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Zulässigkeit des Verzichts auf Trennungsunterhalt

1. Unabhängig davon, ob der Unterhaltsberechtigte einen Verzicht auf den Trennungsunterhalt abgegeben oder erklärt hat, den Anspruch nicht geltend machen zu wollen, entfällt der Anspruch nicht, weil beide Erklärungen unwirksam sind. Es folgt hieraus auch keine erhebliche Einwendung gegen die eingeleitete Zwangsvollstreckung.

2. Soweit ein zulässiger Verzicht auf rückständigen Trennungsunterhalt behauptet wird, trägt der antragstellende Schuldner für die vorgebrachten rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen gegen den verlangten Unterhalt die Darlegungs- und Beweislast.

OLG Hamm, Beschl. v. 20.9.2023II-13 UF 104/23

I. Der Fall

Der Antragsteller wendet sich im Vollstreckungsabwehrverfahren gegen die Zwangsvollstreckung von Trennungsunterhaltsansprüchen aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde des Zeugen R.

Die Beteiligten haben 1999 geheiratet und sind seit 10/2022 rechtskräftig geschieden. Ihre Trennung erfolgte in 01/2021. Bis einschließlich Dezember 2021 zahlte der Antragsteller an die Antragsgegnerin einen monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 506 EUR. Im Januar 2022 überwies der Antragsteller der Antragsgegnerin einen anteiligen Unterhalt i.H.v. 97,17 EUR und benannte in der Überweisung den Verwendungszweck mit „Trennungsgeld G. bis zum 6.1.2022, wie abgesprochen“. Ab dem 7.1.2021 stellte der Antragsteller die Zahlung von Trennungsunterhalt ein.

Bereits am 17.12.2021 hatten die Beteiligten bei dem Zeugen Q. R. eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung mit Immobilienübertragung unterzeichnet.

[Inhalt der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung]

Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.8.2022 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Androhung der Zwangsvollstreckung sodann auf, rückständigen Trennungsunterhalt von Januar bis August 2022 zu zahlen und äußerte, dass sich die Formulierung zum Verzicht in der E-Mail vom Vortag ausdrücklich nur auf die Geltendmachung bezogen habe.

Der Antragsteller leitete daraufhin das vorliegende Verfahren ein, mit dem er das Ziel verfolgt, dass die Vollstreckung des Trennungsunterhalts aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt wird.

II. Die Entscheidung

Nach Auffassung des OLG Hamm hat die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Diese Entscheidung begründet das OLG wie folgt:

Zulässigkeit

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 63 Abs. 1, 117 Abs. 1 S. 1 FamFG frist- und formgerecht eingelegt worden.

Gegen den Antrag, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, bestehen auch im Übrigen keine Zulässigkeitsbedenken. Insbesondere handelt es sich bei dem Vollstreckungsabwehrverfahren um einen zulässigen Rechtsbehelf. Zwar sieht das FamFG für einen Unterhaltspflichtigen, der sich gegen eine Zwangsvollstreckung aus Unterhaltstiteln zur Wehr setzen will, im Unterschied zum Abänderungsverfahren keinen originären Rechtsbehelf vor. Der allgemeine Verweis in § 120 Abs. 1 FamFG, wonach die Vollstreckung in Familienstreitsachen entsprechend den Vorschriften der ZPO erfolgt, stellt aber sicher, dass auch in den Unterhaltssachen dem Unterhaltspflichtigen die Verfolgung seiner Rechte in einem Vollstreckungsabwehrverfahren erhalten bleibt, § 767 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG (Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 10 Verfahrensrecht Rn 295, beck-online).

Begründetheit

2. Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch unbegründet, denn das Amtsgericht hat den Vollstreckungsabwehrantrag des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen.

a) Dabei kann die Frage, ob die Beteiligten im Zuge der notariellen Beurkundung eine mündliche Nebenabrede dahingehend getroffen haben, dass die Antragstellerin für den Zeitraum ab Januar 2022 für die Zukunft auf Trennungsunterhalt verzichtet, dahingestellt bleiben. Denn ein solcher Verzicht wäre ohnehin gemäß § 134 BGB nichtig. Nach §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3 i.V.m § 1614 BGB ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruchs seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht (BGH, Beschl. v. 30.9.2015, XII ZB 1/15, beck-online).

pactum de non petendo

b) Soweit der Vortrag des Antragsgegners dahingehend auszulegen ist, dass die Beteiligten vereinbart hätten, dass die Antragsgegnerin auf den ihr zustehenden Unterhaltsanspruch ab Januar 2022 zwar nicht verzichtet, die Beteiligten aber – im Wege eines pactum de non petendo – vereinbart haben, dass die Antragsgegnerin ihren Unterhalt nicht geltend macht, ist hierin ebenfalls keine erhebliche Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung zu sehen. Eine solche Vereinbarung wäre nämlich ebenfalls nach § 134 BGB unwirksam, so dass auch dahingestellt bleiben kann, ob eine solche Vereinbarung tatsächlich getroffen worden ist. Denn eine Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruchs nicht, begründet aber eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Deshalb ist in einem pactum de non petendo ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft zu sehen (BGH, Beschl. v. 30.9.2015 – XII ZB 1/15, beck-online; Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 4 Ehegattenunterhalt Rn 85, beck-online).

c) Die Beschwerde des Antragstellers hat auch nicht mit ihrem Hilfsantrag, die Zwangsvollstreckung für den Zeitraum ab dem 7.8.2022 für unzulässig zu erklären, Erfolg. Denn der Antragsteller hat den ihm obliegenden Beweis eines solchen Verzichts nicht geführt. Ein Verzicht auf Trennungsunterhalt für die Vergangenheit ist, anders als ein Verzicht auf Trennungsunterhalt für die Zukunft, zulässig (Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 4 Ehegattenunterhalt Rn 85, beck-online).

