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Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger beim Elternunterhalt und hohem Einkommen des Unterhaltsschuldners

1. Die Erklärung eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Kindes, es sei für die Zahlung von Elternunterhalt unbeschränkt leistungsfähig, widerlegt nicht die gesetzliche Vermutung des § 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII, dass das Einkommen des Kindes der Sozialhilfebezieher die Jahres Einkommensgrenze des §§ 94a Abs. 1a S. 1 SGB XII nicht überschreitet.

2. Die unbeschränkte Leistungsfähigkeit kann sich unterhaltsrechtlich auch aus vorhandenem Vermögen ergeben.

3. Für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Nichtüberschreitens der Jahreseinkommensgrenze bedarf es eines Vortrags des Sozialhilfeträgers zum Einkommen des Kindes.

4. Die pauschale Behauptung des Sozialhilfeträgers, das Kind verfüge im Unterhaltszeitraum über ein Jahresbruttoeinkommen im Sinne des § 16 SGB IV von mehr als 100.000 EUR, führt beim Elternunterhalt zum Anspruchsübergang gemäß § 94 Abs. 1 Abs. 1A SGB XII, wenn dem das Kind nicht – zumindest pauschal – entgegentritt, weil dann eine unstreitige Tatsache vorliegt.

OLG Bamberg, Beschl. v. 26.9.20242 UF 70/24

I. Der Fall

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind Unterhaltsansprüche des Vaters des Antragsgegners, die wegen gewährter Hilfe zur stationären Pflege auf den Antragsteller als Sozialleistungsträger übergegangen sein sollen.

1. Der am … geborene und am … verstorbene V ist der Vater des Antragsgegners. V erhielt ab 14.5.2018 für die Kosten seiner Unterbringung in einem Pflegeheim Hilfe zur stationären Pflege nach dem SGB XII durch den Antragsteller. V litt unter Einschränkungen der Mobilität sowie unter Depressionen und Antriebslosigkeit und war von Verwahrlosung bedroht. Er hatte mehrere Suizidversuche unternommen. Ab dem 1.1.2019 war er in Pflegegrad 2 eingestuft, zuvor ab Oktober 2010 in Pflegestufe 1.

Mit Schreiben vom 26.3.2019 informierte der Antragsteller den Antragsgegner über den Übergang gesetzlicher Unterhaltsansprüche seines Vaters gemäß § 94 SGB XII bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen. Er forderte den Antragsgegner zur Auskunftserteilung über sein Einkommen und Vermögen zur Berechnung eines eventuellen Unterhaltsbeitrags auf. Dem Auskunftsersuchen kam der Antragsgegner nicht nach. Vielmehr erklärte er sich mit Schreiben vom 14.8.2019 für unbeschränkt leistungsfähig. Mit Antragsschrift vom 10.12.2020 an das Amtsgericht – Familiengericht – Obernburg am Main, dem Antragsgegner zugestellt am 21.12.2020, hat der Antragsteller den Antragsgegner auf Zahlung übergegangenen Unterhalts in Anspruch genommen.

2. Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, dass sein Vater nicht pflegeheimbedürftig sei, so dass ein Unterhaltsanspruch mangels Bedürftigkeit nicht bestehe und damit auch nicht auf den Antragsteller übergegangen sei. Die Mobilitätseinschränkungen nach Pflegegrad 2 ließen sich durch häusliche Pflege abdecken. Depression, Antriebslosigkeit und Suizidgefahr seien medizinische Bedarfe, welchen durch Medikamente im häuslichen Bereich bzw. durch Einweisung in ein Krankenhaus für Psychiatrie zu begegnen sei. Sie stellten keine unterhaltsrechtliche Bedarfsposition dar, für die der Antragsgegner hafte. Der Unterhaltsbedarf sei auf das angemessene Maß beschränkt. Der Bedarf nach einer 24-Stunden-Betreuung sei nicht gegeben. Die häusliche Pflege des Vaters könne kostenneutral erfolgen, was insbesondere mit Schriftsatz vom 2.7.2021 dargestellt worden ist. Ferner hat der Antragsgegner auf die veränderte Rechtslage seit dem 1.1.2020 durch Inkrafttreten des Angehörigenentlastungsgesetzes hingewiesen. Seitdem streite außerdem die gesetzliche Vermutung aus § 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII für ihn, dass er kein jährliches Gesamteinkommen von mehr als 100.000 EUR habe, so dass auch aus diesem Grund kein Anspruch übergegangen sei. Die Vermutung habe der Antragsteller nicht widerlegt. Aus seiner Erklärung vom 14.8.2019, unbeschränkt leistungsfähig zu sein, folge nicht, dass er über ein Einkommen von mehr als 100.000 EUR im Jahr verfüge. Er könne anderweitig, durch Aufnahme eines Darlehens oder aus Vermögen, leistungsfähig sein. Die Erklärung habe sich auf die bis 31.12.2019 geltende Rechtslage bezogen.

3. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller ab dem 1.12.2020 bis 30.6.2023 einem monatlichen laufenden Unterhalt i.H.v. 822,58 EUR und rückständigen Unterhalt i.H.v. 15.871,35 EUR für seinem Vater zu bezahlen.

Das Amtsgericht hat seine Entscheidung mit einem Anspruch des Antragstellers aus §§ 1601, 1603 BGB i.V.m. § 94 SGB XII begründet. Es komme nicht darauf an, ob für den Zeitraum ab 1.1.2020 die Vermutungsregel des § 94 Abs. 1a SGB XII greife. Zwar habe der darlegungs- und beweisbelastete Antragsteller nicht ausreichend vorgetragen, dass das Einkommen des Antragsgegners 100.000 EUR brutto pro Jahr übersteige. Jedoch sei unstreitig, dass der Antragsgegner unbeschränkt leistungsfähig sei. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Feststellung zur Vermutungsregel. Vielmehr hätte sich der Antragsgegner substantiiert damit verteidigen müssen, dass sein Bruttoeinkommen diese Einkommensgrenze unterschreite. Die stationäre Maßnahme beim Vater des Antragsgegners sei medizinisch-pflegerisch notwendig gewesen. Dies habe der Sachverständige P nachvollziehbar dargelegt. Das Gericht schließe sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Die depressive Erkrankung des Vaters des Antragsgegners sei dem Vater nicht vorwerfbar, so dass er berechtigt stationäre Pflege in Anspruch genommen habe. Das Gericht sei nicht gehalten, Feststellungen zum Einkommen des Antragsgegners zu treffen. Aufgrund der Erklärung des Antragsgegners als unbeschränkt leistungsfähig sei davon auszugehen, dass die angemessenen Selbstbehalte der Jahre 2019 bis 2023 jeweils nicht unterschritten worden seien.

II. Die Entscheidung

Das OLG Bamberg hält das Rechtsmittel für zulässig, aber unbegründet. Es führt folgendes aus:

Die Beschwerde bleibt jedoch ohne Erfolg und ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Auf den Hilfsantrag des Antragstellers aus dem Schriftsatz vom 22.8.2024 kommt es nicht an, da er mit seinem Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, Erfolg hat.

Der Antragsgegner ist dem Antragsteller aus übergegangenem Recht in Höhe der für den Vater des Antragsgegners für dessen stationäre Pflege aufgewendeten Leistungen zur Unterhaltszahlung verpflichtet.

Sachverständigengutachten

1. Soweit der Antragsgegner den Bedarf seines Vaters für stationäre Pflege in Abrede stellt und meint, ein Unterhaltsanspruch sei mangels Bedürftigkeit seines Vaters und mangels Angemessenheit der Heimunterbringung nicht entstanden und habe damit auch nicht auf den Antragsteller übergehen können, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr belegt das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten den Pflegebedarf des Vaters des Antragsgegners in einer stationären Einrichtung, was auch unterhaltsrechtlich beachtlich ist. Denn gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten. Der Einholung des vom Antragsgegner beantragten psychiatrischen Gutachtens bedurfte es nicht.

Der Vater des Antragsgegners war seit Januar 2019, mithin im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum, in Pflegegrad 2 eingestuft, was einer erheblichen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten entspricht (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). In die Einstufung der Pflegegrade fließt mit 10 Prozent der Bereich „Mobilität“ ein, mit 15 Prozent der Bereich „kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“, mit 40 % der Bereich „Selbstversorgung“, mit 20 Prozent der Bereich „Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen“ und mit weiteren 15 Prozent der Bereich „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“. Die Depressionserkrankung des Vaters des Antragsgegners mit der daraus resultierenden Antriebslosigkeit, Suizidalität und Verwahrlosungstendenz ist damit unter den Aspekten „psychische Problemlagen“ und „Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen“ in die Bemessung des pflegerischen Bedarfs eingeflossen.

