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Fortsetzungsverhandlung

Sind in einem Hauptverhandlungstermin Prozesshandlungen vorgenommen worden oder haben Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen stattgefunden, die geeignet sind, das Verfahren inhaltlich auf den Urteilsspruch hin zu fördern und die Sache ihrem Abschluss substanziell näherzubringen, ist in dem (Fortsetzungs-)Termin zur Sache verhandelt worden. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 19.1.2021 – 5 StR 496/20

I. Sachverhalt

Der Angeklagte ist vom LG verurteilt worden. Er hat mit seiner Revision eine Verletzung von § 229 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 StPO geltend gemacht. Er hatte damit keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Der BGH führt aus: Die Hauptverhandlung sei zwischen dem 5. und dem 30.3. nicht mehr als drei Wochen unterbrochen gewesen, sondern am 9.3.2020 mit fristwahrender Wirkung fortgesetzt worden. Bei diesem Hauptverhandlungstermin habe es sich entgegen der Ansicht der Revision nicht nur um einen – insoweit unbeachtlichen – sog. Schiebetermin bzw. eine Scheinverhandlung gehandelt (BGH StRR 2008, 103; 2011, 343). Eine Hauptverhandlung gelte i.S.d. § 229 Abs. 4 S. 1 StPO als fortgesetzt und müsse demgemäß nicht ausgesetzt werden, wenn in einem Fortsetzungstermin zur Sache verhandelt werde. Das sei der Fall, wenn Prozesshandlungen vorgenommen werden oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen stattfinden, die geeignet sind, das Verfahren inhaltlich auf den Urteilsspruch hin zu fördern und die Sache ihrem Abschluss substanziell näherzubringen. Unter diesen Voraussetzungen sei die Dauer des Termins ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob er noch für weitere verfahrensfördernde Handlungen hätte genutzt werden können. Gleichermaßen unschädlich sei es, wenn der Termin daneben auch der Einhaltung der Unterbrechungsfrist dient (BGH a.a.O.).

Nach dieser Maßgabe habe am 9.3.2020 eine Verhandlung i.S.d. § 229 Abs. 1 StPO stattgefunden. Dies folgt bereits aus den vom Angeklagten mitgeteilten und protokollierten Vorgängen der Hauptverhandlung vom 9.3.2020. Besonderes Gewicht komme dabei dem Umstand zu, dass die Vorsitzende an diesem Sitzungstag den Schluss der Beweisaufnahme angeordnet hatte, § 258 Abs. 1 StPO. Der Schluss der Beweisaufnahme selbst könne als „geradezu intensivste“ Form der substanziellen Verfahrensförderung auf ein Urteil hin angesehen werden. Denn die Anordnung beinhaltet nicht nur die Feststellung eines Status quo, sondern hat eigenständiges Gewicht, da zugleich unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werde, dass keine Beweise mehr erhoben oder sonstige Prozesshandlungen durchgeführt werden und nunmehr die Schlussvorträge gehalten werden sollen (KK/Gmel, StPO, 8. Aufl., § 229 Rn 6). Letzteres habe die Strafkammer auch ersichtlich ins Auge gefasst. Der Angeklagte habe insoweit mitgeteilt, der Vertreter der Staatsanwaltschaft habe nach Abschluss der Beweisaufnahme seinen Schlussvortrag halten sollen. Dass die Hauptverhandlung gleichwohl noch weiter habe fortgesetzt werden müssen, stehe der Bedeutung der Anordnung nicht entgegen.

Auch im Übrigen hätten die Verfahrensbeteiligten unter Leitung der Vorsitzenden zur Sache verhandelt. Denn zwischen ihnen und dem Gericht sei erörtert worden, ob weitere Beweisanträge gestellt werden sollen. Die Strafkammer habe darauf hingewiesen, dass die Akte eines anderen Ermittlungsverfahrens – wie beantragt – beigezogen worden sei, der Inhalt aber nicht von Amts wegen in die Hauptverhandlung eingeführt werden solle. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft und die Verteidiger hätten hierzu Stellung bezogen. Diese Tatsachen stellen ein Verhandeln im Sinne des § 229 Abs. 4 S. 1 StPO dar (vgl. BGH NStZ 2011, 229 [Mitteilung des Strafkammervorsitzenden, dass die in einem Beweisantrag benannten Zeugen für den nächsten Termin geladen werden sollen]; StRR 3/2018, 17 [Befassung mit Verfahrensfragen]). Die relativ kurze Dauer des Termins von nur einer Viertelstunde ist dabei ohne Belang.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung ist zutreffend. Zutreffend war es allerdings auch, dass die Verteidigung – offenbar wegen der nur kurzen Terminsdauer – in der Revision die Frage aufgeworfen hat, ob am 9.3.2020 ein Hauptverhandlungstermin i.e.S. stattgefunden hat. Bei nur kurzer Terminsdauer wird sich die Frage i.d.R. stellen. M.E. beantwortet der BGH die Frage aber sachgerecht. Denn mit der Anordnung des sog. Schlusses der Beweisaufnahme i.S.d. § 258 Abs. .1 StPO ist eine Prozesshandlung vorgenommen worden, die das das Verfahren inhaltlich auf den Urteilsspruch hin gefördert hat. Da kam es auf die sonstigen Erörterungen nicht mehr an (zur Unterbrechung der Hauptverhandlung und zur Fortsetzungsverhandlung Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn 2892 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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