Am 5.7.2024 haben mehrere Gesetze abschließend den Bundesrat passiert. Darin sind auch Änderungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) enthalten.
I. Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz
Zum einen ist das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz verabschiedet worden, das zur Änderung des § 10 RVG geführt hat.
1. Der neue Gesetzestext
§ 10 Abs. 1 S. 1 RVG wurde wie folgt neu gefasst (BT-Drucks 20/10943; BGBl 2024 I, Nr. 234.):
„Der Rechtsanwalt kann die Vergütung nur aufgrund einer von ihm oder auf seine Veranlassung dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung fordern; die Berechnung bedarf der Textform.“
2. Die Begründung des Entwurfs
In der Einleitung des Gesetzesentwurfs heißt es (BT-Drucks 20/10943.):
„Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) kann der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Seitens der Anwalt- und auch der Mandantschaft besteht ein Bedürfnis nach einer möglichst einfachen und barrierefreien elektronischen Übermittlung der Berechnung. Vor diesem Hintergrund soll für die Vergütungsberechnung künftig die Textform genügen, ohne dass damit jedoch Abstriche bei der Verantwortung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für die Rechnung verbunden sind.“
Zur Begründung führt der Entwurf weiter aus:
„Der Regelungsvorschlag trägt dem Wunsch der anwaltlichen Praxis Rechnung, die elektronische Übermittlung von Vergütungsberechnungen zu erleichtern. Derzeit erfordert dies den Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur, was vielfach als nicht praxistauglich angesehen wird. Daher soll für die Berechnung künftig die Textform genügen.
Die zivil-, straf- und standesrechtliche Verantwortung von Rechtsanwälten für die Richtigkeit der Vergütungsberechnung bleibt von der vorgeschlagenen Änderung unberührt. Dies kommt in der Formulierung zum Ausdruck, dass (nur) der Rechtsanwalt die Vergütung fordern kann und er die Mitteilung der Berechnung an den Auftraggeber veranlassen muss, sofern er sie nicht selbst vornimmt. Einer eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts unter die Berechnung soll es jedoch zur Dokumentation der Verantwortungsübernahme nicht mehr bedürfen.
Im Übrigen soll § 10 Absatz 1 Satz 1 RVG sprachlich dahin gehend modernisiert werden, dass das Wort „einfordern“ durch das Wort „fordern“ ersetzt wird. Eine Änderung der Rechtslage soll damit nicht verbunden sein.“
3. Die Auswirkungen der Neufassung
Die Neuregelung war überfällig. Bis jetzt musste der Anwalt dem Mandanten nach § 10 Abs. 1 RVG noch eine eigenhändig unterschriebene Rechnung zukommen lassen, also in der Form des § 126 BGB. Alternativ war die Übersendung per qualifizierter elektronischer Signatur möglich (§ 126a Abs. 1 BGB), wovon in der Praxis allerdings kaum Gebrauch gemacht wurde. In Zeiten der Digitalisierung – und vor allem Zeiten von beA – ist die bis jetzt geltende gesetzliche Regelung nicht mehr zeitgemäß gewesen. So ist es z.B. nicht möglich gewesen, im gerichtlichen Verfahren eine ordnungsgemäße Kostenrechnung nachzureichen (OLG Düsseldorf AGS 2022, 545 = MDR 2023, 63 u. 217 = JurBüro 2023, 22 = NJW 2023, 618 = zfs 2023, 104 = AnwBl 2022, 690 = NJW-Spezial 2023, 28.).
Während dies zu „Papier-Zeiten“ möglich war, indem eine eigenhändig unterschriebene Rechnung der für den Beklagten bestimmten Schriftsatzausfertigung beigefügt und diese dann dem Beklagten zugestellt werden konnte, ist dies seit der Einführung des beA nicht mehr möglich, da das Gericht dem Beklagten jetzt nur noch eine einfache Kopie per beA zustellt.
