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A. Einleitung

Ich beginne diesmal meine Einleitung zur e-Broschüre mit einem wörtlichen Zitat aus dem aktuellen „Monitor Digitale Verwaltung“ des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) – https://www.normenkontrollrat.bund.de/resource/blob/72494/1910766/566ab77d765445919a53924f0781ca20/210504-monitor-digitale-verwaltung-5-data.pdf:

Die Pandemie hat das Land noch immer fest im Griff. Zwar sind Erleichterungen absehbar, doch noch herrscht Krisenstimmung. Ein ungutes Gefühl hat sich eingestellt. Von Infektionswelle zu Infektionswelle schwand das Vertrauen, dass Staat und Verwaltung in der Lage sind, schnell, konsequent, nachvollziehbar und pragmatisch zu handeln. Dabei arbeiten viele im öffentlichen Dienst am Limit und bemühen sich redlich, Bürgern und Unternehmen durch die Krise zu helfen. Das Engagement ist da. Doch müssen wir in aller Demut feststellen, dass das Ergebnis trotz des immensen Ressourceneinsatzes oft hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Deutschland ist unzufrieden mit sich selbst. Unzufrieden mit einer mangelnden strategischen Weitsicht, mit komplizierten Abstimmungs- und Entscheidungsstrukturen, mit aufwändigen Lösungen und bürokratischen Abläufen – allen voran, mit der fehlenden Digitalisierung in Verwaltung, Bildungs- und Gesundheitswesen. Das Selbstbild eines gut organisierten und gut regierten Landes hat sichtbare Risse bekommen. In der Krise wird deutlich, was auch in „normalen“ Zeiten immer öfter Sorgen bereitet: Deutschland ist, denkt und handelt zu kompliziert.

Dazu passt eine aktuelle Meldung zur Digitalisierung bei den Gesundheitsämtern:

Die Software SORMAS, die die Nachverfolgung von Corona-Infektionen erleichtern soll, ist bislang bundesweit erst bei 56 von 375 Gesundheitsämtern eingeführt. Bisher würden Informationen aus Datenschutzgründen häufig noch per Fax oder auf dem Postweg übermittelt (WAZ v. 7.6.2021).

Unbestreitbar hat die Coronakrise die Digitalisierungsschwächen gerade auch in der Justiz besonders deutlich zutage gefördert. In einem gemeinsamen Positionspapier von Deutschem Richterbund (DRB) und Deutschem Anwaltverein (DAV) zur Bundestagwahl 2021 wird die Forderung aufgestellt, auch nach der Pandemie müsse im Interesse des Rechtsstaats weiter an Verbesserungen gearbeitet werden.

An erster Stelle steht die Forderung, den Bürgerinnen und Bürgern einen effektiven Zugang zum Recht zu gewährleisten. Dieser Zugang zum Recht zähle zur im Grundgesetz verankerten Daseinsvorsorge. Gerade während der Pandemie habe sich gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Justiz den Menschen effektiven Rechtsschutz gewährt. Dazu benötige man eine ausreichende Stellenbesetzung und eine bessere technische Ausstattung in der Justiz. Notwendig sei ein Rechtsstaatspakt 2.0, der diese Ziele vorantreiben soll. Gerichte bräuchten Videoanlagen und Webcams sowie einheitliche Standards in allen Bundesländern bei der Videotechnik für Gerichtsverhandlungen. Um die Digitalisierung voranzutreiben, gehörten auch die Verfahrensordnungen auf den Prüfstand.

Die Verbände kritisieren, dass die Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren vielfach eine „Gesetzgebung im Stakkato“ praktiziert habe, bei der die betroffenen Berufsgruppen nicht immer ausreichend eingebunden worden seien. Die Eilverfahren hätten sich nicht erst anlässlich der Corona-Krise gehäuft. Mangelhafte Transparenz, zu kurze Beteiligungsfristen und fehlende Praxistests schadeten aber der Akzeptanz der Gesetzgebung insgesamt, warnen DRB und DAV. Die neue Bundesregierung müsse der Qualitätskontrolle durch Experten während des Gesetzgebungsverfahrens wieder einen höheren Stellenwert einräumen.

