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Unterhaltsregress bei Bezug von Pflegegeld

1. Die Rücknahme des Antrags im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren auf Durchführung des streitigen Verfahrens kann als Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags ausgelegt werden.

2. § 7a UVG steht der gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen durch den UVG-Leistungsträger entgegen, wenn der in Anspruch genommene Elternteil neben SGB II-Leistungen lediglich noch Einkünfte für erbrachte häusliche Pflegeleistungen aus dem von der zu pflegenden Person erhaltenen Pflegegeld bezieht und die Pflege ihren Grund in einer anzuerkennenden sittlichen Pflicht hat. Dies kann bei der Pflege des Elternteils des eigenen Lebensgefährten der Fall sein.

OLG Bamberg, Beschl. v. 19.7.20242 UF 43/24 e

I. Der Fall

Der Antrag auf Zahlung übergegangener Ansprüche auf Kindesunterhalt ist im Beschwerdeverfahren zurückgenommen worden. Gründe, die Antragsgegnerin ganz oder teilweise mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, sind nicht gegeben.

Der Antrag auf Zahlung gemäß § 7 UVG übergegangener Ansprüche auf Kindesunterhalt vom 10.2.2023 ist im Beschwerdeverfahren zurückgenommen worden. Die mit Schriftsatz vom 20.6.2024 beim Beschwerdegericht eingereichte Erklärung des Antragstellers, den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens vom 27.6.2023 zurückzunehmen, ist als Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags vom 10.2.2023 auszulegen. Beim vereinfachten Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder und dem auf Antrag durchzuführenden streitigen Verfahren handelt es sich um ein einheitliches Verfahren, dessen Rechtshängigkeit sich mit der Zustellung des Festsetzungsantrags ergibt (vgl. § 255 Abs. 3 FamFG). Eine Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens ist damit nicht möglich. Der mit Verfügung des Beschwerdegerichts vom 24.6.2024 angekündigten Auslegung der Erklärung der Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens als Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags vom 10.2.2023 ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.

Die Antragsgegnerin hat der Antragsrücknahme mit Schriftsatz vom 27.6.2024, eingegangen beim Beschwerdegericht am selben Tag, zugestimmt. Damit ist der Antrag wirksam zurückgenommen worden. Das Verfahren ist als nicht anhängig geworden anzusehen. Der angefochtene Endbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bamberg vom 7.2.2024 ist wirkungslos geworden.

II. Die Entscheidung

Kostenhaftung des Antragstellers

Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 27.6.2024 sind dem Antragsteller gemäß §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Es gilt der Grundsatz der Kostenhaftung des Antragstellers bei Antragsrücknahme. Der Ausnahmefall einer ganz oder teilweisen Kostenhaftung der Antragsgegnerin aus einem anderen Grund nach §§ 68 Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 3 S. 2 2. HS ZPO ist auf prozessuale Kostenerstattungsansprüche beschränkt und hier nicht gegeben.

Keine Antragsrücknahme wegen Erledigung vor Rechtshängigkeit

Eine Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ist nicht zu treffen, da keine Antragsrücknahme wegen Erledigung vor Rechtshängigkeit vorliegt. Die Regelung des § 7a UVG, welcher vorliegend einschlägig ist (vgl. Verfügung des Beschwerdegerichts vom 7.5.2024), ist bereits zum 1.7.2017 in Kraft getreten. § 7a UVG steht vorliegend schon vor der Anhängigkeit und seither durchgehend der Geltendmachung der übergegangenen Unterhaltsansprüche entgegen. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin steht diese seit Beginn des Unterhaltszeitraums durchgehend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II ohne weiteres zu berücksichtigendes Einkommen. Die seitens der Antragsgegnerin für die gewährte häusliche Pflege als Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten erhaltenen Leistungen der Mutter ihres Lebensgefährten sind im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-VO nicht als Einkommen zu qualifizieren. Die Antragsgegnerin bezieht insoweit durch die Finanzierung der häuslichen Einkäufe seitens der pflegebedürftigen Person Einkommen aus deren Pflegegeldbezug. Die Pflegeleistungen werden vorliegend aufgrund einer anzuerkennenden engen persönlichen Beziehung im Rahmen einer bestehenden sittlichen Pflicht erbracht, weshalb die daraus resultierenden Einnahmen gem. § 3 Nr. 36 EStG einkommensteuerfrei und nach §§ 7a UVG, 11 Abs. 1 S. 1 SGB II, 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-VO kein neben dem Bürgergeldbezug zu berücksichtigendes Einkommen sind. Der Festsetzungsantrag vom 10.2.2023 bezüglich übergegangener Unterhaltsansprüche ab dem 15.11.2021 ist daher von Anfang an unbegründet gewesen.

Ob der Antragsteller die Auslegung des § 7a UVG als Titulierungshindernis, nicht nur als Vollstreckungshindernis, wie vom Bundesgerichtshof erst mit Beschl. v. 31.5.2023 entschieden bei Verfahrenseinleitung kennen konnte, ist daher unerheblich.

III. Der Praxistipp

Das OLG Bamberg hat sich im Rahmen dieser Entscheidung zumindest mittelbar mit der Frage auseinanderzusetzen, wie sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen der Unterhaltsschuldnerin ermittelt.

Diese bezieht Leistungen nach dem SGB II ohne weiteres zu berücksichtigendes Einkommen. Sie erbringt Pflegeleistungen für die Mutter ihres Lebensgefährten. Der in diesem Zusammenhang gewährte Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten ist im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-VO nicht als Einkommen zu qualifizieren. Schließlich erbringt die Unterhaltsschuldnerin diese Pflegeleistungen aufgrund einer anzuerkennenden engen persönlichen Beziehung im Rahmen einer bestehenden sittlichen Pflicht. Konsequenterweise sind die daraus resultierenden Einnahmen gemäß § 3 Nr. 36 EStG einkommensteuerfrei und nach §§ 7a UVG, 11 Abs. 1 S. 1 SGB II, 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-VO kein neben dem Bürgergeld-Bezug zu berücksichtigendes Einkommen.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Vorschrift des § 7a UVG durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz vom 23.10.2004 zum 1.1.2025 ersatzlos aufgehoben worden ist.

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