von Ulf Schönenberg-Wessel, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Erbrecht, Kiel
Liebe Leserinnen und Leser,
unter der Rubrik „Literaturkritik: Erbrecht“ stellen wir monatlich eine Auswahl von Neuerscheinungen aus dem Bereich des Erbrechts, des Erbschaftsteuerrechts sowie der erbrechtsrelevanten Nebengebiete vor.
Bieresborn/Schafhausen
Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht
6., überarbeitete und aktualisierte Auflage, 2024 C.H.BECK, ISBN 978-3-406-78653-2, 169 EUR
Mit dem Münchner Anwaltshandbuch Sozialrecht in der 6.Auflage liegt dem Leser ein hervorragendes, umfassendes und aktuelles Nachschlagewerk für das gesamte Sozialrecht vor. Die 6. Auflage, die nunmehr von Bieresborn und Schafhausen herausgegeben wird, enthält gleich zu Beginn eine systematische Übersicht über das Sozialrecht. Diese ersten Seiten, die von Schafhausen zusammengestellt wurden, ermöglichen es auch dem Erbrechtler, sich schnell in der Systematik zurecht zu finden. Exemplarisch sei die Bearbeitung von Ehmann zum dem für die erbrechtliche Beratungspraxis besonders bedeutsamen Regelungen des Regresses bei Sozialhilfe und Grundsicherung herausgegriffen. Das Kapitel gliedert sich in sechs Abschnitte, in denen u.a. die Überleitung nach § 93 und 94 SGB XII im Detail dargestellt wird. Hierbei wird insbesondere auch auf die Überleitung von Ansprüchen aus Übergabeverträgen, Wohnrechten und Pflegeverpflichtungen eingegangen. Auch die Überleitung im Zusammenhang mit erbrechtlichen Ansprüchen, insbesondere auch im Kontext einer Testamentsgestaltung zugunsten von Menschen mit Behinderung, werden gut verständlich dargestellt. Ehmann unterstreicht noch einmal deutlich, dass der Sozialhilfeträger das Ausschlagungsrecht nicht auf sich überleiten kann (§ 37 Rn 68). Auch in der 6.Auflage ist das Münchner Anwaltshandbuch Sozialrecht ein verlässlicher Begleiter in der Beratungs- und Gestaltungspraxis. Aufgrund des zunehmenden sozialrechtlichen Bezugs in der erbrechtlichen Beratungs- und Gestaltungspraxis sei die Anschaffung des Handbuchs jedem Erbrechtler empfohlen.
Dehe/Zintl
Mitarbeiterführung für Notare Ein Leitfaden für die Praxis
2022, Carl Heymanns, ISBN 978-3-452-30060-7, 89 EUR
Die erfolgreiche Führung eines erfolgreichen Anwalts- und Notarbüros stellt jeden Berufsträger vor eine Herausforderung. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Personalführung und Personalmanagement zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der universitären oder beruflichen Ausbildung sind. Das Handbuch Mitarbeiterführung für Notare gliedert sich in 17 Kapitel, in denen der Leser neben den Grundlagen erfolgreicher Mitarbeiterführung und seiner eigenen Rolle als Arbeitgeber insbesondere auch wichtige Erläuterungen zu einer guten Feedbackkultur sowie praktische Werkzeuge der Personalentwicklung erhält. Auch wenn das Buch primär auf das Notariat verweist, so sind die dort aufgezeigten Aspekte ohne Weiteres auch auf eine anwaltliche Kanzlei zu übertragen. Das Buch zeichnet sich insbesondere auch durch sein Autorenteam und die dort konzentrierten fachlichen Kompetenzen aus. Das Handbuch ist hervorragend zu lesen und gut in der Praxis umzusetzen. Es ist zu jedem Zeitpunkt der beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt/Notar sinnvoll, dieses Buch zu lesen, um ein gutes und erfolgreiches Team zusammenzustellen, zu führen und zu entwickeln.