Häusliche Pflege

Ausweislich des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens vom 3.12.2021 konnte eine häusliche Pflege des Vaters des Antragsgegners nicht kostenneutral sichergestellt werden, wie vom Antragsgegner behauptet. Vielmehr hat der Sachverständige ausgeführt, dass die nach dem SGB XI bewilligungsfähigen Pflegesachleistungen von monatlich 689 EUR bei Pflegegrad 2 lediglich zur Abdeckung der „schnellen“ morgendlichen Körperpflege mit einem Zeitaufwand von maximal 20 Minuten ausgereicht hätten. Der weiterhin zustehende Entlastungsbetrag von 125 EUR nach § 45b SGB XI hätte die Reinigung der Wohnung nur alle 14 Tage sichergestellt. Durch Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V hätte ferner die Medikamentengabe gewährleistet werden können. Alles andere wäre privat zu finanzieren gewesen, nämlich Hilfe beim Einkaufen, Wäsche machen, Begleitung zu Ärzten, Therapeuten sowie das Sicherstellen regelmäßiger Mahlzeiten sowie die abendliche Körperpflege. Damit trifft nicht zu, dass mit der Pflegesachleistung von 689 EUR bei Pflegegrad 2 im Jahr 2021 sämtlicher pflegerische Bedarf eines häuslich untergebrachten Berechtigten hätte abgedeckt werden können, wie vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 2.7.2021 behauptet. Lediglich der Einsatz eines ambulanten Pflegedienstes im Umfang von 20 Minuten täglich hätte damit nach der unwidersprochenen Darlegung des Sachverständigen sichergestellt werden können, was dem Zeitaufwand für die morgendliche Körperpflege entspricht. Ausgehend von einer monatlichen Rente des Vaters des Antragsgegners von 1.200 EUR netto verbleibt nach Abzug der dort weiter veranschlagten monatlichen Kosten von 508,40 EUR für die Warmmiete und 459 EUR für drei gelieferte Mahlzeiten täglich ein Betrag von 232,60 EUR. Damit hätten im Jahr 2021 bei Geltung eines Mindestlohnes von 9,50 EUR bzw. ab 1.7.2021 9,60 EUR Unterstützungsleistungen von unter sechs Stunden wöchentlich bezahlt werden können. Dieser Zeitaufwand reicht jedoch nicht aus, um die vom Sachverständigen als privat zu finanzierenden Hilfen wie oben aufgeführt zu gewährleisten. So umfasst etwa das Sicherstellen regelmäßiger Mahlzeiten bei einem depressiven, antriebslosen Menschen wie dem Vater des Antragsgegners nicht nur deren Lieferung dreimal am Tag. Vielmehr ist durch eine Betreuungsperson auch die Aufnahme der Mahlzeiten sowie der anschließende Abwasch des Geschirrs sicherzustellen. Dies allein ist mit mindestens 20 Minuten dreimal täglich zu veranschlagen, somit täglich eine Stunde, was sich pro Woche auf sieben Stunden summiert. Allein dies hätte das Resteinkommen des Vaters des Antragsgegners aufgezehrt, ohne dass die vom Sachverständigen ferner aufgezeigten umfangreichen offenen Aufwandspositionen abgedeckt worden wären.

Heimunterbringung

Das eingeholte Gutachten hat zudem die Heimunterbringung des Vaters des Antragsgegners vor allem aufgrund der Depressionserkrankung mit teilweiser völliger Antriebsminderung, der mehrfachen Suizidversuche und des zunehmenden pflegerischen Bedarfs für unumgänglich erachtet. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Depressionserkrankung des Vaters des Antragsgegners war vor Beginn seines Heimaufenthalts medikamentös eingestellt worden. Der Suizidalität des Vaters des Antragsgegners, die trotzdem fortbestanden und zu weiteren Suizidversuchen geführt hat, konnte nur wirksam durch eine Heimunterbringung begegnet werden, um weiteren Suizidversuchen entgegenzuwirken bzw. im Falle eines solchen die Notfallversorgung und Krankenhauseinweisung sicherzustellen.

Eine 24 Stunden umfassende Betreuung des Vaters des Antragsgegners war damit unumgänglich. Der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht. Denn die psychiatrische Diagnose einer Depression mit Suizidneigung stand fest und ist – wie oben aufgezeigt – in die Bemessung des Pflegebedarfs eingeflossen und damit taugliche Beurteilungsgrundlage für den erstinstanzlich beauftragten Pflegesachverständigen gewesen.

