I. Der Fall
Die Parteien, die Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in Berlin, streiten um ein Geh- und Fahrrecht. Nach der Baugenehmigung von 1956 sollte die Zufahrt zum Grundstück des Klägers auf den Vordergrundstück erfolgen und durch eine Grunddienstbarkeit abgesichert werden. Diese wurde eingetragen, die vorgesehene Zufahrt jedoch nicht geschaffen. Der Kläger nutzte das Vordergrundstück aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit den Beklagten. Nachdem diese seitens der Beklagten gekündigt wurde, begehrt der Kläger die weitere Nutzung des Vordergrundstücks als Zufahrt. Seine hierauf gerichtete, in erster Instanz erfolgreiche Klage wurde vom Berufungsgericht abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom BGH zugelassene Revision.
II. Die Entscheidung
Das Rechtsmittel hatte einstweilen Erfolg.
Einräumung eines Notwegerechtes
Der Anspruch aus § 917 Abs. 1 BGB auf Einräumung eines Notwegerechtes scheitert nicht an einer willkürlichen Herbeiführung der Anbindungslosigkeit. § 918 Abs. 1 BGB ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht schon deswegen analog anwendbar, weil die Notlage erst durch die Bebauung herbeigeführt wurde. Denn die Bebauung entsprechend einer bestandskräftigen Baugenehmigung stellt eine ordnungsmäßige Nutzung gemäß § 917 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Ob sie mangels Erschließung hätte erteilt werden dürfen, ist dann ohne Belang. Das Fehlen der Verbindung zu einem öffentlichen Weg führt dann grundsätzlich zu einem Notwegerecht. Dies gilt auch dann, wenn die in der Baugenehmigung vorgesehene Zuwegung technisch nicht herstellbar war. Dabei ist aus § 917 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur der unmittelbare Eigentümer, sondern jeder Eigentümer duldungspflichtig, dessen Grundstück zwischen dem anbindungslosen Grundstück und der öffentlichen Straße liegt. Gleiches gilt wegen der Verweisung in § 917 As. 2 S. 2 BGB auf § 916 BGB auch für Berechtigte aus einer Dienstbarkeit am Nachbargrundstück. Diese können getrennt neben dem Eigentümer auf Duldung in Anspruch genommen werden. Die Sache war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die Voraussetzungen des Duldungsanspruchs aus § 917 Abs. 1 S. 1 BGB, insbesondere die Erreichbarkeit auf sonstige Weise prüfen kann. Dabei ist zu beachten, dass die ordnungsmäßige Benutzung eines Grundstücks in der Regel zwar dessen Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug voraussetzt, hier aber nach der Planungs- und Nutzungskonzeption Kraftfahrzeugverkehr von den Grundstücken ferngehalten werden soll. Für die ordnungsmäßige Erschließung des Fußwegs kommt es allerdings nicht auf die zur Zeit der Baugenehmigung, sondern auf die heute maßgeblichen Verhältnisse an. Eine 1956 als ausreichend angesehene Zuwegung des Fußwegs kann daher heute aufgrund des Gefälles unzulässig sein. Für den Fall einer Duldungspflicht hat das Gericht eine angemessene Notwegrente festzusetzen, für deren Höhe die Wertminderung des belasteten Grundstücks durch das Notwegerecht maßgeblich ist.
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung stellt geradezu eine lehrbuchartige Prüfung der Voraussetzungen eines Notwegerechtes dar. Offen bleibt nur, wie das Gericht vorzugehen hat, wenn es diese Voraussetzungen bejaht. Denn die Festsetzung der Notwegerente wird regelmäßig ohne gutachterliche Hilfe nicht möglich sein. Kommt das Rechtsmittelgericht zu einem anderen Ergebnis, sind die Kosten hierfür umsonst aufgewendet.