Dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt steht gegen die Staatskasse ein Vorschussanspruch nur auf bereits entstandene Gebühren und nicht auch auf voraussichtlich entstehende Gebühren zu.
Sachverhalt
Das VG Münster hatte dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Dieser hat beantragt, ihm einen Vorschuss auf seine Vergütung gegen die Staatskasse festzusetzen. Soweit hier von Interesse hatte der Klägervertreter auch die Festsetzung eines Vorschusses für eine Terminsgebühr beantragt. In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren hatte noch kein Termin stattgefunden.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) des VG Münster hat deshalb den Vorschussantrag wegen der Terminsgebühr zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Klägervertreters hat das VG Münster zurückgewiesen. Die dagegen von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erhobene Beschwerde hatte beim OVG Münster ebenfalls keinen Erfolg.
1.Gesetzliche Regelung
Dem im Wege der PKH oder Verfahrenskostenhilfe (VKH) beigeordneten Rechtsanwalt steht gegen die Staatskasse gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG ein Anspruch auf Vorschuss zu. Dieser Vorschussanspruch erfasst die bereits entstandenen Gebühren und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen.
2.Verfahrensrechtliches
Der aus der Staatskasse zu gewährende Vorschuss wird auf Antrag des Rechtsanwalts gem. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG von dem UdG des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt. Gegen die Entscheidung des UdG über den Vorschussantrag ist – ebenso wie gegen die Entscheidung über die zu gewährende Vergütung – gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG die Erinnerung gegeben. Für das Verfahren über die Erinnerung verweist § 56 Abs. 2 S. 1 RVG auf bestimmte Vorschriften des § 33 RVG betreffend die Festsetzung des Gegenstandswertes. Gem. § 56 Abs. 2 S. 2 RVG ist das Verfahren über die Erinnerung gerichtsgebührenfrei. Nach S. 3 dieser Vorschrift werden Kosten nicht erstattet.
Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist gem. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG die Beschwerde gegeben. Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens erklärt diese Vorschrift die § 33 Abs. 3 bis 8 RVG für entsprechend anwendbar. Auch das Verfahren über die Beschwerde ist gem. § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 56 Abs. 2 S. 3 RVG).
Vorliegend hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers – erfolglos – gegen die ihm nachteilige Entscheidung des UdG Erinnerung und gegen die ebenfalls zu seinem Nachteil ergangene Entscheidung des VG Münster Beschwerde eingelegt, über die nunmehr das OVG Münster zu entscheiden hatte.
3.Kein Vorschuss auf voraussichtlich entstehende Gebühren
An sich ist die gesetzliche Regelung hinsichtlich des Vorschussanspruchs auf Gebühren eindeutig:
„Ein Vorschussanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse besteht nur für bereits entstandene Gebühren“ (OLG Jena RVGreport 2014, 423 [Hansens]; AG Koblenz AGS 2005, 352 m. Anm. N. Schneider).
Bei den Auslagen des beigeordneten Rechtsanwalts ist dies gesetzlich anders geregelt. Dort besteht ein Vorschussanspruch sowohl auf die entstandenen als auch die voraussichtlich entstehenden Auslagen.
Soweit das Gesetz in § 47 Abs. 1 S. 1 RVG dem beigeordneten Rechtsanwalt einen angemessenen Vorschuss zugesteht, besteht der Vorschussanspruch in voller Höhe der bisher entstandenen Gebühren und Auslagen und ggf. der voraussichtlich entstehenden Auslagen. Praktische Bedeutung hat die Regelung betreffend den angemessenen Vorschuss insbesondere bei Rahmengebühren, im Regelfall ist es angemessen, den Vorschuss i.H.d. Mittelgebühr zu bemessen, es sei denn, zum Zeitpunkt des Vorschussantrags sind schon Anhaltspunkte erkennbar, die die Bestimmung einer über die Mittelgebühr hinausgehenden Gebühr ermöglichen (BSG RVGreport 2018, 415 [Hansens] = AGS 2018, 290).
4.Terminsgebühr nicht entstanden
Das OVG Münster hat im Ergebnis die Auffassung des VG Münster geteilt, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers stehe ein Vorschussanspruch auf die noch nicht entstandene Terminsgebühr nicht zu. Auf die ferner vom VG Münster angestellten Erwägungen, es könne noch nicht hinreichend verlässlich beurteilt werden, ob künftig überhaupt eine Terminsgebühr entstehen könnte, kommt es nach Auffassung des OVG Münster nicht an.
