Das AG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob einem Inkassounternehmen auch im Falle der Eigenvertretung eine 0,3-Verfahrensgebühr für das Zwangsvollstreckungsverfahren als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung zusteht.
Ein Inkassounternehmen kann Kosten für eine Zwangsvollstreckung ansetzen, auch wenn es selbst Inhaberin der beizutreibenden Forderung ist.
AG Duderstadt, Beschl. v. 22.7.2021 – 12 M 403/21
I.Sachverhalt
Ein zugelassenes Inkassounternehmen beauftragte einen Gerichtsvollzieher mit der Beitreibung einer eigenen bzw. an das Inkassounternehmen abgetretenen Forderung und machte für den Vollstreckungsauftrag eine Vertretungsgebühr für das Zwangsvollstreckungsverfahren i.H.v. 18,00 EUR (analog Nr. 3309 VV) als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung geltend. Der Gerichtsvollzieher weigerte sich, diese Kosten mit beizutreiben. Hiergegen legte die Gläubigerin Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO ein, welcher der Gerichtsvollzieher nicht abgeholfen hat. Das AG hielt die Erinnerung für zulässig und begründet.
II.Der Umstand, dass die Gläubigerin als Inkassounternehmen selbst Inhaberin der beizutreibenden Forderung ist, schließt den Erstattungsanspruch nicht aus
Bei der Gläubigerin handelt es sich um einen zugelassenen Rechtsdienstleister i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG. Dieser ist zur Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO berechtigt. § 4 Abs. 4 RDGEG umfasst den Begriff der Vertretung sowohl im Bereich der Fremd- als auch Eigenvertretung. Der Wortlaut der Vorschrift des § 4 Abs. 4 RDGEG lässt eine Beschränkung auf eine Fremdvertretung nicht zu. Somit liegen die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 4 Abs. 4 RDGEG vor.
Auch die Notwendigkeit dieser Kosten ist zu bejahen, welche der Höhe nach die einem Rechtsanwalt geschuldete Vergütung nach RVG nicht übersteigen darf. Die Vertretungsgebühr ist auch in Fällen der Eigenvertretung notwendig i.S.d. § 788 ZPO und verweist die Bestimmung im Hinblick auf die Notwendigkeit auf § 91 ZPO. Gem. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO sind dem Rechtsanwalt, der in eigener Sache tätig wird, die Gebühren und Auslagen ebenso wie einem bevollmächtigten Rechtsanwalt zu erstatten. Aufgrund der Verweisungskette der § 4 Abs. 4 RDGEG, §§ 788, 91 ZPO ist diese Regelung auch auf Inkassodienstleister anzuwenden, zumal es Absicht des Gesetzgebers war, Inkassodienstleister in definierten Tätigkeitsfeldern Rechtsanwälten möglichst gleichzustellen. Auch eine Schlechterstellung auf Seiten des Schuldners ist nicht erkennbar, da das Inkassounternehmen keine höheren Kosten verlangen kann, die bei der gleichen Tätigkeit durch einen Rechtsanwalt entstanden wären. I.Ü. hat der Schuldner aufgrund seines Zahlungsverzugs den Anlass zur Forderungsabtretung seines ursprünglichen Gläubigers an das Inkassounternehmen selbst herbeigeführt.
III.Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist zutreffend und schließt sich den bereits ergangenen Entscheidungen, insbesondere der Entscheidung des LG Darmstadt (AGS 2017, 301 = DGVZ 2017, 93 = zfm 2017, 203 = Vollstreckung effektiv 2017, 109 = RVGreport 2017, 480 = FoVo 2017, 235) an. Hinzu kommt, dass die Entscheidung bereits die Rechtslage seit 1.10.2021 durch das Gesetz zum Verbraucherschutz im Inkassorecht vorwegnimmt, wonach dort die Gleichstellung von Rechtsanwälten und Inkassounternehmen im Bereich der Inkassodienstleistung konsequent fortgeschrieben wird. Von daher wäre es geradezu widersinnig, anerkanntermaßen einem Rechtsanwalt im Falle der Eigenbeitreibung die Vertretungsgebühr zuzusprechen, währenddessen man dem Inkassounternehmen für exakt die gleiche Tätigkeit dies nicht zubilligen möchte. Nachdem auch in der Praxis vielfach der Bereich der Zwangsvollstreckung durch Rechtsanwälte an Inkassounternehmen ausgelagert werden oder titulierte Honorarforderungen gänzlich dorthin abgetreten werden, ist diese Entscheidung ebenfalls sehr zu begrüßen.
https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS202110r0004
Gepr. Rechtsfachwirt Harald Minisini, Aidenbach