Aber es gibt wahrlich noch Grund zum Staunen: Nach jahrelanger Kritik reagiert die Deutsche Bahn und ermöglicht tatsächlich seit 1.6.2021, dass Fahrgäste Erstattungen für Verspätungen endlich auch online beantragen können. Bislang mussten betroffene Fahrgäste, die wegen der durchaus häufigen Verspätungen Ansprüche auf Erstattung geltend machen wollten, ein ellenlanges Papierformular ausfüllen und dies entweder per Post an die Bahn schicken oder es in einem der noch wenigen verbliebenen Reisezentren abgeben. Nunmehr kann der Bahnkunde seine Fahrgastrechte auch online auf bahn.de oder in der App „DB Navigator“ über das Kundenkonto geltend machen. Dazu muss die Fahrkarte für die entsprechende Reise, allerdings über dieses Kundenkonto gekauft worden sein bzw. im Kundenkonto hinterlegt sein.

Hoffentlich hat der Kunde, der seine Entschädigung online beantragen will, dann auch einen ausreichend schnellen Zugang zum Internet.

Nur zur Erinnerung: In Spanien haben 80 Prozent aller Haushalte einen Glasfaseranschluss – in Deutschland sind es gerade einmal 10 Prozent!

Was bietet Ihnen diesmal unsere e-Broschüre?

Dr. Ralf Köbler, Präsident des Landgerichts Darmstadt, befasst sich mit der Vorschrift des § 128a ZPO über die Videoverhandlung bei Gericht, also mit einer Norm, die bereits seit 20 Jahren im Gesetz steht, aber bisher offenbar in einem tiefen „Dornröschenschlaf“ gelegen ist. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde diese Vorschrift in der Praxis jetzt entdeckt und mit Leben erfüllt – eine der positiven Folgen der Corona-Krise. Allerdings zeigte sich gleich, dass für die Praxis Nachbesserungen der Norm dringend erforderlich sind – wie in dem Beitrag ausgeführt wird.

Zu diesem Thema passt, dass die Richter des Bundesfinanzhofes sich jetzt auch im Rahmen einer gesicherten Videokonferenz beraten können (Pressemitteilung des BFH Nr. 14/2021 v. 29.4.2021). Ob eine solche Beratung und Abstimmung auch in einer Videokonferenz erfolgen kann, ist gesetzlich nicht geregelt. Nach Auffassung des BFH kann eine wirksame Beratung und Abstimmung eines – wie beim BFH – nur aus Berufsrichtern bestehenden Richterkollegiums statt in einer Präsenzsitzung in einem geschlossenen Raum auch im Rahmen einer Videokonferenz stattfinden.

Dafür muss gewährleistet sein, dass bei gleichzeitiger Teilnahme sämtlicher an der Entscheidung beteiligten Richterinnen und Richter jede Person jederzeit und zeitgleich mit den anderen kommunizieren kann und alle die gesamte Kommunikation in Ton und Bild mitverfolgen können. Zudem muss die Beratung und Abstimmung technisch auf der Grundlage einer gesicherten Datenverbindung erfolgen. Auf diese Weise kann jedenfalls in Verfahren, die keine mündliche Verhandlung erfordern, auch in Pandemiezeiten ein effektiver Rechtsschutz in angemessener Zeit gewährleistet werden.

In seinem zweiten Beitrag berichtet Dr. Ralf Köbler umfassend über die wesentlichen Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“.

Ausgehend von diesen Überlegungen werden rechtspolitische Aktivitäten gefordert. So will Bayern die Digitalisierung im Zivilprozess vorantreiben und fordert dazu die schnelle Einsetzung einer Kommission auf Bundesebene, damit eine breite Debatte dazu noch vor der Bundestagswahl beginnen könne. Die Forderung der Justizministerkonferenz müsse schnell umgesetzt werden. Erforderlich sei eine breit geführte Diskussion, die alle Akteure einbeziehe: Vertreter des Bundes, der Länder, der Gerichte, der Anwaltschaft, der Verbraucherverbände, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Ziel seien praxisgerechte, für alle Verfahrensbeteiligten akzeptable Reformen. Besonders geeignet für eine baldige Diskussion seien Vorschläge der Arbeitsgruppe zum Einsatz von Videokonferenztechnik, für ein beschleunigtes Online-Verfahren und zum automatisierten Wortprotokoll (siehe https://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2021/76.php).

Ilona Cosack bespricht diesmal eine Entscheidung LAG Schleswig-Holstein und gibt wertvolle Hinweise, welche Anforderungen an die Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes gestellt werden.

Zum Abschluss folgt dann wieder ein bunter Strauß an weiteren Informationen.

Wir wünschen Ihnen eine angenehme und nutzbringende Lektüre unserer e-Broschüre.

Dr. Wolfram Viefhues

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