Gewährung ohne Gegenleistung deutlich. Es handele sich bei den an den Beschuldigten ausgezahlten Geldern auch um „nach Bundes- oder Landesrecht“ gewährte Leistungen. Hierbei müsse Leistungsgrundlage nicht zwingend ein gesondertes Gesetz sein, sondern es genügen auch auf Gesetz beruhende Haushaltsansätze (Fischer, § 264 StGB Rn 8), da die Leistungen dann letztlich auf den Haushaltsgesetzen beruhten. In Deutschland sei mit der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlassenen „Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“)“ (Bundesanzeiger, AT 31.3.2020 B2), geändert durch die „geänderte Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 („Geänderte Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“)“ (Bundesanzeiger, AT 24.4.2020 B1) der rechtliche Rahmen für die Gewährung von Beihilfezahlungen geschaffen worden. Ergänzend zu den Regelungen des Bundes habe auch die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation in Hamburg eine „Förderrichtlinie Hamburger Corona-Soforthilfe“ erlassen. Die zu bewilligenden Gelder seien sowohl bundes- als auch landesrechtlich durch entsprechende Haushaltsgesetze bestätigt, sodass Rechtsgrundlage für die an den Beschuldigten ausgezahlten Leistungen letztlich (auch) die jeweiligen Haushaltsgesetze seien.

Die Erklärung unter Nr. 8 des vom Beschuldigten ausgefüllten Online-Antrags bestimme wirksam die maßgeblichen subventionserheblichen Tatsachen. Subventionserheblich in diesem Sinne seien nach § 264 Abs. 9 StGB solche Tatsachen, die durch Gesetz (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 1. Alt. StGB) oder aufgrund eines Gesetzes durch den Subventionsgeber (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 2. Alt. StGB) als subventionserheblich bezeichnet sind. Gemäß § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB sei eine Tatsache auch dann subventionserheblich, wenn von ihr die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich oder nach dem Subventionsvertrag abhängig ist. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Die Bezeichnung sei „aufgrund eines Gesetzes durch den Subventionsgeber“ (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 2. Alt. StGB) erfolgt. Eine Bezeichnung durch den Subventionsgeber liege vor, wenn sie durch die für die Bewilligung der Subvention zuständige Behörde oder eine andere in das Subventionsverfahren eingeschaltete Stelle oder Person (hier die IFB Hamburg) vorgenommen wird. Die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen in dem Online-Antrag sei hinreichend bestimmt und konkret. § 264 StGB verlagere die Strafbarkeit im Bereich der Subventionskriminalität erheblich vor, da bereits die Täuschungshandlung allein pönalisiert ist, ohne dass es zu einem Schaden kommen muss. Der potenzielle Täter dürfe deshalb nicht lediglich generell darauf hingewiesen werden, dass die Behörde an seinen Angaben interessiert ist. Sein Augenmerk solle vielmehr gerade auf bestimmte Tatsachen gelenkt werden, deren richtige und vollständige Beurteilung die zweckentsprechende Verwendung öffentlicher Mittel sicherstelle. Erforderlich seien deshalb klare und unmissverständliche, auf den konkreten Fall bezogene Angaben. Dass sich die Subventionserheblichkeit lediglich aus dem Zusammenhang ergibt, genüge nicht. Ebenso reichten pauschale oder formelhafte Bezeichnungen nicht aus (BGHSt 44, 233 = NJW 1999, 1196).

