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Abrechnung der Tätigkeiten im nachträglichen Gesamtstrafenverfahren

1. Dem Rechtsanwalt/Pflichtverteidiger steht für sein Tätigwerden im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung eine Gebühr nach Nr. 4204, 4205 VV RVG zu.

2. Für sein Tätigwerden im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen die Nachtragsentscheidung entsteht eine Gebühr nach Nr. 4301 Nr. 1 VV RVG. (Leitsätze des Gerichts)

LG Osnabrück, Beschl. v. 2.6.2020 – 2 Qs 26/20

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt/Pflichtverteidiger war im nachträglichen Gesamtstrafenverfahren tätig. Nach Abschluss seiner Tätigkeit hat er seine Gebühren abgerechnet. Das AG hat gesetzliche Gebühren festgesetzt. Dagegen hat sich der Vertreter der Staatskasse gewendet. Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Dem Pflichtverteidiger sind nach Auffassung des LG für sein Tätigwerden im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung eine Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG und für sein Tätigwerden im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen die Nachtragsentscheidung eine Gebühr nach Nr. 4301 Nr. 1 VV RVG nebst zwei Post- und Kommunikationspauschalen nach Nr. 7002 VV RVG und 19 % Umsatzsteuer zu erstatten. Zuletzt habe das OLG Bamberg (RVGreport 2020, 63 = JurBüro 2020, 23) einem Verteidiger für seine Tätigkeit im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung eine Vergütung nach Nr. 4204, 4205 VV RVG zugesprochen (Anschluss an OLG Brandenburg RVGreport 2018, 385 = AGS 2018, 494). Auf den Beschluss verweist das LG, er entspreche im Ergebnis der Entscheidung der Kammer mit deren Beschluss vom 23.6.2015 – 2 Qs/120 Js 50865/09 – 36/15. Letztlich bringe die Gesetzessystematik eindeutig zum Ausdruck, dass die Frage der Vergütung des (Pflicht-)Verteidigers für einzelne Verfahrensabschnitte unabhängig von der Frage der Fortwirkung seiner Bestellung zu beurteilen sei. Danach stehe dem Pflichtverteidiger die Erstattung einer Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG für sein Tätigwerden im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO zu. Soweit er gegen die Nachtragsentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt habe, stehe ihm eine Gebühr nach Nr. 4302 Nr. 1 VV RVG zu.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Soweit das LG dem Pflichtverteidiger für sein Tätigwerden im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO eine Verfahrensgebühr Nrn. 4204, 4205 VV RVG gewährt, ist die Entscheidung zutreffend. Auf die Frage, ob die Pflichtverteidigerbestellung aus dem Erkenntnisverfahren auch die Tätigkeiten des Pflichtverteidigers im nachträglichen Gesamtstrafenverfahren umfasst, kommt es in dem Zusammenhang nicht mehr an. Denn die strittige Frage (vgl. dazu OLG Bamberg und OLG Brandenburg a.a.O., LG Cottbus RVGreport 2018, 385; a.A. LG Bonn RVGreport 2017, 297) hat sich durch Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung zum 13.12.2019 erledigt. In § 143 Abs. 1 StPO ist nämlich jetzt ausdrücklich vorgesehen, dass die Pflichtverteidigerbestellung für das Erkenntnisverfahren sich auch auf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung erstreckt. Das impliziert dann aber auch, dass dem Rechtsanwalt die insoweit erbrachten Tätigkeiten aus der Staatskasse honoriert werden. Sie werden nicht von der Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens umfasst.

2. Falsch ist die LG-Entscheidung hinsichtlich der Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Beschwerdeverfahren. Das LG übersieht insoweit nämlich die Vorbem. 4.2 VV RVG. Danach wird das Verfahren über die Beschwerde (ausnahmsweise) gesondert honoriert. Es entsteht auch eine Verfahrensgebühr nach der Nr. 4204 ff. VV RVG. Dafür (nur) eine Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 1 VV RVG anzusetzen, ist unzutreffend. Die Regelung in Vorbem. 4. 2 VV RVG sollte ein LG kennen. Dem Ansatz einer Verfahrensgebühr nur für eine Einzeltätigkeit steht zudem die Subsidiaritätsklausel der Vorbem. 4.1 Abs. 1 VV RVG entgegen.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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