Durchsuchung: Anfangsverdacht der Geldwäsche
Eine Wohnungsdurchsuchung wegen eines Verdachts der Geldwäsche setzt voraus, dass nicht nur ein Anfangsverdacht für die Geldwäschehandlung vorliegt, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat i.S.v. § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB gegeben ist. Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts ist es daher, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen. Auch Anhaltspunkte für die Annahme, das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand rührten aus irgendeiner Straftat her, genügen allein nicht, um Strafverfolgungsmaßnahmen auszulösen.
BVerfG, Beschl. v. 31.1.2020 – 2 BvR 2992/14
Fortdauer der Untersuchungshaft: Aussetzung der Hauptverhandlung wegen der Corona-Pandemie
Die wegen des hohen Ansteckungsrisikos bestehende Gesundheitsgefährdung durch die Corona-Pandemie rechtfertigt die Verschiebung der Hauptverhandlung mit der Folge, dass die Untersuchungshaft für drei weitere Monate aufrechterhalten werden kann. Dabei hat das Gericht für die Bewertung der Verhältnisse vor Ort und die Risikoabschätzung einen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.3.2020 – HEs 1 Ws 84/20
Pflichtverteidiger: Beweisverwertungsverbot
Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 2 StPO aufgrund schwieriger Rechtslage vor, wenn sich Fallgestaltungen aufdrängen, bei denen ggf. Beweisergebnisse einem Verwertungsverbot unterliegen, was auch hinsichtlich der Frage der Verwertung einer Wahllichtbildvorlage gilt.
LG Schwerin, Beschl. v. 5.3.2020 – 33 Qs 12/20
Mitteilungspflicht des Gerichts; Verständigungsgespräche im Strafverfahren
Die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO gebietet, alle wesentlichen Elemente einer Verständigung, zu denen auch außerhalb der Hauptverhandlung geführte Vorgespräche zählen, zum Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung zu machen und zu protokollieren. Das gilt auch, wenn die Verständigung letztlich nicht zustande gekommen ist. Auch dann gehört zum mitteilungspflichtigen Inhalt (§ 243 Abs. 4 StPO), welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist.
BVerfG, Beschl. v. 4.2.2020 – 2 BvR 900/19
Beteiligung von Ehepartnern am Verfahren: Besorgnis der Befangenheit
Die Besorgnis der Befangenheit i.S.v. § 42 Abs. 2 ZPO ist begründet, wenn der abgelehnte Richter als Mitglied des Berufungsgerichts über die Berufung der ihn ablehnenden Partei gegen ein durch seine Ehefrau als Einzelrichterin ergangenes Urteil zu entscheiden hat.
BGH, Beschl. v. 27.2.2020 – III ZB 61/19
Verwerfung des Einspruchs gegen den Strafbefehl: Voraussetzungen
Für eine Verwerfung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl ist erforderlich, dass das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist (§ 412 i.V.m. § 329 StPO). Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 329 Abs. 1 StPO. Bei der Verschuldensfrage ist eine weitere Auslegung zugunsten des Angeklagten geboten. Maßgebend ist, ob dem Angeklagten nach den Umständen des Falles wegen seines Ausbleibens billigerweise ein Vorwurf zu machen ist. Entschuldigen kann auch das Vertrauen auf Auskünfte des Verteidigers, z.B. wenn dieser wahrheitswidrig erklärt, der Termin sei vom Gericht abgesetzt worden.
LG Braunschweig, Urt. v. 12.2.2020 – 5 Ns 301/19
Ablehnung: Besorgnis der Befangenheit
Allein das unbestrittene Vorliegen einer engen Freundschaft zwischen dem Richter und dem Verteidiger reicht noch nicht aus, aus der Sicht eines der Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände an einer Unvoreingenommenheit dieses Richters zu zweifeln.
AG Torgau, Beschl. v. 24.2.2010 – 2 Ds 950 Js 41188/19
Freispruch: Revision
Der Angeklagte ist durch ein freisprechendes Urteil i.d.R. nicht beschwert. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte des Rechtsmittelführers aus dem Tenor selbst und nicht nur aus den Entscheidungsgründen ergeben.
BGH, Beschl. v. 28.1.2020 – 4 StR 608/19
Revision im JGG-Verfahren: Prüfungsumfang
Das Revisionsgericht hat auf eine unbeschränkt eingelegte und auch sonst zulässige Revision die vorinstanzlich angeordneten Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel ohne die Beschränkung in § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG auch dann auf Rechtsfehler zu überprüfen, wenn es den Schuldspruch unangetastet lässt.