Hier sei keine pauschale Bezeichnung (wie etwa „Mir ist bekannt, dass alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärungen) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich … sind“) erfolgt, sondern auf einzelne Punkte des Online-Antrags konkret verwiesen worden. Auch nach dem Sinn und Zweck, welcher mit der Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen erreicht werden soll, erscheine die vorliegend erfolgte Bezeichnung noch ausreichend. Der Beschuldigte sei nicht lediglich generell darauf hingewiesen, dass die Behörde an seinen Angaben interessiert ist. Sein Augenmerk sei vielmehr gerade auf bestimmte (sich in dem Online-Antrag unter den bezeichneten Nummern befindende) Tatsachen gelenkt worden. In dem Online-Antrag sei der Beschuldigte konkret auf einzelne Punkte hingewiesen worden, die als subventionserheblich bezeichnet wurden, sodass ihm unmittelbar vor Augen geführt wurde, welche einzelnen Tatsachen für § 264 StGB relevant sind. Eine eigene Wertung des Beschuldigten, wie sie bspw. bei einem pauschalen Verweis auf „alle Tatsachen, von denen die Gewährung … abhängig ist“ (LG Düsseldorf NStZ 1981,223) erforderlich wäre, sei für die Bestimmung der bezeichneten Tatsachen nicht erforderlich. Hierbei sei es auch unerheblich, dass in dem Verweis auf nahezu alle Punkte des Antrags Bezug genommen wird, denn der Antrag sei insgesamt knapp gehalten und beschränkte sich auf die Abfrage/Angabe der relevanten Auskünfte. Schließlich sei die Kammer davon überzeugt, dass auch bei einer Gesamtschau der dargestellten Aspekte eine klare und hinreichend bestimmte Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen erfolgte. Die Benennung anhand der Ziffern in dem Online-Antrag sei klar und konkret; Missverständnisse seien deshalb auszuschließen. Der Beschuldigte habe erkennen können, welcher Punkt als subventionserheblich bezeichnet wird, und es sei ihm deutlich vor Augen geführt worden, welche Risiken er mit unrichtigen oder unvollständigen Angaben eingeht. Letztlich sei es unbeachtlich, dass der Antrag keine „Bezeichnung“ der relevanten Tatsachen im Wortsinn enthält, sondern die Bezeichnung als (anzukreuzende) Erklärung des Antragstellers formuliert wurde. Es genüge indes, dass der Zweck der formalen Bezeichnung durch eine andere, in der Sache übereinstimmende und sprachlich nicht minder eindeutige Bezeichnung erreicht wird.

III. Bedeutung für die Praxis

Es war zu erwarten, dass die „Corona-Soforthilfen“ alsbald auch zu deren Erschleichen durch Unberechtigte mittels falscher Angaben führen würden. Bei erfolgter Auszahlung ist hier ein Betrug nach § 263 StGB denkbar, zuvor dessen Versuch. Diese Strafbarkeit nach § 263 StGB tritt allerdings hinter den Subventionsbetrug nach § 264 StGB zurück (BGHSt 60, 15 = NJW 2015, 423), der bereits mit der unrichtigen Angabe vollendet ist, ohne dass es zu einer Auszahlung kommen muss. Das LG hat hier den hinreichenden Tatverdacht eines Subventionsbetrugs angenommen (zu diesem Tatbestand im Zusammenhang mit „Corona-Soforthilfen“ Rau/Sleiman, NZWiSt 2020, 373; Burgert, StraFo 2020, 181). Dieser Straftatbestand ist sperrig, was seine Anwendung schwierig macht. Die Ausführungen zu Leitsatz 1 (Subvention) überzeugen. Zu den subventionserheblichen Tatsachen (Leitsatz 2) zeigt die Beschwerdekammer ausführlich die Schwierigkeiten auf, die sich aus den Vorgaben des § 2 Abs. 1 SubvG zum Erfordernis der genauen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen gegenüber dem Antragsteller ergeben (hierzu Fischer, § 264 Rn 16). Letztlich kann das nur anhand der Umstände des konkreten Falls beurteilt werden. Angesichts der Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit durch § 264 StGB sind insofern strenge Anforderungen zu stellen. Eingedenk der auch im Jahr 2021 weiter grassierenden Pandemie, der angeordneten Lockdowns von Handel und Gewerbe und entsprechender staatlicher Ausgleichshilfen sind weitere Entscheidungen zu diesem Komplex auch durch die Obergerichte zu erwarten.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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