Notwendigkeit einer Heimunterbringung

Die Notwendigkeit einer Heimunterbringung gehörte damit buchstäblich zum Lebensbedarf des Vaters des Antragsgegners. Sie war damit vom angemessenen Unterhalt gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst. Die Kosten der Heimunterbringung konnte der Vater des Antragsgegners aus eigenen Mitteln und Mitteln der Pflegeversicherung nicht decken. Vielmehr musste der Antragsteller auf Antrag des Vaters des Antragsgegners den ungedeckten Bedarf durch Leistungen zur stationären Pflege (vgl. § 65 SGB XII) übernehmen. Auf die Berechnungen des Sozialhilfeaufwands des Jahres 2019 und ab dem 1.1.2020 in der Antragsschrift, S. 5 und 6, wird Bezug genommen. Diese haben für den Zeitraum März bis einschließlich Dezember 2019 insgesamt 6.822,97 EUR betragen sowie ab dem 1.1.2020 monatlich 822,58 EUR. Die gewährten Leistungen sind unbestritten. Der Vater des Antragsgegners war damit unterhaltsbedürftig gemäß § 1602 Abs. 1 BGB und anspruchsberechtigt gegenüber dem Antragsgegner, seinem Sohn, aus § 1601 BGB.

Übergang des Unterhaltsanspruchs

2. Der Unterhaltsanspruch des Vaters des Antragsgegners ist gemäß § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII für die Dauer der Leistungserbringung bis zur Höhe der erbrachten Leistungen auf den Antragsteller übergegangen.

Für die Zeit ab 1.1.2020, dem Inkrafttreten des § 94 Abs. 1a SGB XII, ergibt sich nichts anderes. Zwar bestimmt § 94 Abs. 1a S. 1 bis 3 SGB XII folgendes: Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100.000 EUR (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Jedoch ist mittlerweile unstreitig, dass der Antragsgegner im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über ein Einkommen von mehr als 100.000 EUR pro Jahr verfügte, so dass der Übergang von Unterhaltsansprüchen auch für den Zeitraum ab 1.1.2020 erfolgt ist. Gemeint ist damit ein Einkommen im Sinne der §§ 94 Abs. 1a SGB XII, 16 SGB IV, also ein zu versteuerndes Gesamteinkommen des Antragsgegners.

Einkommen über 100.000 EUR jährlich

Durch die Behauptung des Antragstellers im Schriftsatz vom 22.8.2024, dass der Antragsgegner im verfahrensgegenständlichen Zeitraum jeweils ein Einkommen über 100.000 EUR jährlich gehabt habe, und dem – trotz Hinweis des Senats im Termin vom 12.9.2024 – unterbliebenen Bestreiten des Antragsgegners gilt die Behauptung als zugestanden (vgl. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 138 Abs. 2 und 3 ZPO). Die Behauptung des Antragstellers mag ins Blaue hinein erfolgt sein, da ohne tatsächliche Anhaltspunkte jedenfalls für die relevanten Jahre 2020 bis 2023 aufgestellt. Allerdings hat sich ein Beteiligter nach den o.g. Regeln der ZPO zu jeder Tatsachenbehauptung zu erklären. Tut er dies – wie vorliegend – nicht, gilt die Behauptung als zugestanden und es liegt unstreitiger Vortrag vor. Zu unstreitigem Vortrag stellt sich die Frage einer Behauptung ins Blaue hinein jedoch nicht. Vielmehr ist dies allein bei streitigem Vortrag für die Frage des Eintritts in eine Beweisaufnahme relevant. Ebenso kommt es bei unstreitigem Vortrag nicht auf Vermutungsregeln wie der aus § 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII an. Hätte der Antragsgegner die Behauptung des Antragstellers aus dem Schriftsatz vom 22.8.2024 zu seinem Jahreseinkommen zumindest pauschal bestritten, was freilich nur im Rahmen der prozessualen Wahrheitspflicht (vgl. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 138 Abs. 1 ZPO) statthaft ist, wäre es Aufgabe des für den Anspruchsübergang darlegungs- und beweisbelasteten Antragstellers gewesen, die für den Antragsgegner sprechende Vermutung des § 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII eines die Jahreseinkommensgrenze von 100.000 EUR nicht übersteigenden Einkommens zu widerlegen. Hierauf kommt es vorliegend mangels Bestreitens jedoch nicht an.

Damit ist der erstinstanzliche Streit, ob die Erklärung des Antragsgegners, unbeschränkt leistungsfähig zu sein, die Vermutungsregel des § 94 Abs. 1a SGB XII widerlegt habe, verfahrensmäßig überholt. Der dies bejahenden Auffassung des Amtsgerichts kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn die Erklärung, unbeschränkt leistungsfähig zu sein, beinhaltet keinerlei Aussage zur Höhe des Einkommens des Antragsgegners. Wie dieser zutreffend ausgeführt hat (vgl. etwa Schriftsatz vom 2.7.2021), könnte er auch durch Aufnahme eines Darlehens oder aus Vermögen leistungsfähig sein.

