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Erstattung steuerlicher Nachteile bei freier Wahl der Anlage des Vorsorgeunterhalts

1. Zu den Voraussetzungen der Erstattung der steuerlichen Nachteile des Unterhaltsberechtigten durch den Unterhaltspflichtigen, wenn der geleistete Vorsorgeunterhalt nicht in Form einer Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht angelegt wird.

2. Dem Unterhaltsberechtigten steht die Form der Anlage des Vorsorgeunterhalts grundsätzlich frei. Er kann hierzu eine Kapitallebensversicherung mit oder ohne Rentenwahlrecht abschließen oder den Vorsorgeunterhalt zum Erwerb einer Immobilie, von Wertpapieren oder von Fondsanteilen einsetzen.

3. Hierbei muss der Unterhaltsberechtigten nicht auf die steuerlichen Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2020 – II-6 UF 92/20

I. Der Fall

Die Beteiligten hatten im Jahre 1989 geheiratet und sind seit dem 16.11.2011 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Durch notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung vom 3.5.2011 haben sich die Beteiligten hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts dahingehend verständigt, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, an die Antragstellerin Elementarunterhalt i.H.v. 1.320 EUR, Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 500 EUR sowie deren Beiträge zur Krankenversicherung zu zahlen. Den von dem Antragsgegner gezahlten Altersvorsorgeunterhalt hat die Antragstellerin ab dem 1.12.2011 in einen privaten Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht investiert, welcher ab dem 1.12.2024 eine monatliche Rente i.H.v. 303,14 EUR oder aber eine Kapitalabfindung von 82.514 EUR vorsieht. Im Anschluss an den Abschluss der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung erteilte die Antragstellerin ihre Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings und der Antragsgegner glich der Antragstellerin, die selbst nur über geringe Einkünfte unterhalb des Steuerfreibetrages verfügt, bis zum Jahre 2017 die steuerlichen Nachteile aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings aus. Nachdem der Antragsgegner den steuerlichen Nachteil für das Jahr 2017 i.H.v. 466 EUR trotz Aufforderungsschreiben vom 3.6.2019 und Mahnung vom 24.7.2019 sowie anwaltlichem Aufforderungsschreiben vom 12.9.2019 nicht ausgeglichen hat, hat die Antragstellerin das vorliegende Verfahren eingeleitet, mit der sie die Erstattung des steuerlichen Nachteils für das Jahr 2017 weiterverfolgt.

Der Antragsgegner verweigert den Ausgleich des Nachteils unter Hinweis darauf, dass die Antragstellerin sich mutwillig über seine Vermögensinteressen hinweggesetzt habe, indem sie die Altersvorsorgeaufwendungen nicht als steuerlich abzugsfähige Position in ihrer Steuererklärung angegeben habe. Im Übrigen ist er der Auffassung, hierdurch habe sie ihren Anspruch auf Erstattung des Nachteilsausgleichs verwirkt. Im Wege des Widerantrags hat er ferner die Erstattung des an die Antragstellerin am 28.9.2017 gezahlten Nachteilsausgleichs für das Veranlagungsjahr 2016 i.H.v. 572 EUR aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes beansprucht und hierzu vorgetragen, die Antragstellerin habe ihm erstmals für das Jahr 2017 einen Steuerbescheid vorgelegt. Sie habe ihn darüber getäuscht, dass sie eine vollständige, alle steuerlich relevanten Positionen beinhaltende Erklärung abgegeben habe. Sein Begehren begründet er auch damit, die Antragstellerin habe eine grobe Obliegenheitsverletzung dadurch begangen, dass sie eine Altersvorsorge mit einem Kapitalwahlrecht gewählt habe und nicht eine solche mit monatlichen Rentenzahlungen, welche steuerlich abzugsfähig gewesen wäre. Die Antragstellerin sei verpflichtet gewesen, seine Altersvorsorgeunterhaltsleistungen so anzulegen, dass die auszugleichende Steuerlast möglichst gering bleibe. Demzufolge müsse sie sich im Verhältnis zu ihm so behandeln lassen, als könne sie den Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen.

II. Die Entscheidung

Der Senat hält die Beschwerde des Antragstellers lediglich in geringem Umfang für unbegründet.

1. Zum Antrag der Antragstellerin auf Erstattung des Nachteilsausgleichs

Das Begehren der Antragstellerin auf Erstattung des Nachteilsausgleichs folge nach ständiger Rechtsprechung des BGH aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB im Rahmen des zwischen den Beteiligten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses. Die Verpflichtung zur Freistellung von finanziellen Nachteilen aus dem Realsplitting bestehen unabhängig davon, ob eine ausdrückliche Freistellungserklärung erfolgt sei. Der Nachteilsausgleichsanspruch korrespondiere mit der Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten, auf Verlangen des Unterhaltspflichtigen der Durchführung des begrenzten Realsplittings zuzustimmen. Wer die Mitwirkung des Unterhaltsberechtigten einforderte, um für sich steuerliche Vorteile zu verwirklichen, sei aus Treu und Glauben regelmäßig verpflichtet, dem Berechtigten die hieraus entstehenden finanziellen Nachteile zu erstatten.

Dass der Antragstellerin im Jahre 2017 ein Steuernachteil in Höhe von 466 EUR entstanden sei, habe diese durch Vorlage ihres Steuerbescheides für das Jahr 2017 nachgewiesen.

Soweit der Antragsgegner geltend mache, die Antragstellerin habe ihm gegenüber eine grobe Obliegenheitsverletzung dadurch begangen, dass sie eine Altersvorsorge mit Kapitalwahlrecht statt eine solche mit monatlichen Rentenzahlungen gewählt habe, welche steuerlich abzugsfähig gewesen wäre, folgt der Senat dem nicht, vermag vielmehr eine entsprechende Obliegenheit der Antragstellerin, den Altersvorsorgeunterhalt für eine steuerlich begünstigte Anlageform zu verwenden, nicht zu erkennen.

