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B. beA – Rechtsprechung Wiedereinsetzung wird selten gewährt

Ilona CosackFachbuchautorin und Inhaberin der ABC AnwaltsBeratung Cosack, Fachberatung für Rechtsanwälte und Notare

Immer wieder befassen sich BGH und die Obergerichte mit fehlerhaften Einreichungen über das beA. Nachstehend einige wichtige Entscheidungen:

I.

BGH, Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 78/21

Bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokumentes gehört es zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.

Anmerkung:

Hier kamen gleich mehrere Fehler zusammen. Die Bevollmächtigten reichten eine als „Berufungsbegründung“ bezeichnete Datei bei Gericht ein, welche nur eine Seite enthielt. Auf Hinweis des Gerichts reichte die Bevollmächtigte dann die vollständige, fünfseitige Berufungsbegründung ein und beantragte knapp eine Woche später die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist.

Als Begründung wurde angeführt, dass die Sekretärin beauftragt war, die Berufungsbegründung in der Anwaltssoftware zur Signierung einzustellen. Unmittelbar vor dem Signieren habe die Anwältin geprüft, ob es sich um das richtige Dokument gehandelt habe. Auch sei das Dokument im Hinblick auf das zuständige Gericht, Aktenzeichen, Parteibezeichnung, die gestellten Anträge und die Vollständigkeit des Schriftsatzes von ihr überprüft worden. Dabei habe die Anwältin auf Seite 1 einen Tippfehler festgestellt und die Sekretärin angewiesen, diesen auszubessern und das Dokument erneut zum Signieren in die Anwaltssoftware einzustellen. Bevor sie signierte, habe sie den Schriftsatz nochmals geöffnet und überprüft, ob die angewiesene Änderung auf Seite 1 übernommen worden sei. Sie habe festgestellt, dass der Tippfehler weisungsgemäß ausgebessert war und habe anschließend das Dokument signiert. Danach habe die Büroangestellte das Dokument per beA verschickt.

Im Nachgang habe sich herausgestellt, dass die Sekretärin weisungsgemäß den Fehler auf Seite 1 ausgebessert habe. Die geänderte Seite habe sie für die Papier-Handakte ausgedruckt. Anschließend habe sie das Word-Dokument in ein PDF-Dokument umgewandelt, um es sodann in die Anwaltssoftware zur Signierung einzustellen. Beim Print-to-PDF-Vorgang habe das Programm die Einstellung des vorangegangen Druckvorgangs, nämlich Ausdruck nur der Seite 1, übernommen. Das habe die sonst sehr zuverlässige, geschulte und erfahrene Sekretärin übersehen. Für die Rechtsanwältin habe daher kein Anlass bestanden, den restlichen Schriftsatz nochmals bis zum Ende durchzusehen.

Der BGH sagt:

„Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet, weil es zu den Pflichten eines Rechtsanwalts gehöre, für einen mangelfreien Zustand des ausgehenden Schriftsatzes zu sorgen. Die Rechtsanwältin des Beklagten habe sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass das von ihrer Sekretärin erneut in die Anwaltssoftware zur Signatur eingestellte PDF-Dokument vollständig war; sie habe das Dokument, das sie nach eigenem Vorbringen geöffnet habe, vielmehr nochmals vollständig überprüfen müssen. Dann wäre ihr aufgefallen, dass das Dokument nur eine Seite umfasst habe.“

 

Praxishinweis:

Überprüfen Sie den Schriftsatz vollständig, in jedem Fall auch die letzte Seite mit der einfachen Signatur. Hätte die Anwältin dies getan, wäre ihr aufgefallen, dass die verbesserte Berufungsbegründung nur aus einer Seite bestand.

Verzichten Sie auf das Führen einer Papierakte. Letztlich kam der Fehler dadurch zustande, dass für die Papierakte die korrigierte Seite ausgedruckt wurde.

Schulen Sie auch Ihre Mitarbeitenden, damit immer überprüft wird, ob der Schriftsatz die korrekte Unterschrift (einfache Signatur) und die qeS desjenigen Anwalts, der mit der einfachen Signatur unter dem Schriftsatz steht, enthält. Dann kann der Mitarbeitende den Schriftsatz versenden, im Anschluss direkt exportieren und überprüfen, ob der Eingang nebst allen Anhängen auf dem richtigen Justizserver eingegangen ist.

II.

