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Beamtenbeleidigung

„FCK BFE“ ist eine als Beleidigung strafbare Äußerung. (Leitsatz des Verfassers)

BVerfG, Beschl. v. 8.12.2020 – 1 BvR 842/19

I. Sachverhalt

Das AG verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Nach den Feststellungen gehört der Beschwerdeführer der linken Szene in Göttingen an und hatte in diesem Zusammenhang verschiedene Auseinandersetzungen mit der dortigen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der Polizei. Im Rahmen einer Gegendemonstration gegen eine Versammlung der rechten Szene trat er mit einem Pullover mit der gut sichtbaren Aufschrift „FCK BFE“ auf. Nach den Feststellungen war ihm bewusst, dass Mitglieder der BFE vor Ort anwesend sein würden, um den Einlass in das Gebäude und das Verfahren zu sichern. Nachdem Beamte der BFE auf den Schriftzug aufmerksam geworden waren, forderte ein Beamter den Beschwerdeführer mehrfach auf, die Aufschrift zu bedecken, und belehrte ihn über die mögliche Strafbarkeit seines Verhaltens. Nachdem der Beschwerdeführer auf diese Aufforderung nicht reagierte, ordnete der Beamte die Beschlagnahme des Pullovers an und forderte den Beschwerdeführer auf, den Pullover auszuziehen. Hierbei zeigte sich, dass der Beschwerdeführer unter dem Pullover ein T-Shirt mit der identischen Aufschrift trug, was er nach den tatgerichtlichen Feststellungen spöttisch kommentierte.

Das AG war aufgrund der Vorgeschichte überzeugt, dass sich der Schriftzug gerade und ausschließlich auf die Göttinger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit beziehen sollte. Diese stelle, weil es sich um eine hinreichend überschaubare Personengruppe handele, ein beleidigungsfähiges Kollektiv dar.

Der Begriff „fuck“ sei auch im deutschen Sprachgebrach ein mittlerweile geläufiges Schimpfwort. Dieses drücke eine Geringschätzung der mit ihm bezeichneten Person aus. Gerade die fehlende Reaktion auf die Hinweise der Beamten der BFE, den Schriftzug zu verdecken, verdeutliche, dass die Beleidigung der Beamten bewusst gewollt war. Durch Inaugenscheinnahme von Videoaufzeichnungen sah das Gericht als erwiesen an, dass der Verurteilte sich und den Schriftzug „FCK BFE“ bewusst den Beamten präsentierte.

Eine Rechtfertigung der Äußerung durch § 193 StGB lehnte das AG ab, da diese sich in einer vulgären Beschimpfung erschöpfe, die keinerlei sachbezogenen Beitrag im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung leiste.

Die gegen die Verurteilung gerichtete Sprungrevision wurde durch das zuständige OLG Braunschweig als unbegründet verworfen.

II. Entscheidung

Das BVerfG hat die gegen die Verurteilung gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es erachtet die gegen die Verurteilung gerichtete Verfassungsbeschwerde als unbegründet. Die strafrechtliche Verurteilung wegen Zurschaustellens des Schriftzugs „FCK BFE“ gegenüber Beamten einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit greife zwar in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ein. Dieses Grundrecht schütze wertende Äußerungen unabhängig von deren etwaigem polemischem, unsachlichem oder verletzendem Gehalt. Dieser Grundrechtseingriff sei jedoch gerechtfertigt. Die Auslegung und Anwendung des die Meinungsfreiheit beschränkenden § 185 StGB begegne in den hier differenziert festgestellten Umständen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Missachtung der aus dem Grundsatz praktischer Konkordanz folgenden verfassungsrechtlichen Maßgaben für Verurteilungen nach § 185 StGB und ein Überschreiten des bei der Anwendung dieser Maßgaben bestehenden fachgerichtlichen Wertungsrahmens seien nicht erkennbar.

Das Tatgericht habe die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Feststellung einer Individualisierung potentiell beleidigender Schriftzüge auf konkrete Personen oder Personengruppen beachtet. Der Beschwerdeführer könne nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht mit der Behauptung durchdringen, dass seine Äußerung nicht auf die spezifische Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit in Göttingen und deren Beamte, sondern allgemein auf solche Einheiten bei der Polizei bezogen gewesen sei. In Rechnung gestellt werden könne dabei, dass eine spezifisch die Beamten in Göttingen betreffende Zielrichtung angesichts der zwei übereinander getragenen Kleidungsstücke mit der identischen Aufschrift und des Verhaltens des Beschwerdeführers bei und nach dem polizeilich angeordneten Ausziehen seines Pullovers nicht fernlag.