Dorsel
Kölner Formularbuch Erbrecht
4. Auflage, 2024 Carl Heymanns, ISBN 978-3-452-30166-6, 179 EUR
Das Kölner Formularbuch Erbrecht ist bereits in seiner 4. Auflage erschienen. Die 4. Auflage bietet einen vertieften und praxisorientierten Überblick über die erbrechtlichen Gestaltungoptionen. Der Leser erhält neben einer Vielzahl von Mustern und Formulierungsbeispielen immer auch den notwendigen materiellrechtlichen Hintergrund, sodass die Gestaltungen im Interesse der Mandantschaft effektiv und rechtsicher gelingen können. Das Formularbuch gliedert sich wie gehabt in 21 Kapitel, in denen neben der Erbeinsetzung und der Vermächtnisanordnung auch die Vor- und Nacherbfolge, die Testamentsvollstreckung oder auch die Verringerung und Vermeidung von Pflichtteilsrechten dezidiert dargestellt werden. Im 13. Kapitel, das nach dem Versterben von Jan Eickelberg von Ihle fortgeführt wird, werden die stiftungsrechtlichen Gestaltungen in der Vermögensnachfolge aufbereitet. Dabei widmet sich Ihle insbesondere auch den erbrechtlichen Gestaltungfragen und den steuerlichen Erwägungen stiftungsrechtlicher Gestaltungen. Dem Kapitel vorangestellt ist ein umfassendes Literaturverzeichnis. Die Bearbeitung schließt mit Checklisten und Beratungshinweisen ab. Es ist schön zu sehen, dass die Handschrift von Eickelberg in diesem Kapitel erhalten geblieben ist, wenngleich Ihle hervorragende eigene Erwägungen und Gestaltungsvorschläge in das Kapitel einbringt. Das Kölner Formularbuch Erbrecht wird zu Recht zu den Standardwerken der erbrechtlichen Gestaltungsliteratur gezählt und sollte daher auch in seiner 4. Auflage einen festen Platz in der Handbibliothek bekommen. Sämtliche Muster stehen dem Leser auch zum Download zur Verfügung.
Gerold/Schmidt
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz: RVG Kommentar
26., überarbeitete Auflage, 2023 C.H.BECK, ISBN 978-3-406-79640-1, 169 EUR
Die 26. Auflage des Kommentars zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz berücksichtigt u.a. die Änderungen bei der Einigungsgebühr, beim Erfolgshonorar und die BRAO-Reform. In gewohnt praxisorientierter Weise werden zu den einzelnen Normen des RVG umfassende und wissenschaftlich fundierte Erläuterungen angeboten. Der Fußnotenapparat enthält eine Fülle an Belegstellen, die es einem im Streitfall leicht ermöglichen, die gefundene Rechtsauffassung substantiiert zu belegen. Herausgegriffen werden soll hier die Kommentierung von Mayer zum Erfolgshonorar nach § 4a RVG. Meyer liefert neben einer systematischen Darstellung der Tatbestandsvoraussetzungen jeweils auch die notwendigen Muster für die gesetzlich zugelassenen Erfolgshonorare. Daneben liefert er auch eine Kalkulation zu den Erfolgshonoraren. Er arbeitet heraus, dass eine entsprechende Vereinbarung nur dann zulässig ist, wenn für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag zu der gesetzlichen Mindestvergütung vereinbart wird. Maßstab für die Kalkulation von Erfolgshonoraren sind demnach die gesetzliche Vergütung sowie Zu- und Abschläge, die in Abhängigkeit von der Erfolgswahrscheinlichkeit stehen. Der Rechtsanwalt, der ein Erfolgshonorar vereinbaren möchte, wird nach zutreffender Auffassung von Mayer einen besonderen Schwerpunkt bei der Bestimmung der Erfolgswahrscheinlichkeit legen müssen, da dies der entscheidende Parameter sein wird. Die Kommentierung macht jedoch auch deutlich, wie wenig sich das Erfolgshonorar nach § 4a RVG an den Bedürfnissen der Praxis orientiert.
Die Anschaffung der 26. Auflage des Gerold/Schmidt macht sich in jedem Fall bezahlt.