BGH, Beschl. v. 24.5.2022 – XI ZB 18/21

Anwaltlicher Organisationsmangel bei der Ausgangskontrolle: Fehlender Berufungsschriftsatz

Die Rechtsbeschwerde wurde als unzulässig verworfen. Am Tage des Fristablaufs legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Berufung gegen das Urteil ein und fügte eine PDF-Datei mit einer beglaubigten Abschrift des erstinstanzlichen Urteils sowie eine Datei „BERUFUNG.pdf.p7s“, die keinen Inhalt hatte. In dem Prüfvermerk des OLG findet sich hinter dem Dateinamen die Angabe:

„Keine Prüfung möglich, da keine Inhaltsdaten zugeordnet werden konnten“.

„Die allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze mittels Abgleichs mit dem Fristenkalender diene nicht alleine dem Zweck, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen im Fristenkalender noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergäben, sondern vielmehr auch dazu, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch ausstehe. Es sei gegebenenfalls auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden seien.“

 

Anmerkung:

Legen Sie auch Regeln für die Ausgangskontrolle des beA fest. Es ist ungewöhnlich, dass lediglich die Signaturdatei versandt werden kann, da beim Löschen einer Datei im beA auch die dazugehörige Signaturdatei gelöscht wird. Die Signaturdatei, sofern Sie innerhalb des beA erzeugt wird, trägt zusätzlich zum Dateinamen die Endung „.p7s“ (externe Signaturen erkennt man an der Endung „pkcs7“). Eine Signaturdatei lässt sich im beA nicht öffnen (Lupensymbol fehlt), da sie maschinenlesbar ist.

Praxishinweis:

Überprüfen Sie nach dem Export in der ZIP-Datei die Datei „export.html“. Daraus muss ersichtlich sein, welche Anhänge auf dem Justizserver eingegangen sind. Neben dem Schriftsatz muss dies immer die Signaturdatei und der Strukturdatensatz (xjustiz.html) sein.

III.

BGH, Beschl. v. 20.9.2022 – XI ZB 14/22

Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes (hier: Berufungsbegründung) über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordert die Kontrolle, ob sich die erhaltene automatisierte Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO auf die Datei mit dem betreffenden Schriftsatz bezieht.

Anmerkung:

In diesem Fall (mit einem Gegenstandswert von 250.000 EUR) ist beim Berufungsgericht am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist eine Nachricht eingegangen, der kein PDF-Dokument als Anhang beigefügt war. Einen Tag später reichte der Klägervertreter eine Datei mit dem Namen „Scan_0178.pdf“ als Berufungsbegründung ein. Auf den Hinweis des Gerichts behauptete der Prozessbevollmächtigte, dass die Berufungsbegründung am Tage des Fristablaufs übermittelt worden sei und beantragte Wiedereinsetzung. Gleichzeitig wurde vorgetragen, man habe anhand der Angaben im Prüfprotokoll überprüft, dass die Übermittlung erfolgreich gewesen sei.

Das Gericht wies darauf hin:

„Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordere dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden sei. Diese Eingangsbestätigung beziehe sich nicht auf die elektronische beA-Nachricht, sondern auf das elektronische Dokument im Sinne von § 130a Abs. 1 ZPO, also etwa einen Schriftsatz und seine Anlagen. Hier bestätige das von dem Kläger für den 13.1.2022 vorgelegte Prüfprotokoll nur den Eingang der Nachricht und gerade nicht den Eingang der Berufungsbegründung beim Berufungsgericht, weil darin kein Anhang mit der Bezeichnung „Scan_0178.pdf“ aufgeführt sei.“

„Da die Anwaltschaft seit jeher angehalten sei, zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob elektronisch versandte Schriftsätze komplett angekommen seien, sei das Fristversäumnis verschuldet und könne nicht damit entschuldigt werden, dass die aktive Nutzungspflicht für das beA erst seit dem 1. Januar 2022 bestehe.“

 

Praxishinweis:

Auch wenn die Verpflichtung „lesbarer Dateinamen“ mit dem Start des ERV zum 1.1.2022 weggefallen ist, hilft es, mit Dateien zu arbeiten, die nachvollziehbare Dateinamen tragen. Jeder Verwender des beA ist angehalten, sowohl die Datei (Schriftsatz) inhaltlich und signaturtechnisch (einfache Signatur) zu prüfen, als auch zu kontrollieren, dass bei Einsatz der qeS die Signaturdatei ebenfalls enthalten ist. Ebenso genügt es nicht, im Ordner „Gesendet“ eine „Erfolgreich“-Meldung zu kontrollieren, es ist zwingend nach dem Export die export.html zu überprüfen, um auch die Anhänge, die übermittelt wurden, zu kontrollieren. Bei der Zusammenfassung des Prüfprotokolls (unterhalb des Nachrichtenjournals) muss der Empfänger, der Meldungstext „Auftrag ausgeführt, Dialog beendet“ auf Deutsch oder Englisch „Request executed, dialog closed“ stehen, ein Zugangszeitpunkt und der Status: „kein Fehler“. Erst dann kann die Frist gestrichen werden.