Beweislast für das Vorliegen eines Verzichts

Entgegen der Ansicht des Antragstellers trifft ihn die Beweislast für das Vorliegen eines Verzichts. Die Beweislastverteilung im Vollstreckungsabwehrverfahren richtet sich danach, welche Einwendungen vorgebracht werden. Insofern gelten die allgemeinen Grundsätze der Beweislastverteilung. Die Parteirolle ist unerheblich. Der klagende Schuldner trägt regelmäßig die Beweislast für die vorgebrachten rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen. Wird zulässigerweise über das Entstehen der Forderung gestritten, so liegt die Beweislast dagegen beim Gläubiger; insbesondere führt die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nicht zu einer Beweislastumkehr (BeckOK ZPO/Preuß, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 767 Rn 35).

Da die Beteiligten gerade nicht darüber streiten, ob der Antragsgegnerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Trennungsunterhalt – und damit über das Entstehen der Forderung- zusteht, sondern darüber, ob dieser Anspruch durch Verzicht untergegangen ist, ist der Antragsteller vorliegend beweisbelastet.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt auch aus der E-Mail der Antragsgegnerin vom 7.8.2022 („wie dir bekannt ist, verzichte ich seit Januar auf den mir zustehenden Unterhalt“) nicht, dass nunmehr der Antragsgegnerin die Darlegungs- und Beweislast obliegen würde. Denn dies würde voraussetzen, dass der Antragsteller mit der E-Mail bereits den Beweis eines Verzichts erbracht hätte, so dass die Antragsgegnerin nunmehr den Gegenbeweis führen müsste. Dies ist allerdings nicht der Fall. Grundsätzlich gilt, dass in der Nichtgeltendmachung von Trennungsunterhalt für eine längere Zeit noch kein Verzicht erblickt werden kann. Es ist vielmehr zu prüfen, ob der Berechtigte einen triftigen Grund für einen solchen Verzicht hatte oder ob nicht eine andere Erklärung für die Unterlassung der Rechtsausübung naheliegt (Wendl/Dose, a.a.O.). Der Senat folgt dem Amtsgericht dabei dem in seinen Ausführungen, dass der Antragsteller mit der E-Mail den Beweis eines Verzichts durch die Antragsgegnerin nicht geführt hat. Der Senat schließt sich ausdrücklich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass der Wortlaut der E-Mail vom 7.8.2022 („Wie dir bekannt ist, verzichte ich seit Januar auf den mir zustehenden Unterhalt …“.) vor dem Hintergrund betrachtet werden muss, dass die Antragsgegnerin rechtlicher Laie ist. Eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die Antragsgegnerin mit dieser Formulierung darauf hinweisen wollte, dass sie seit Januar 2022 keinen Unterhalt mehr erhalten hat und diesen bislang nicht geltend gemacht hat. Warum die Antragsgegnerin auf einen notariell beurkundeten Anspruch rückwirkend hätte verzichten sollen, erschließt sich dem Senat nicht, zumal der Antragsteller auch nicht vorgetragen hat, womit ein rückwirkender Verzicht auf Trennungsunterhalt hätte kompensiert werden sollen. Hinzu kommt, dass die Beteiligten in der notariellen Urkunde sogar davon ausgegangen sind, dass der Antragsgegnerin für einen Zeitraum von sieben Jahren noch Ansprüche auf nachehelichen Ehegattenunterhalt zustehen, § 6 Abs. 1 der notariellen Vereinbarung; auch dies spricht dagegen, dass die Antragsgegnerin Veranlassung gehabt haben könnte, auf ihren Unterhalt zu verzichten.

Vorliegen einer Verzichtserklärung

Da es für die Frage des Vorliegens einer Verzichtserklärung in Bezug auf rückwirkenden Unterhalt nicht darauf ankommt, ob die Beteiligten bereits im Dezember 2021/Januar 2022 eine Nebenabrede zum notariellen Vertrag getroffen haben, wonach die Antragsgegnerin keinen Unterhalt geltend gemacht hat, kommt es bei der Beweiswürdigung weder auf die Bekundungen des Zeugen R., den Verwendungszweck bei der Überweisung des anteiligen Unterhalts für Januar 2022 noch die E-Mail der Antragsgegnerin aus Februar an. Auch die Frage, wie die in § 6 des Vertrages getroffene Verrechnungsabrede auszulegen ist, ist für die Frage eines nachträglich im August 2022 vereinbarten Verzichts unerheblich. Schließlich folgt entgegen der Auffassung des Antragstellers aus der Formulierung in § 5 des Vertrages, wonach mit der Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung eine Beweislastumkehr nicht verbunden sei, nicht, dass rückständiger Unterhalt nur von dem Zeitpunkt an verlangt werden könne, zu welchem eine entsprechende Zahlungsaufforderung erfolgt ist. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vereinbarung ergibt sich eine entsprechende Auslegung.

3. [Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs]

III. Der Praxistipp

Wie dem Praktiker sehr wohl bekannt ist, kann auf Unterhalt für die Zukunft nicht ganz oder auch nur teilweise wirksam verzichtet werden. Gleiches gilt konsequenterweise auch für eine Vereinbarung dahingehend, dass der Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt nicht geltend gemacht werde. Eine solche Vereinbarung ist nach § 134 BGB unwirksam.

Eine Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruchs nicht, sodass § 1614 BGB keine Anwendung findet, begründet aber eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Deshalb ist in einem pactum de non petendo ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft zu sehen.

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