3. Der Antragsgegner ist in Höhe der auf den Antragsteller übergegangenen Unterhaltsansprüche auch leistungsfähig. Im vorgerichtlichen Schriftsatz vom 14.8.2019 hat sich der Antragsgegner für unbeschränkt leistungsfähig erklärt. Soweit sich diese Erklärung nur auf die bis zum 31.12.2019 geltende Rechtslage erstreckt haben sollte, wie vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 9.1.2023 ausgeführt, ergibt sich für die Zeit ab dem 1.1.2020 nichts anderes. Denn unzureichende Leistungsfähigkeit als Einwendung hat der Antragsgegner als Unterhaltsschuldner darzulegen und zu beweisen. Diesbezüglichen Vortrag hat er jedoch für keinen Zeitraum erstattet.

Auskunft des Finanzamts

4. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Auskunft des Finanzamts vom 21.2.2020 aufgrund der unstreitigen Einkommenssituation des Antragsgegners für die Entscheidung ohne Belang ist, so dass die antragsgegnerseitig aufgeworfene Frage der Verwertbarkeit dahinstehen kann.

Zeitraum

5. Damit ist der Antragsgegner im Ergebnis zutreffend vom Amtsgericht verpflichtet worden, für den Zeitraum vom 1.3.2019 bis 30.6.2023 auf den Antragsteller übergegangenen Unterhalt für seinen Vater zu bezahlen. Auch die weiteren Entscheidungen des Amtsgerichts zu Ziffer 3 und 4 sind nicht zu beanstanden. Da der Antragsgegner von einer Mitarbeiterin des Antragstellers mit Schreiben vom 29.8.2019 unter Fristsetzung zur Zahlung des damaligen seit März 2019 rückständigen sowie des laufenden Nettosozialhilfeaufwands aufgefordert und damit mangels Leistung in Verzug gesetzt worden ist, haftet er auch für die mit Schriftsatz vom 21.10.2020 entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der späteren anwaltlichen Bevollmächtigten des Antragstellers.

Der laufende Unterhaltsanspruch des Antragstellers war – ausweislich Ziffer 1 der Antragsschrift vom 10.12.2020 – auf die Dauer der Leistungserbringung für den Vater des Antragsgegners beschränkt. Mit dem Tod des Vaters des Antragsgegners am …7.2023 hat dessen Sozialhilfebezug geendet und damit auch der geltend gemachte Anspruch, ohne dass es einer prozessualen Erklärung des Antragstellers bedurft hätte. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass dem Antragsgegner die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens insgesamt auferlegt worden sind, auch wenn das Amtsgericht den Antrag für den Zeitraum 1.7.2023 bis …7.2023 mangels Bezifferung des konkreten Bruchteils der für diesen Zeitraum gewährten Leistung zurückgewiesen hat. Das Unterliegen des Antragstellers ist bezogen auf den restlichen Verfahrenszeitraum beginnend ab dem 1.3.2019 geringfügig und wirkt sich für die Kostenentscheidung nach § 243 S. 1 und 2 Nr. 1 FamFG mithin nicht aus.

III. Der Praxistipp

In den Infobriefen 11/2024 und 01/2025 wurden bereits aktuelle oberlandesgerichtliche Entscheidungen als auch eine Entscheidung des BGH dargestellt. Auf diese nehme ich Bezug.

Die vorliegende Entscheidung hatte die Besonderheit darin, dass der Unterhaltsschuldner seine unbeschränkte Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt behauptet.

In diesem Zusammenhang macht der Senat deutlich, dass die Erklärung unbeschränkt leistungsfähig zu sein, keinerlei Aussage zur Höhe des Einkommens des Unterhaltsschuldners beinhaltet. Daher widerlegt diese Behauptung nicht die gesetzliche Vermutung des §§ 94 Abs. 1a S. 3 SGB XII, dass das Einkommen des Kindes der Sozialhilfebeziehers die Jahreseinkommensgrenze des § 94a Abs. 1a S. 1 SGB XII nicht überschreitet. Nach zutreffender Auffassung des Senats ist dabei insbesondere zu beachten, dass sich die unbeschränkte Leistungsfähigkeit unterhaltsrechtlich auch aus vorhandenem Vermögen ergeben kann.

Im Übrigen entbindet diese Behauptung der unbeschränkten unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners diesen nicht von seiner Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Belegvorlage.

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