Das BVerfG zieht eine klare Trennlinie zu den erheblich anders liegenden (und auch zugunsten der damaligen Beschwerdeführer entschiedenen) Verfahren, in denen strafgerichtliche Feststellungen zur personalisierenden Zuordnung der herabsetzenden Botschaften „ACAB“ („all cops are bastards“) und „FCK CPS“ („fuck cops“) beanstandet wurden. In diesen Fällen, so das BVerfG, habe es keine Vorgeschichte mit einer bestimmten Polizeieinheit gegeben. Ein planvolles, bestimmte Beamte herabsetzendes Vorgehen sei in jenen Fällen nicht aus den gerichtlichen Feststellungen erkennbar gewesen. Vielmehr konnten die Botschaften auf den Kleidungsstücken auch als allgemeine politische Stellungnahmen zum Kollektiv „Polizei“ verstanden werden. Das hier ausdrücklich in Bezug genommene Kollektiv der BFE sei jedoch sogar ohne den Ortszusatz erheblich spezifischer und eher abgrenzbar als der Begriff „cops“. Bei Letzterem sei nämlich nicht einmal erkennbar, ob sich dieser auf die deutsche Polizei oder ganz allgemein auf alle Personen mit polizeilichen Funktionen auf der Welt bezieht.

Die durch das AG getroffene Beurteilung des Schriftzuges „FCK BFE“ sei insgesamt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Mittel der Sprache habe allein dazu gedient, andere Personen zu verletzten und in den Augen anderer herabzuwürdigen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung und Stellungnahme sah das BVerfG darin nicht.

III. Bedeutung für die Praxis

Die durch das BVerfG getroffene Abgrenzung zu den ACAB-Fällen ist nachvollziehbar und keineswegs überraschend. Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit auch über einen bestimmten Ort hinaus als beleidigungsfähiges, weil eng umgrenztes Kollektiv zu betrachten, fügt sich ohne Überraschung in die bisherige Rechtsprechung ein. Das Absprechen des Sachbezugs ist gut vertretbar. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Polizeieinheit (z.B. ihrem Einsatzfeld, genereller Vorgehensweise o.Ä.) findet nicht statt; konkrete (ggf. auch frühere) polizeiliche Maßnahmen werden nicht in den Blick inhaltlicher Kritik genommen.

Der Fall wäre vielleicht schon durch das AG anders entschieden worden, wenn die Äußerung „FCK BFE“ nicht von vornherein präsentiert worden wäre – sondern erst als Reaktion auf konkrete Maßnahmen bestimmter BFE-Beamter. So war es jedoch nach den Urteilsfeststellungen gerade nicht.

Für die Praxis ist jedoch nicht nur die materiell-rechtliche Fragestellung von Bedeutung. Prozessual darf nicht übersehen werden, dass die konkrete Verfassungsbeschwerde hinsichtlich einiger Rügen bereits nicht dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) beziehungsweise den aus §§ 23 Abs. 1 S. 2, 92 BVerfGG sich ergebenden Substantiierungsanforderungen genügte. Bereits das Problem fehlender Rechtswegerschöpfung vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde bereitet in der Praxis immer wieder Probleme. Wer als Strafverteidiger von Beginn an im Verfahren tätig ist, sollte die Problematik im Blick haben. Gerade im Bereich der Beamtenbeleidigung ist es nicht fernliegend, dass man auf den Erfolg beim zuständigen OLG nicht fest vertrauen darf. Die „Vorbereitung“ der Verfassungsbeschwerde im Strafverfahren sollte daher von vornherein durch den Rat entsprechend spezialisierter bzw. erfahrener Kollegen begleitet werden. Auch gibt es gute Fachliteratur dazu, die dazu beiträgt, die Verfassungsbeschwerde in Strafsachen nicht mehr als Hexenwerk erscheinen zu lassen.

Rechtsanwalt und FA StR/VerkR Heiko Urbanzyk, Coesfeld

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