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Grenzen des Notwegerechtes

Grenzen des Notwegerechtes

BGH, Urt. v. 16.4.2021 – V ZR 85/20

I. Der Fall

Die Parteien, zwei Eigentümer benachbarter Grundstücke, streiten um ein Notwegerecht. Der Kläger baute auf einem Hinterliegergrundstück, das nur über das Grundstück der Beklagten zu erreichen ist, eine Einrichtung mit 25 Wohnplätzen für Suchtkranke. Das vom Sonderrechtsvorgänger der Beklagten bewilligte Geh- und Fahrrecht wurde nicht eingetragen. Später erwarb der Kläger ein angrenzendes Grundstück, zu dessen Gunsten eine Dienstbarkeit mit Geh- und Fahrrecht auf einem anderen Nachbargrundstück besteht. Allerdings setzt die Erreichbarkeit die teilweise Beseitigung eines unter Naturschutz stehenden Walls voraus. 2012 untersagte die Beklagte die Nutzung ihres Grundstückes als Zufahrt zu dem Suchtzentrum. Die Klage auf entschädigungslose Nutzung hatte in den Tatsacheninstanzen Erfolg. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg.

Nicht zu beanstanden ist die Verurteilung der Beklagten zur Duldung des Notweges. Ein solcher setzt nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass die zur ordnungsmäßigen Benutzung erforderliche Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Dies umfasst in der Regel auch das Befahren mit Kraftfahrzeugen. Allerdings kommt ein Notwegerecht nicht in Betracht, wenn der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks dessen Verbindung zu einem öffentlichen Weg in zumutbarer anderer Weise herstellen kann. Dies kommt hier aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht in Form einer Zufahrt unter Beseitigung des unter Naturschutz stehenden Walls in Betracht. Zwar ist dem Kläger eine Klage vor den Verwaltungsgerichten zuzumuten, deren Aussichten auf Erfolg das Zivilgericht in eigener Zuständigkeit prüfen muss. Nur eine von vorneherein aussichtslose Klage ist nicht zumutbar. Dann müsste die Beklagte den Notweg nur bis zu einer erfolgreichen Herstellung eines anderweitigen Zugangs dulden. Allerdings hat das Berufungsgericht übersehen, dass das Notwegerecht nur für das unmittelbare Hinterliegergrundstück, nicht auch für weitere im Eigentum des Klägers stehende Grundstücke in Anspruch genommen werden darf. Hier müsste also der Nachbar des anderen Grundstücks nur die Nutzung zum Erreichen des unmittelbar angrenzenden Grundstücks, nicht auch des daran angrenzenden Grundstücks dulden. Deswegen hat das Berufungsgericht die Duldung des Notweges im Ergebnis zu Recht zuerkannt. Allerdings hätte es hierfür eine Geldrente gemäß § 917 Abs. 2 S. 1 BGB zusprechen müssen, die sich an dem Umfang der durch die Nutzung entstehenden Beeinträchtigung bemisst.

III. Der Praxistipp

Die Bemessung der Notwegrente unterscheidet sich markant von der Überbaurente. Bei letzterer stellt der BGH alleine darauf ab, dass sich der beeinträchtigte Grundstückseigentümer die Entziehung des Gebrauchs und die Nutzung des überbauten Teils seines Grundstücks gefallen lassen muss. Daher ist der Ausgleich für die Nutzung der Grenzüberschreitung nicht nach den konkreten Nutzungseinbußen zu bemessen, sondern nach dem Verkehrswert der überbauten Bodenfläche. Hier kommt es dagegen gerade auf die Beeinträchtigung an.

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