Rißmann
Teilungsanordnungen nach § 2048 BGB
2023 veröffentlicht unter: https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/41835 (kostenfrei)
Die vorliegende Arbeit wurde an der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2023/24 als Dissertation angenommen. Die Arbeit gliedert sich in acht Abschnitte und zeichnet sich im besonderen Maße durch ihre Praxisrelevanz aus. Rißmann hat es verstanden, eine Arbeit vorzulegen, die durchgängig für die Nutzung in der täglichen Praxis geeignet ist, ohne die wissenschaftliche Tiefe außer Acht zu lassen. Die Arbeit liefert einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der Teilungsanordnung gem. § 2048 BGB. Rißmann zeigt dabei auch die Grenzen der Teilungsanordnung auf, die zwar nicht bindend angeordnet werden kann, deren nachträgliche Anordnung nach dem ersten Erbfall jedoch eine unzulässige beeinträchtigende Verfügung darstellt. Eine besondere Aufmerksamkeit widmet Rißmann der Bestimmung nach § 2048 S. 2 BGB und deren gerichtlicher Überprüfung. Er arbeitet heraus, dass der Dritte, der die Bestimmung vornimmt, für seine Bestimmung nicht haftet und die Klage im Fall der groben Unbilligkeit nicht an eine Frist gebunden ist. Die systematische Einordnung der Teilungsanordnung durch einen Dritten und deren gerichtliche Durchsetzung leisten einen hervorragenden Beitrag zum Gesamtverständnis der Teilungsanordnung. Die Dissertation erhält daneben eine Vielzahl von Formulierungsbeispielen und schließt mit einem konkreten (neuen) Muster zur Teilungsanordnung ab, das die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfasst. Sämtliche Verweise innerhalb der Arbeit sind interaktiv im Dokument verknüpft. Die Arbeit, die dem Leser kostenfrei zum Download zur Verfügung steht, eignet sich hervorragend auch für die praktische Auseinandersetzung mit der Teilungsanordnung und deren Anordnung und Abwicklung im juristischen Alltag.
Scherer
Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht Handbuch
6., überarbeitete Auflage, 2024 C.H.BECK, ISBN 978-3-406-79424-7, 219 EUR
Des Münchner Anwaltshandbuch Erbrecht ist nunmehr in 6. Auflage erschienen. Die 6. Auflage ist dem Mitautor Thomas Wachter gewidmet, der kurz vor dem Erscheinen dieser Auflage verstarb. Wachter verantwortete in dieser Auflage noch die Kapitel zur Gesamtrechtsnachfolge und zur gesetzlichen Erbfolge sowie zur Vor- und Nacherbschaft. An den Beginn seiner Bearbeitung zur Vor- und Nacherbschaft (§ 17) stellt Wachter eine Beratungscheckliste. Im Anschluss erörtert er die Begrifflichkeiten und stellt die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft dar. Von besonderem Interesse für die Praxis dürften die Ausführungen von Wachter zur Rechtsstellung des Vorerben sowie zur Rechtsstellung des Nacherben sein. Auch wenn Wachter der Surrogation gem. § 2111 BGB nur wenige Randnummern widmet, so machen diese jedoch das praktische Problem der Regelung in der Abwicklung der Nacherbfolge mehr als deutlich. Er betonte darüber hinaus auch, dass Gegenstand der Surrogation auch eine nicht übertragbare Rechtsposition sein kann. An geeigneter Stelle fügt Wachter exzellente Formulierungsvorschläge ein. Die Darstellungen von Wachter sind mit umfassenden Belegstellen versehen. Das Handbuch, das über ein umfangreiches Stichwortverzeichnis verfügt, dürfte auch in der 6. Auflage ein unverzichtbarer Bestandteil der erbrechtlichen Arbeitsliteratur sein.
Schröder
Behandlungsabbruch beim Demenzkranken
Zum Auseinanderfallen von vorausverfügtem und aktuellem Willen
2023 Nomos, ISBN 978-3-7560-1188-9, 129 EUR
Die vorliegende Arbeit wurde von Prof. Dr. Kretschmer betreut und an der Justus-Liebig-Universität Gießen als Dissertation angenommen. Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile, wobei der 1.Teil dem Volksphänomen Demenz gewidmet ist. Der 2. Teil beschäftigt sich systematisch mit der Frage, wie eine Patientenverfügung als Grundlage für die Willensermittlung im Kontext des Behandlungsabbruchs zu verwenden ist. Den Schwerpunkt der Arbeit von Schröder bildet der 3. und 4. Teil, in dem sie den Widerspruch zwischen vorausverfügtem Willen eines Demenzerkrankten sowie den verschiedenen Willenskonzepte dezidiert dargestellt. Die Arbeit würdigt neben den juristischen auch die ethischen und medizinischen Aspekte des Behandlungsabbruchs bei Demenz. Die Arbeit von Schröder zeigt einen Lösungsweg auf, der den verschiedenen Interessen in unterschiedlichen Konfliktsituationen Rechnung trägt. Die von Schröder formulierten Ansätze sind von dem Gedanken getragen, dass die Demenz eine andere Seinsform des Alterns darstellt. Die hervorragend gelungene Arbeit ermöglicht eine gute Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Demenzerkrankung im Kontext der Patientenverfügung und stellt eine Bereicherung für den juristischen Diskurs dar. Gleichzeitig forderte sie den Leser zur Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlichen Phänomen auf, für welches weder medizinisch noch juristisch einfache Lösungen vorhanden sind.