BGH, Beschl. v. 29.1.2020 ‒ 4 StR 605/19
Strafvollzug: Vollzugslockerungen
Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen. Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen. Auf Grund der hohen Bedeutung des Resozialisierungsinteresses darf sich eine Justizvollzugsanstalt, wenn sie vollzugslockernde Maßnahmen versagt, nicht auf bloße pauschale Wertungen oder den Hinweis einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr beschränken.
OLG Koblenz, Beschl. v. 23.12.2019 – 2 Ws 770/19 Vollz
GmbH-Geschäftsführer: Löschung im Register
Das Registergericht hat die Eintragung eines Geschäftsführers einer GmbH von Amts wegen im Handelsregister zu löschen, wenn eine persönliche Voraussetzung für dieses Amt gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG nach der Eintragung entfällt. Auch wer nicht als Täter (§ 25 StGB), sondern als Teilnehmer (§§ 26, 27 StGB) wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG rechtskräftig verurteilt worden ist, kann nicht Geschäftsführer einer GmbH sein.
BGH, Beschl. v. 3.12.2019 – II ZB 18/19
Rücktritt: Freiwilligkeit beim Rücktritt
Freiwilligkeit liegt vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
BGH, Beschl. v. 21.11.2019 – 4 StR 500/19
Bewährungswiderruf: Vertrauensschutz
Nach einer Verlängerung der Bewährungszeit kann der Widerruf einer Strafaussetzung auf eine vor dem Verlängerungsbeschluss erfolgte Nachverurteilung nur dann gestützt werden, wenn die neue Straftat dem Gericht bei der Entscheidung über die Bewährungsverlängerung nicht bekannt war.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.3.2020 – 3 Ws 34/20
Entziehung der Fahrerlaubnis: bedeutender Fremdschaden
Auch nach der Änderung des § 44 Abs. 1 StGB und unter Berücksichtigung des Verbraucherpreisindexes besteht keine Veranlassung, den Grenzwert für den bedeutenden Fremdschaden von 1.500 EUR auf 2.500 EUR anzuheben.
LG Berlin, Beschl. v. 26.2.2020 – 501 Qs 18/20
Doppelverwertungsverbot: Strafzumessung bei Missbrauch
Die Berücksichtigung eines „großen Altersunterschiedes“ zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten zu dessen Lasten kann bezüglich des sexuellen Missbrauchs eines Kindes einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB darstellen. Das Bestehen eines Altersgefälles zwischen Täter und Opfer als solches ist in dem Schutzzweck des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs eines Kindes und der Schutzaltersgrenze von 14 Jahren angelegt. Eine nicht unerhebliche Höhe dieses Altersgefälles ist für Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zumindest typisch.
BGH, Beschl. v. 21.11.2019 – 4 StR 500/19
Messfoto: Inaugenscheinnahme
Die Verlesung der sog. Datenzeile eines Messfotos umfasst nicht die Inaugenscheinnahme des Messfotos.
OLG Hamm, Beschl. v. 27.2.2010 – 5 RBs 63/20
Kostenforderung: Insolvenzforderung
Die Zahlungsverpflichtung des Kostenschuldners im Strafverfahren entsteht erst durch die Kostengrundentscheidung unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Rechtskraft (Anschluss: KG Berlin, Beschl. v. 16.3.2015 – 1 Ws 8/15). Die von dem Verurteilten zu tragenden Kosten für die Vorbereitung der öffentlichen Klage stellen deshalb selbst dann keine Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO dar, wenn diese bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verurteilten begründet wurden.
OLG Celle, Beschl. v. 10.2.2020 – 2 Ws 43/20
Pauschgebühren: außerordentliche Einkünfte
Pauschgebühren (§ 51 RVG) sind keine außerordentlichen Einkünfte.
BFH, Beschl. v. 20.1.2020 – VIII B 121/19
Hauptverhandlungsdauer: Mittagspause
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine in die Mittagszeit fallende Unterbrechung als Mittagspause gilt und deshalb von der für die Ermittlung eines Längenzuschlags maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer abzuziehen ist, ist von Bedeutung, ob die (ungefähre) Dauer der Unterbrechung bereits vor Verhandlungsbeginn an dem jeweiligen Tag absehbar war und der Pflichtverteidiger sich auf diese Unterbrechung hat einstellen können (Nr. 4110 ff. VV RVG).
LG Göttingen, Beschl. v. 3.3.2020 – 6 Ks 25 Js 14421/18 (11/18)