Die Antragstellerin habe einen Altersvorsorgevertrag abgeschlossen, der den Anforderungen an die zu wählende Altersvorsorge genüge. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers liege das Schwergewicht der Altersvorsorge zwar in der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dem Unterhaltsberechtigten stehe jedoch die Wahl der Altersvorsorge grundsätzlich frei und er sei gleichermaßen berechtigt, auf eine private Kapitallebensversicherung mit oder ohne Rentenwahlrecht auszuweichen, oder aber Immobilien, Wertpapiere oder Fondsbeteiligungen zu erwerben. Insoweit würden die Grundsätze des BGH zur sekundären Altersvorsorge gleichermaßen auch für den Altersvorsorgeunterhalt gelten.

Steuerliche Belange des Unterhaltsverpflichteten habe der Unterhaltsberechtigte bei der Auswahl der Altersvorsorge nicht zu beachten. Sinn und Zweck des Altersvorsorgeunterhaltes sei es vielmehr, dem unterhaltsberechtigten Ehegatten einen eigenständigen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Insofern stelle die Regelung zum Altersvorsorgeunterhalt eine Ergänzung der Vorschriften zur Regelung des Versorgungsausgleichs dar. Nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst seien steuerliche Belange des Unterhaltspflichtigen. Dessen Belange seien vielmehr nur insoweit geschützt, als dieser die zweckwidrige Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts durch den Berechtigten dessen Unterhaltsanspruch entgegenhalten könne. Soweit das OLG Brandenburg (Beschl. v. 1.2.2016 – 13 UF 170/14) insoweit eine abweichende Auffassung vertreten habe (ebenso vorsichtig zustimmend Gutdeutsch in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 4 Rn 872), folge der Senat dem aus den vorstehenden Erwägungen nicht. Hierdurch würde das gemäß den vorstehenden Entscheidungen bestehende Recht des Unterhaltsberechtigten, sich seine geeignete Altersvorsorge frei zu wählen, durch die Obliegenheit, nur steuerlich begünstigte Altersvorsorge zu betreiben, aufgeweicht.

Unabhängig davon habe die Antragsgegnerin aber auch für die Auswahl der von ihr gewählten Altersvorsorge beachtenswerte Gründe vorgebracht, indem sie aufgrund ihrer bestehenden Morbus Hodgkin-Erkrankung auf die Vererblichkeit der von ihr gewählten Altersvorsorge verwiesen habe, ferner auf die Notwendigkeit, gegebenenfalls kurzfristig über einen höheren Kapitalbetrag verfügen zu müssen. Überdies berufe sich die Antragstellerin zu Recht auf den Vertrauensgrundsatz. Denn der Antragsgegner habe weder in dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehevertrag noch in den folgenden Jahren nach Abschluss dieses Ehevertrages jemals die Anlage des Altersvorsorgeunterhalts im Rahmen einer steuerlich begünstigten Altersvorsorge gefordert. Vielmehr habe er anstandslos und über Jahre hinweg den geforderten Nachteilsausgleichs gezahlt und in der Antragstellerin damit das berechtigte Vertrauen erweckt, auf die Art der Anlageform keinen Wert zu legen.

2. Zum Widerantrag des Antragsgegners

Mangels einer Pflichtverletzung der Antragstellerin stehe dem Antragsgegner gleichermaßen kein Anspruch auf Rückzahlung des für das Jahr 2016 gezahlten Nachteilsausgleichs i.H.v. 572 EUR als Schadensersatz zu, ganz unabhängig davon, dass der Senat bereits eine Anspruchsgrundlage hierfür nicht zu erkennen vermag.

Weder sei der Antragstellerin gemäß den vorstehenden Ausführungen die Verletzung einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit vorzuwerfen, gleichermaßen aber auch keine Täuschungshandlung. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner lege insoweit bereits nicht dar, worin konkret die Täuschungshandlung der Antragstellerin bestanden haben solle. Seinem Vorbringen im Widerantrag, die Antragstellerin habe sich über die sie treffenden steuerlichen Pflichten zur Abgabe vollständiger und richtiger Erklärungen ebenso hinweggesetzt wie über die Rücksichtnahme auf seine Vermögensinteressen, treffe aus den vorstehenden Gründen bereits vom Ansatz her nicht zu.

III. Der Praxistipp

Die vorliegende Entscheidung beschäftigt sich mit dem nicht ganz alltäglichen Gedanken, dass dem (Vorsorge)Unterhaltsgläubiger abverlangt wird, seine Altersvorsorge so zu gestalten, dass sie den Unterhaltsschuldner steuerlich begünstigt.

Die Thematik Realsplitting ist dem Praktiker hinreichend bekannt, gleiches gilt für den Vorsorgeunterhaltsanspruch und dessen zweckgebundene Verwendung. An dieser Stelle bietet die dargestellte Entscheidung eine dogmatische Herleitung des Anspruchs des Unterhaltsgläubigers auf Nachteilsausgleich hinsichtlich der – nicht nur – steuerlichen Nachteile im Rahmen der Durchführung des Realsplittings.

Zurecht kommt das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass nicht nur steuerlichen Nachteile bei der Durchführung des Realsplittings für den Unterhaltsgläubiger unabhängig von der konkret gewählten Anlageform auszugleichen sind und darüber hinaus für den Unterhaltsgläubiger keine Obliegenheit besteht, eine für den Unterhaltsschuldner günstige Anlageform zu wählen.

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