Schön
Die Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament
Wirksame Gestaltungsmöglichkeiten und Erkenntnisse für die Gestaltungspraxis
2023 Nomos, ISBN 978-3-7560-1191-9, 84 EUR
Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2021 als Dissertation an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel angenommen. Die Arbeit berücksichtigt die Rechtsprechung und Literatur bis Dezember 2021. Die Arbeit gliedert sich insgesamt in sechs Teile. Nach einer kurzen Einleitung widmet Schön sich zunächst den Pflichtteilsstrafklauseln im Überblick, bevor sie im 3. Teil klassische und neue Variationen von Pflichtteilsstrafklauseln vorstellt. Der Jastrow’sche Klausel widmet sie ebenso wie den aktuellen Fragestellungen ein eigenes Kapitel. Die Arbeit, die einen exzellenten Überblick über das System und die Funktionsweise von Pflichtteilsstrafklauseln im deutschen Erbrecht bietet, schließt mit einem konkreten Gestaltungsvorschlag ab, der eine effektive und sachgerechte Weiterentwicklung der Jastrow’sche Klausel bietet. Die Jastrow’sche/Schön-Klausel, die auch die Ansprüchen aus § 2314 BGB als auslösendes Moment vorsieht, zeichnet sich insbesondere durch die Kombination aus automatischer Ausschlussklausel und fakultativer Strafklausel aus. Die Klausel ist im besonderen Maße geeignet, dem überlebenden Ehegatten zu ermöglichen, unvorhergesehene Ereignisse nach dem ersten Erbfall zu berücksichtigen. Schließlich entwickelt Schön auch einen eigenen Formulierungsvorschlag für eine Pflichtteilsstrafklausel mit Rückausnahme, die sich ebenfalls hervorragend für die Praxis eignet. Der Leser, der sich systematisch mit Pflichtteilsstrafklauseln auseinandersetzen möchte, sollte zur Doktorarbeit von Schön greifen, die über die wissenschaftliche Tiefe hinaus auch sehr gut zu lesen ist.
Steffen/Steffen/Eich
Fachkunde für die Rechtsanwaltspraxis
24. Auflage, 2024 Deutscher Anwaltverlag, ISBN 978-3-8240-1725-6, 64 EUR
Die Fachkunde für die Rechtsanwaltspraxis richtet sich in erster Linie an Auszubildende im Berufszweig Rechtsanwaltsfachangestellte. Das Buch orientiert sich an der Verordnung über die Berufsausbildung zum Rechtsanwaltsfachangestellten. Gleichzeitig dient es als Arbeitshilfe für die Fortbildung zum Rechtsfachwirt. Ausgehend von berufsrechtlichen Aspekten und grundlegenden Überlegungen zur Organisation eines Anwaltsbüros finden sich im Handbuch alle für die tägliche Praxis notwendigen Aspekte wieder, sodass das Buch auch in der täglichen Arbeit als Arbeitsbuch verwendet werden kann. Die Vielzahl von Mustern und Erläuterungen sind ein Garant dafür, dass die Ausbildung und die tägliche Arbeit gut gelingen können. Auch der Ausbilder, dem die Fachkunde nachdrücklich zur Lektüre zu empfehlen ist, vermag hieraus zusätzlich zum Ausbildungsinhalt auch wichtige Impulse für die eigene Arbeit ziehen. Darüber hinaus sei das Buch auch anwaltlichen Berufseinsteigern nachdrücklich empfohlen, da sie neben einer Vielzahl von praktischen Informationen auch eine souveräne Grundlage für den Aufbau der eigenen Kanzleistruktur erhalten.