Häufig versuchen Urkundsbeamte im Nachhinein die Prozesskostenhilfe mit der Begründung zu kürzen, der Richter hätte übersehen, eine Beschränkung anzuordnen. Das VG Würzburg stellt klar, dass ein Urkundsbeamte keine dahingehende Kompetenz hat, sondern er an den Beschluss des Richters auch dann gebunden ist, wenn dieser Beschluss nicht hätte ergehen dürfen.
Hat der Richter einen auswärtigen Anwalt ohne Einschränkung beigeordnet, so sind dessen Reisekosten in voller Höhe aus der Landeskasse zu übernehmen. Der Urkundsbeamte ist an die uneingeschränkte Beiordnung gebunden, auch wenn diese nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Eine zu Unrecht erfolgte uneingeschränkte Beiordnung kann weder durch einen einschränkenden Beschluss des Richters noch durch eine Absetzung der Reisekosten korrigiert werden.
VG Würzburg, Beschl. v. 18.3.2021 – W 8 M 20.31222
I.Sachverhalt
Der auswärtige Anwalt war im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren beigeordnet worden, ohne dass eine Einschränkung hinsichtlich seiner Reisekosten ausgesprochen wurde. Nach Abschluss des Verfahrens meldete er seine Reisekosten zur Festsetzung an. Der Urkundsbeamte hat die Reisekosten antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen hat der Bezirksrevisor Erinnerung erhoben und geltend gemacht, dass eine uneingeschränkte Beiordnung des Anwalts nicht zulässig gewesen sei. Er hätte allenfalls zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt beigeordnet werden dürfen. Daher seien die Reisekosten bei der Festsetzung auf diese Höhe zu beschränken. Die Erinnerung hatte keinen Erfolg.
II.Beschluss ist maßgebend
Der Richter hatte in seinem Beschluss den Anwalt beigeordnet und keine Einschränkungen ausgesprochen. Ob hier eine Beschränkung auf die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts geboten gewesen wäre, kann dahinstehen, da eine solche Einschränkung jedenfalls nicht vorgenommen worden ist. Eine solche Einschränkung kann auch nicht mehr nachträglich vorgenommen werden. Ebenso wenig ist der Urkundsbeamte berechtigt, sich über den Beschluss des Richters hinweg zu setzen und vermeintliche Fehler im Wege der Vergütungsfestsetzung bzw. Vergütungsabsetzung zu korrigieren.
Hier kam hinzu, dass durchaus gute Gründe dafür bestanden, den auswärtigen Anwalt zu beauftragen.
III.Bedeutung für die Praxis
1.Bindung des Urkundsbeamten
Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht einhelliger Rspr.
Es ist Sache des Richters, darüber zu befinden, in welchem Umfang der Anwalt beigeordnet wird. Der Urkundsbeamte hat sich an die Beschlüsse zu halten (§ 48 Abs. 1 RVG). Hat der Richter einen Anwalt zu Unrecht ohne Einschränkung beigeordnet, dann muss die Landeskasse die sich daraus ergebende Vergütung zahlen. Die Landeskasse hat weder ein Recht, sich gegen die zu weit gehende Beiordnung zu wehren, noch im Rahmen der Vergütungsfestsetzung eventuelle Fehler im Bewilligungsverfahren zu korrigieren (ebenso KG AGS 2010, 612 = JurBüro 2011, 94 = MDR 2011, 327 = Rpfleger 2011, 217 = FamRZ 2011, 835 = NJW-Spezial 2010, 764 = RVGreport 2011, 118; OLG Düsseldorf AGS 2014, 196 = NJW-Spezial 2014, 253).
Umgekehrt verhält es sich ebenso. Ist ein Anwalt zu Unrecht eingeschränkt beigeordnet worden, dann ist er in der Vergütungsfestsetzung daran auch gebunden. Er hat allerdings die Möglichkeit, sich gegen eine zu Unrecht beschränkte Wertfestsetzung zu wehren. Insoweit ist die Beschwerde nach § 127 ZPO eröffnet, die allerdings innerhalb eines Monats erhoben werden muss.
2.Bindungswirkung auch in anderen Fällen
Eine Bindungswirkung besteht auch in anderen Fällen. Hat der Richter einen Anwalt in mehreren parallelen Verfahren beigeordnet, dann darf der Anwalt auch jeweils gesondert abrechnen. Wird für mehrere gesondert eingeleitete Verfahren jeweils Verfahrenskostenhilfe bewilligt, so sind dem beigeordneten Rechtsanwalt die Vergütungen in den einzelnen Verfahren gesondert festzusetzen und auszuzahlen. Der Urkundsbeamte ist nicht berechtigt, im Festsetzungsverfahren nachträglich zu prüfen, ob die getrennte Rechtsverfolgung mutwillig war (OLG Hamm AGS 2017, 141 = AnwBl 2017, 95 = FamRZ 2017, 469 = NZFam 2017, 33 = RVGreport 2017, 99 = NJW-Spezial 2017, 187). Wenn eine Verfahrenskostenhilfebewilligung für getrennte Verfahren erfolgt ist, dann kann ein Verstoß gegen den Grundsatz kostensparender Verfahrensführung mit der Folge einer Gebührenkürzung nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (OLG Bremen AGS 2015, 337 = NZFam 2015, 770 = RVGreport 2015, 339).
https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS-2022-03-009-115
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen