Beitrag

Freiwillige Unterhaltszahlungen sind einzusetzendes Einkommen

§§ 114 Abs. 1 S. 1, 115 Abs. 1 S. 2, 118 Abs. 2 S. 1 und Abs. 2 S. 4 ZPO; § 142 Abs. 1 FGO

Auch freiwillige Zuwendungen eines gesetzlich nicht zum Unterhalt gegenüber dem Antragsteller verpflichteten Dritten sind nach dem weiten Begriffsverständnis des Einkommens gem. § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Prozessfinanzierung einzusetzen, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang erfolgen.

BFH, Beschl. v. 15.5.2024IX S 23/23 (PKH)
I.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte für ein vor dem BFH anhängiges Revisionsverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters beantragt. In ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gab die Klägerin an, sie beziehe neben einer bezifferten monatlichen Rente keine weiteren Einnahmen. Mit Ausnahme ihres geringfügigen Guthabens auf einem näher bezeichneten Konto und eines gebrauchten Pkw, dessen Verkehrswert sie angegeben hatte, verfüge sie über keine Vermögenswerte. Angaben zu etwaigen Wohnkosten machte die Klägerin nicht. Nachdem der BFH die Klägerin darauf hingewiesen hatte, ihre Angaben seien unvollständig, erläuterte diese ihre wirtschaftlichen Verhältnisse dahin, sie bestreite ihren Lebensunterhalt durch familiäre Unterstützung ihres Stiefsohnes. Beigefügt war eine schriftliche Bestätigung des Stiefsohnes, wonach dieser die Klägerin „laufend“ sowohl durch unentgeltliche Überlassung einer zu Wohnzwecken genutzten Immobilie als auch durch Barunterhalt „nach konkretem Bedarf“ unterstützte.

Der BFH hat den Antrag auf Bewilligung von PKH zurückgewiesen.

II.

Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe

1.Gesetzliche Grundlage

Gem. § 142 Abs. 1 FGO gelten im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Vorschriften der ZPO über die PKH sinngemäß. Nach dem somit einschlägigen § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erhält ein Verfahrensbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der um PKH nachsuchende Beteiligte neben seinem Einkommen gem. § 115 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO sein Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zu dem Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 115 Abs. 1 S. 2 ZPO). Hierbei orientiert sich der Gesetzgeber am sozialrechtlichen Einkommensbegriff i.S.v. § 82 Abs. 1 SGB XII. Der BFH hat darauf hingewiesen, dass hierzu auch geleisteter Unterhalt zählt und zwar unabhängig davon, ob die Leistungen rechtlich beansprucht werden können oder nicht.

Nach dem über § 142 Abs. 1 FGO entsprechend geltenden § 118 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO hat der um PKH nachsuchende Antragsteller auf Verlangen des Gerichts seine tatsächlichen Angaben glaubhaft zu machen. Hat er innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, lehnt das Gericht gem. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO die Bewilligung von PKH insoweit ab.

2.Die Umstände im Fall des BFH

In Anwendung dieser Maßstäbe lagen hier nach Auffassung des BFH für die Klägerin die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vor. Die Klägerin habe nämlich nicht glaubhaft gemacht, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außer Stande sei, die Kosten des anhängigen Revisionsverfahrens aufzubringen.

Dies hat der BFH damit begründet, die Klägerin, die trotz unentgeltlichem Wohnens keine auskömmliche Altersrente beziehe, habe nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, auf welche Weise sie ihren Lebensunterhalt finanziere. Der BFH hat darauf hingewiesen, dass auch freiwillige Zuwendungen des nicht nach den gesetzlichen Vorgaben der §§ 1601, 1589 Abs. 1 S. 1 BGB zum Unterhalt gegenüber der Kläger verpflichteten Stiefsohns nach dem weiten Begriffsverständnis des Einkommens gem. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Prozessfinanzierung einzusetzen sind, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang erfolgen. Dabei müssten zur Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Verhältnisse etwa eidesstattliche Versicherungen des Zuwendenden über Umfang und Grund der Unterstützungsleistungen vorgelegt werden.

Diesen Anforderungen genügte nach Auffassung des BFH weder das eigene Vorbringen der Klägerin noch die schriftliche Bestätigung ihres Stiefsohnes, die sich darin erschöpfe, Unterhalt nach „konkretem Bedarf“ der Klägerin zu zahlen. Es fehlten dem Senat nämlich jegliche Anhaltspunkte über die Höhe dieses Bedarfs sowie der Zahlungen. Folglich sei es nicht auszuschließen, dass Zahlungen in einer Höhe geleistet würden, die unter Einbeziehung des erklärten Einkommens, nämlich der Altersrente, die Bedürftigkeit der Klägerin i.S.v. § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO entfallen lasse.

Abschließend hat der BFH darauf hingewiesen, dass der Antrag der Klägerin, ihr im Wege der PKH gem. § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO einen Rechtsanwalt oder Steuerberater beizuordnen, ins Leere gehe, da schon der Antrag auf Bewilligung von PKH keinen Erfolg hatte.

III.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des BFH liegt auf der Linie der st. Rspr. des BGH (so BGH FamRZ 2019, 547 und BGH RVGreport 2018, 116 [Hansens] = NJW-RR 2018, 190). Die Praxis hat – wie die Entscheidung des BFH zeigt – nicht selten mit PKH-Anträgen zu tun, bei denen nicht hinreichend dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht wird, aus welchen Einkünften oder aus welchem Vermögen der um PKH nachsuchende Antragsteller sich überhaupt „über Wasser hält“. Der erst auf „Nachhaken“ des BFH nachgereichte Vortrag der Klägerin, sie bestreite ihren Lebensunterhalt durch familiäre Unterstützung ihres Stiefsohne, wozu auch die unentgeltliche Überlassung einer zu ihren eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie gehöre, war völlig unzureichend. Aus diesen Angaben ergab sich noch nicht einmal die Höhe der Zuwendungen.

Dass solche freiwilligen Zuwendungen eines gesetzlich nicht zum Unterhalt verpflichteten Dritten – hier des Stiefsohns – als Einkommen i.S.v. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO zu berücksichtigen sind, hat der BFH hier noch einmal bestätigt.

https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS-2024-9-019-426

RiLG VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…