Erhaltung tragender Bauteile durch Untergemeinschaften
BGH, Urt. v. 12.11.2021 – V ZR 204/20
I. Der Fall
Die Wohnungseigentümergemeinschaft und eines ihrer Mitglieder streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen. Nach der Gemeinschaftsordnung bestehen an den verschiedenen Baukörpern der Mehrhausanlage und der Tiefgarage „Sondernutzungsgemeinschaften“, die sich selbst verwalten, eigenständige Eigentümerversammlungen durchführen und separate Instandhaltungsrückstellungen bilden. Die Eigentümerversammlung vom 29.4.2019 beschloss die Sanierung der Tiefgarage. Alleine mit den Stimmen der Stellplatzeigentümer wurde eine Sonderumlage von ca. 5 Mio. EUR beschlossen, wobei auf jeden Stellplatz 21.276,59 EUR entfielen. Nur gegen diesen Beschluss zur Erhebung der Sonderumlage richtet sich die Anfechtungsklage. Sie hatte in den Tatsacheninstanzen Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.
II. Die Entscheidung
Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Zu Unrecht konzentriert sich das Berufungsgericht auf die Frage, wer über die Erhaltungsmaßnahmen zu beschließen hat. Denn angefochten ist nur der Beschluss über die Sonderumlage. Dieser ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht nichtig. Die Beschlussfassung alleine durch die Stellplatzeigentümer entspricht den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG a.F. (nunmehr § 10 Abs. 1 S. 2 WEG) ermöglicht die Bildung von Untergemeinschaften mit eigener Verwaltungszuständigkeit und eigenen Beschlusskompetenzen. Dies ist nach der vorliegenden Gemeinschaftsordnung der Fall. Allein ihre Bezeichnung als „Sondernutzungsgemeinschaft“ steht dem nicht entgegen, da sich ihre Befugnis nicht auf Belange eines Sondernutzungsrechts beschränkt, sondern Verwaltungskompetenzen bis hin zur Abhaltung eigener Versammlungen und zur Bildung von Instandhaltungsrücklagen umfasst. Daher lag es auch in ihrer Kompetenz, über die Erhebung einer Sonderumlage zu beschließen. Denn die eigenständige Verwaltung ist von vorneherein nur zulässig, wenn die Mitglieder der Untergemeinschaften auch die Kosten der von ihnen beschlossenen Maßnahmen tragen (BGH, Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 184/16, ZMR 2018, 234 = WuM 2018, 100). Dies folgt im Übrigen auch aus dem Wortlaut der Gemeinschaftsordnung, wonach die jeweiligen Eigentümer „entsprechend ihren Miteigentumsanteilen berechtigt und verpflichtet“ sein sollen. Dem steht nicht entgegen, dass die Kostenlast auch die Erhaltung konstruktiver Bauteile anderer Baukörper erfasst, weil die Tiefgarage zugleich als Fundament der Wohngebäude dient. Dies ist auch in anderen Zusammenhängen anerkannt, etwa bei der Kostenlast für die Sanierung von Balkonen, die ebenfalls dem gesamten Gebäude zugute kommt. Eine solche Kostenregelung ist auch dann zulässig, wenn getrennte Baukörper aufeinander aufbauen. Damit soll vermieden werden, dass sich Wohnungseigentümer ohne Stellplatz an den Kosten der Erhaltung einer Tiefgarage beteiligen müssen.
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung baut auf bekannten Prämissen auf. Der BGH beschäftigt sich noch mit der originellen Idee des Anfechtungsklägers, die Miteigentümer müssten seinen Stellplatz zum Preis von 8.000 EUR übernehmen. Hier verweist der BGH auf seine Rechtsprechung, dass der einzelne Wohnungseigentümer sich weder auf eine Opfergrenze berufen (BGH, Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 9/14, ZWE 2015, 88 = ZMR 2015, 241) noch sein Sondereigentum derelinquieren kann (BGH v. 14.6.2007 – V ZB 18/07, ZMR 2007, 795).