Bedeutung für die Praxis
1.Vorschussanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts
a)Umfang des Vorschussanspruchs
Von der Möglichkeit, sich gegen die Staatskasse einen Vorschuss festsetzen zu lassen, machen beigeordnete oder bestellte Rechtsanwälte in Zivil-, Arbeits- und Verwaltungsgerichtssachen relativ selten Gebrauch. Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass so mancher Rechtsanwalt – wie hier auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers – mit der gesetzlichen Regelung nicht so recht vertraut ist. In Strafsachen kommt es hiergegen in der Praxis häufiger vor, dass Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse einen Vorschussanspruch geltend machen.
Der Vorschussanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts besteht nur hinsichtlich der bereits entstandenen Gebühren und der entstandenen Auslagen und der voraussichtlich entstehenden Auslagen, nicht hingegen hinsichtlich der voraussichtlich entstehenden Gebühren.
b)Darlegung der Voraussetzungen
Den Anfall der vom Vorschussanspruch erfassten Gebühren und Auslagen hat der Rechtsanwalt in seinem Vorschussantrag darzulegen. Ergibt sich der Anfall der entstandenen Gebühren und Auslagen aus den Gerichtsakten, reicht ein kurzer Hinweis hierauf aus. Werden entstandene Rahmengebühren als Vorschuss geltend gemacht, sollte der Rechtsanwalt kurz die für die Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Umstände vortragen. Bei den voraussichtlich entstehenden Auslagen ist ebenfalls näherer Vortrag erforderlich.
Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass auch bei noch nicht erfolgter Terminierung durch das Prozessgericht dem beigeordneten Rechtsanwalt schon eine Terminsgebühr angefallen ist. Nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV fällt die Terminsgebühr auch dem beigeordneten Rechtsanwalt für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind, an. Da sich dies den Gerichtsakten im Regelfall nicht entnehmen lässt, hat der beigeordnete Rechtsanwalt, der in einem solchen Fall einen Vorschussanspruch auch für die Terminsgebühr geltend macht, den Anfall der Terminsgebühr durch Schilderung der Einzelheiten dieser Besprechung gem. § 55 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 104 Abs. 2 ZPO vorzutragen und glaubhaft zu machen.
2.Exkurs: Vorschussanspruch gegen den Auftraggeber
a)Allgemeines
Der – nicht im Wege der PKH oder VKH beigeordnete – Rechtsanwalt kann von seinem Auftraggeber einen Vorschuss gem. § 9 RVG verlangen. Dieser umfasst – anders als der Vorschussanspruch des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse – sowohl die entstandenen als auch die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen. § 9 RVG bestimmt, dass der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber insoweit einen angemessenen Vorschuss fordern kann. Gleichwohl erfasst der Vorschussanspruch alle bereits entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen in voller Höhe (BGH AGS 2004, 145).
b)Besonderheiten bei Rahmengebühren
Besonderheiten bestehen lediglich bei Rahmengebühren. Bei diesen wird der Rechtsanwalt im Regelfall einen Vorschuss nicht im Umfang der Höchstgebühren anfordern können, wenn noch nicht absehbar ist, ob der tatsächliche Aufwand der Mandatserfüllung diese Gebührenhöhe rechtfertigt. Vielmehr wird der Rechtsanwalt im Normalfall als Vorschuss die Mittelgebühr anfordern und ggf. dann, wenn Umfang und Schwierigkeit und weitere Umstände zur Berechnung einer darüber hinaus gehenden Gebühr führen würden, einen weiteren Vorschuss anfordern (BGH, a.a.O.).
c)Anforderung des Vorschusses
Für die Anforderung des Vorschusses beim Auftraggeber bestimmt das RVG keine Form. Somit kann der Rechtsanwalt folglich von seinem Auftraggeber den Vorschuss in einem kurzen Anschreiben geltend machen. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich jedoch, den Vorschussanspruch aufzuschlüsseln, etwa wie in einer Vergütungsberechnung. Wie in § 10 Abs. 2 RVG bestimmt, sollte der Rechtsanwalt die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestandes und der Auslagen sowie die einschlägigen Nrn. des VV angeben. Berechnen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, sollte der Anwalt auch diesen angeben.
d)Beigeordneter Rechtsanwalt
Ist der Rechtsanwalt seinem Mandanten im Wege der PKH oder VKH beigeordnet, darf er gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einen Anspruch auf die Vergütung und damit auch einen Vorschussanspruch nach § 9 RVG gegen seinen Mandanten nicht geltend machen. Stattdessen hat der beigeordnete Rechtsanwalt gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG einen Vorschussanspruch gegen die Staatskasse.