IV.

OLG Schleswig, Beschl. v. 13.10.22 – 7 U 160/22

Einreichung Berufungsschrift über Anwaltssoftware; unzuständiges Gericht; Organisationsfehler

„Eine wirksame Fristen- und Ausgangskontrolle darf nicht nur mit der bloßen Anwaltssoftware (hier „RA-Micro“) erfolgen, sondern erfordert auch einen Vergleich anhand des Fristenkalenders und der Handakte.“

„Die allabendliche Fristenkontrolle hat gerade den Sinn, durch eine doppelte Prüfung möglichst alle Fehlerquellen bei der Einhaltung von Fristen auszuschließen. Das Büropersonal ist bereits vor Anfertigung und Verarbeitung der Berufungsschrift anzuweisen, in der entsprechenden Anwaltssoftware das zuständige Berufungsgericht einzupflegen.“

 

Anmerkung:

Die Berufung wurde am letzten Tag des Fristablaufs beim unzuständigen Landgericht eingelegt. Nachdem dieses am Folgetag auf die Unzuständigkeit hinwies, wurde die Berufungsschrift beim zuständigen OLG eingereicht unter gleichzeitigem Antrag auf Wiedereinsetzung.

„Der Kläger meint, die Berufungsfrist sei unverschuldet versäumt worden. Es habe sich lediglich um einen „Anklick-Fehler“ der ansonsten stets weisungsgemäß und fehlerfrei arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten D1 gehandelt.“… „In der entsprechenden Anwaltssoftware (RA-Micro) sei aber das zuständige Oberlandesgericht Schleswig nicht eingepflegt gewesen, sondern nur das Landgericht Kiel als das „im Berufsalltag (der Kanzlei K1) am häufigsten vorkommende Berufungsgericht“.

„Es liegt auf der Hand, dass eine wirksame Kontrolle nicht nur mit der bloßen Anwaltssoftware erfolgen kann…, sondern selbstverständlich auch einen Vergleich anhand des Fristenkalenders und der Handakte erfordert. Bei einer solchen Überprüfung hatte der Zuständigkeitsfehler spätestens entdeckt werden können und müssen. Schließlich war in der Berufungsschrift vom 14.9.2022 das zuständige Oberlandesgericht Schleswig ausdrücklich als Adressat genannt. Außerdem wäre der Fehler – worauf die Beklagte zu 1. zu Recht hinweist – vermieden worden, wenn bereits vor Anfertigung und Verarbeitung der Berufungsschrift in der entsprechenden Anwaltssoftware (hier „RA-Micro“) das zuständige Oberlandesgericht Schleswig als mögliches Berufungsgericht eingepflegt gewesen wäre.

Schließlich dürfte es auch fehlerhaft gewesen sein, dass die in Vollzeit tätige Fachangestellte D1 unstreitig nicht über eine eigene beA-Mitarbeiterkarte verfügte und deshalb unter dem Namen ihrer Kollegin (W1) die elektronische Versendung der Berufungsschrift veranlasst hat.“

 

Praxishinweis:

Legen Sie für die Berufung eine eigene Ake in der Anwaltssoftware an. Das schult den Blick der Benutzenden und vermeidet Fehler. Auch abrechnungstechnisch hat es sich bewährt, hier eine weitere Akte anzulegen.

Verwenden Sie für jeden Mitarbeitenden eine eigene beA-Mitarbeiterkarte oder ein beA-Softwarezertifikat, damit jederzeit nachgewiesen werden kann, wer die Einreichung vorgenommen hat.

V.

Fazit

Immer wieder fällt auf, dass die Fehler bei der Einreichung am Tage des Fristablaufs erfolgen. Zwar darf man grundsätzlich die Frist ausschöpfen, es wäre jedoch ggf. bei einer rechtzeitigen, vor Ablauf der Notfrist erfolgenden Einreichung, eine erfolgreiche Reparatur möglich gewesen.

Verlassen Sie sich nicht ausschließlich auf Ihre Anwaltssoftware, auch wenn die Bearbeitung über die Schnittstelle zum beA eine bequemere Arbeitsweise ermöglicht. Kontrollieren Sie vor Feierabend in der beA-Webanwendung, ob sich im Postausgang noch ungesendete Nachrichten befinden. Dazu kann man sich bei mehreren Anwälten eine persönliche Sicht in der beA-Webanwendung anlegen, um auf einen Blick mehrere Postfächer zu kontrollieren.

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