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Schadensersatz für Substanzeingriffe in das Sondereigentum

BGH, Urt. v. 8.7.2022V ZR 207/21

I. Der Fall

Die Parteien, Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen. Die Eigentümerversammlung vom 29.9.2016 beschloss umfangreiche Sanierungsarbeiten an der Entwässerung des einen Hauses der aus vier in den 1960iger Jahren errichteten Wohnanlage. Diese betrafen infolge des Austauschs der gemeinschaftlichen Be- und Entwässerungsleitungen auch das Sondereigentum in den Bädern. Deshalb beschlossen die Wohnungseigentümer auch „die Wiederherstellung des Sondereigentums im Sinne des § 14 Abs. 4 WEG.“ Hiergegen richtet sich die in der Berufungsinstanz erfolgreiche Anfechtungsklage. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision begehrt die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Klageabweisung.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Eigentümerversammlung fehlt es für Maßnahmen am Sondereigentum an der Beschlusskompetenz

Zwar geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass es der Eigentümerversammlung für Maßnahmen am Sondereigentum an der Beschlusskompetenz fehlt. § 14 Nr. 4 WEG a.F. verpflichtete die Wohnungseigentümergemeinschaft aber, gemäß § 249 Abs. 1 BGB den vor dem erlaubten Eingriff bestehenden Zustand wiederherzustellen. Hieraus leitet sich die Befugnis ab, mit dem Eingriff auch über die Maßnahmen Beschluss zu fassen, die zur Wiederherstellung des zwingend in Anspruch zu nehmenden Sondereigentums erforderlich sind. Die entspricht auch dem Interesse des betroffenen Sondereigentümers. Denn ansonsten müsste er sich selbst um die Wiederherstellung des Sondereigentums kümmern, was zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen führen würde. Seines vorherigen Einverständnisses bedarf es nicht. Denn die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist nicht als Wahlschuld des Geschädigten, sondern als Ersetzungsbefugnis des Gläubigers zu verstehen. Der Schuldner kann daher die vereinbarte Leistung erbringen, solange der Gläubiger sie nicht durch eine andere ersetzt hat.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung dürfte auch für das neue Recht Geltung beanspruchen können. Zwar ist die Nachfolgevorschrift des § 14 Abs. 3 WEG weiter gefasst, indem sie etwa keinen Substanzeingriff in das Sondereigentum voraussetzt und auch nicht nur für Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum gilt. Der Gedanke, dass die Gemeinschaft, wenn sie in das Sondereigentum eingreift, auch über die Beseitigung der Schäden befinden darf, dürfte aber auch im neuen Recht Anwendung finden.

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