4. Die Verantwortung des Rechtsanwalts
Lange diskutiert wurde, wie bei der Übermittlung per Textform sichergestellt werden könne, dass der Anwalt die Verantwortung für die Rechnung trägt. Insoweit ist die anfängliche Fassung, wonach der Rechtsanwalt „die Vergütung nur aufgrund einer dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung“ sollte fordern können, dahingehend ergänzt worden, dass der Rechtsanwalt die Rechnung selbst verschickt oder deren Versand veranlasst haben muss. Damit bleibt es dabei, dass der Anwalt auch bei Übersendung in Textform die berufs- und strafrechtliche Verantwortung für den Inhalt seiner Rechnung übernimmt und hierfür zur Verantwortung gezogen werden kann.
5. Fordern
Die Neuregelung „fordern“ statt einfordern dient nur der sprachlichen Kosmetik. Inhaltlich sind damit keine Änderungen verbunden. Die Vergütung kann ohne Mitteilung einer ordnungsgemäßen Rechnung nicht eingeklagt werden Der Mandant braucht trotz Aufforderung die Vergütung nicht zu bezahlen und kann nicht in Zahlungsverzug geraten; eine Verzinsung kann nicht eintreten. Nach Auffassung des LAG Hamm (AGS 2016, 381.) ist eine Vergütungsforderung auch nicht abtretbar, solange keine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Eine Aufrechnung ist ebenfalls nicht möglich, solange keine Kostennote mitgeteilt worden ist (BGH AnwBl 1985, 257.). Auch die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an den Handakten vor Erteilung einer ordnungsgemäßen Kostenberechnung ist nicht zulässig (LG Mannheim AGS 2012, 324 = AnwBl 2013, 149 = NJW-Spezial 2012, 444 = ErbR 2012, 244 = RVGprof. 2012, 149 = RVGreport 2012, 414; RG JW 1890, 306.).
6. Inkrafttreten
Die Neuregelung ist am Tag nach der Verkündung des Gesetzes (16.7.2024) in Kraft getreten und gilt damit seit dem 17.7.2024. Da § 60 Abs.1 RVG insoweit nicht anwendbar ist, gilt die Vorschrift ab sofort, unabhängig davon, wann die Rechnung erstellt und wann die zugrunde liegende Vergütung fällig geworden ist.
II. Zweites Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes
Mit dem Zweiten Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (BT-Drucks 20/10942 u. 20/11307.), in dem die Regelungen im KapMuG geändert werden, werden auch diesbezügliche Regelungen im RVG aktualisiert und an die neuen Paragrafen angepasst. Inhaltlich ändert sich jedoch nichts.
1. Der neue Gesetzestext
In § 15 Abs. 5 S. 3 RVG wird jeweils die Angabe „§ 23“ durch die Angabe „§ 25“ ersetzt.
§ 41a RVG wird wie folgt geändert:
- In Abs. 1 S. 4 wird die Angabe „§ 8“ durch die Angabe „§ 10“ ersetzt.
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In Abs. 2 S. 2 wird die Angabe „§ 12“ durch die Angabe „§ 16“ ersetzt.
-
Abs. 3 wird wie folgt geändert:
- S. 3 wird aufgehoben.
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Der neue Satz 3 wird wie folgt gefasst:
„Die Mitteilung kann durch öffentliche Bekanntmachung im Musterverfahrensregister ersetzt werden.“
Anlage 1 (VV RVG) wird wie folgt geändert:
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In Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 Buchst. b) wird die Angabe „§ 20“ durch die Angabe „§ 22“ ersetzt.
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In Nr. 3338 VV wird im Gebührentatbestand die Angabe „§ 10 Abs. 2“ durch die Angabe „§ 13“ ersetzt.
2. Inkrafttreten
Die Änderungen treten am 1.1.2025 in Kraft.
III. Gesetz zur Modernisierung des Postrechts
1. Der neue Gesetzestext
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Postrechts (BT-Drucks 20/10283.) wird auch § 12a Abs. 2 S. 3 RVG an die neuen Postlaufzeiten angepasst (am „vierten“ Werktag). Gleiches gilt für Regelungen im GKG, FamGKG und GNotKG.
2. Inkrafttreten
Diese Änderungen treten am 1.1.2025 in Kraft.