Die Befriedungsgebühr bemisst sich bei einer Beendigung des Verfahrens im vorbereitenden Verfahren nicht nach Nr. 4104 VV, sondern danach, welches Gericht mit dem Verfahren befasst worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte.
Sachverhalt
Gegen den Beschuldigten und einen Mitbeschuldigten ist von der Polizei und der Staatsanwaltschaft wegen Totschlags ermittelt worden. Grundlage des Verfahrens waren Geschehnisse auf einem Parkplatz in Vechta. Der Beschuldigte ist von der Polizei über seine Rechte als Beschuldigter in einem Strafverfahren belehrt worden. Durch Verfügung vom 24.11.2020 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen „Totschlags und unerlaubten Führens einer Schusswaffe“ mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Später hat die Staatsanwaltschaft Nachermittlungen angestellt und das Verfahren gegen den Beschuldigten mit Verfügung vom 14.2.2022 erneut nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Verteidiger hat seine Gebühren abgerechnet und dabei auch eine Nr. 4141 VV geltend gemacht. Zur Höhe hat er ausgeführt, die „Höhe der Gebühren richte sich danach, vor welchem Gericht Anklage erhoben worden wäre“, Anklage wäre nach Ansicht des Verteidigers vor dem LG/Schwurgerichtskammer erhoben worden. Das AG hat „nur“ eine Gebühr für das „Ermittlungsverfahren“ festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Verteidigers hatte Erfolg.
Bemessung der Gebühr Nr. 4141 VV
Das AG hat die Gebühr Nr. 4141 VV i.H.d. Gebühr Nr. 4118 VV festgesetzt. Aus dem Wortlaut der Norm und aus der Begründung des Gesetzgebers ergebe sich, dass die Gebühr Nr. 4141 VV i.H.d. gerichtlichen Verfahrensgebühr anfalle, die entstehen würde, wenn Anklage erhoben worden wäre. Das AG bezieht sich auf einen Beschl. des LG Marburg v. 30. 11.2018 (AGS 2019, 61 = RVGreport 2019, 101 = JurBüro 2019, 247 = RVGprof. 2019, 121).
Bedeutung für die Praxis
1.Die Argumentation des LG Marburg
Das LG Marburg (a.a.O.) hatte in seiner Entscheidung mit dem Normzweck bzw. dem darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen, der sich aus der Begründung des KostRMoG (BT-Drucksache 15/1971, 227 f.) ergebe, argumentiert, was zutreffend ist: Danach soll mit der Schaffung der Befriedungsgebühr die intensive und zeitaufwändige Tätigkeit des Verteidigers honoriert werden, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führt. Deshalb soll ihm eine Zusätzliche Gebühr i.H.d. jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt werden. Die Befriedungsgebühr soll den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen und somit zu weniger Hauptverhandlungen führen. Anm. Abs. 3 zu Nr. 4141 VV soll demnach klarstellen, dass sich die Höhe der Gebühr nach der Instanz bemesse, in der die Hauptverhandlung entbehrlich geworden sei (BT-Drucksache 15/1971, 227 f.). Unter Berücksichtigung dieser Begründung hat sich auch die Lit. dieser Ansicht angeschlossen (Gerold/Schmitt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV Nr. 4141 Rn 49, Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., 2017, VV Nr. 4141 Rn 55; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4141 VV Rn 91 ff.) und geht davon aus, dass sich die Befriedungsgebühr bei einer Beendigung des Verfahrens im vorbereitenden Verfahren nicht nach Nr. 4104 VV bemisst. Denn darin läge keine äquivalente Kompensation des Verlusts der entgehenden Terminsgebühr. Der Anreiz, das Verfahren durch Mitwirkung des Verteidigers in einem frühen Stadium zu beenden, würde nicht geschaffen, sondern der Verteidiger würde durch die Festsetzung der geringeren Gebühr nach Nr. 4104 VV sogar „bestraft“, indem er eine geringere Gebühr erhält. Dass damit das Ziel, weniger Hauptverhandlungen durchführen zu müssen, nicht erreicht werden könne, liege auf der Hand. I.Ü. stehe auch die Differenz der streitigen Gebührentatbestände und die sich daraus für die Staatskasse ergebene Mehrbelastung in keinem Verhältnis zu den bei Durchführung einer Hauptverhandlung entstehenden Kosten, die, sofern der Angeklagte nicht verurteilt wird, ebenfalls der Staatskasse zur Last fallen. Die Verfahrensgebühr sei daher in diesen Fällen nach Nrn. 4106 ff. VV zu bemessen und richte sich danach, welches Gericht mit dem Verfahren befasst worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte.
2.Die Entscheidung des AG Oldenburg
Da hier der Verdacht des versuchten Totschlags Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gewesen ist, ist die vom AG vorgenommene Zuordnung zu Nr. 4118 VV im Hinblick auf eine voraussichtliche Verhandlung vor dem Schwurgericht nicht zu beanstanden. Der Bezirksrevisor hatte das in seiner Stellungnahme (natürlich) anders gesehen und auf offenbar entgegenstehende Rspr. anderer Gerichte verwiesen, die das AG aber leider nicht angeführt hat. Ich kenne diese – und ich habe einen recht guten Überblick – nicht. Es wäre daher schön gewesen, wenn das AG diese Rspr., schon, um sich mit der anderen Ansicht auseinander setzen zu können, zitiert hätte.