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Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf den Verwalter

Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf den Verwalter

BGH, Urt. v. 11.6.2021 – V ZR 215/20

I. Der Fall

Die Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen. Die Eigentümerversammlung vom 21.2.2019 bevollmächtigte zwei Miteigentümer zur Unterzeichnung des Verwaltervertrages. Dieser enthielt eine Regelung, wonach der Verwalter Erhaltungsmaßnahmen bis zu einem Auftragswert von 4.000 EUR im Einzelfall, begrenzt auf ein jährliches Gesamtvolumen von 8.000 EUR ohne Beschluss der Eigentümerversammlung in Auftrag geben durfte. Für größere Erhaltungsmaßnahmen durfte er sachkundige Dritte (Architekten, Ingenieure, Gutachter) bis zu einem Auftragswert von 3.000 EUR im Einzelfall, begrenzt auf ein Gesamtvolumen von 6.000 EUR ohne Beschluss der Eigentümerversammlung in Auftrag geben. Schließlich sollte er für jede weitere Eigentümerversammlung über die ordentliche Jahresversammlung hinaus 700 EUR erhalten. Diesen Beschluss focht eine Miteigentümerin an. Ihre Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Der Beschluss ist nach dem bis zum 30.11.2020 geltenden WEG weder nichtig noch anfechtbar.

Zwar ist eine Verlagerung der Kompetenzen von der Eigentümerversammlung auf den Verwalter nur in engen Grenzen durch Beschluss möglich. Dem Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer ist aber die Befugnis immanent, die Entscheidung über Maßnahmen der Instandhaltung oder Instandsetzung von untergeordneter Bedeutung zu vereinfachen und durch Beschluss dem Verwalter zu übertragen. Die Grenzen hierfür sind hier eingehalten, da diese Kompetenzübertragung nur zu einem begrenzten und überschaubaren finanziellen Risiko für den einzelnen Wohnungseigentümer führt. Denn die Befugnisse des Verwalters sind durch eine Wertobergrenze für die einzelne Maßnahme und eine Jahresgesamtobergrenze beschränkt. Einer Beschränkung der Kompetenzübertragung auf einen Einzelfall mit Festlegung der einzelnen Kriterien bedarf es nicht. Auch die Sondervergütung für weitere Eigentümerversammlungen begegnet im Verfahren nach § 43 Nr. 4 WEG a.F. keinen Bedenken. Denn der Mehraufwand für eine weitere Eigentümerversammlung ist gerade bei einer größeren Gemeinschaft höher, so dass eine Vergütung von 700 EUR noch vom Ermessen der Wohnungseigentümer gedeckt ist. Ob darin ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB liegt, ist im Verfahren nach § 43 Nr. 4 WEG a.F. nicht zu prüfen (BGH, Versäumnisurteil v. 5.7.2019 – V ZR 278/17; ZWE 2020, 83 = ZMR 2020, 206).

III. Der Praxistipp

Die hier nochmals ausführlich dargelegten Positionen zur Kompetenzverlagerung auf den Verwalter sind mittlerweile obsolet. Denn nach § 27 Abs. 2 WEG können die Wohnungseigentümer die Rechte und Pflichten des Verwalters ohne weiteres durch Beschluss einschränken oder erweitern. Soweit der BGH seine Rechtsprechung fortführt, wonach Verstöße gegen § 307 Abs. 1 BGB im Verfahren nach § 43 Nr. 4 WEG a.F. nicht zu prüfen sind, bietet das neue Recht eine erhebliche Erleichterung. Nunmehr wird die Wohnungseigentümergemeinschaft nämlich gegenüber dem Verwalter vom Vorsitzenden des Verwaltungsbeirates oder einem durch Beschluss hierzu ermächtigten Wohnungseigentümer vertreten. Dieser kann somit eine Prüfung des Vertrages nach den Kriterien der §§ 305 ff. BGB vornehmen und Rückforderungen geltend machen.

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