Der Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer den Ersatz notwendiger Detektivkosten verlangen, wenn sich bei der Überwachung der Verdacht auf Arbeitszeitverstöße durch den Arbeitnehmer bestätigt, die eine fristlose Kündigung nach sich gezogen haben.
[Redaktioneller Leitsatz]
I. Der Fall
Kündigung und Detektivkosten
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tat- und hilfsweisen Verdachtskündigung sowie über die Erstattung von Detektivkosten. Der Kläger war bei der Beklagten, einem Verkehrsunternehmen, als Fahrausweisprüfer angestellt.
massiver Arbeitszeitbetrug
Die Beklagte kündigte ihm außerordentlich fristlos und begründete dies damit, der Kläger habe Arbeitszeitbetrug begangen. Sie habe von anderen Mitarbeitern erfahren, dass der Kläger während der Arbeitszeit ein Fitness-Studio, eine Moschee und einen Friseur aufgesucht habe. Um diese schwerwiegenden Vorwürfe zu überprüfen, habe sie eine Detektei beauftragt, den Kläger unregelmäßig an einzelnen Tagen zu observieren. Hierbei sei festgestellt worden, dass der Kläger sich während seiner Arbeitszeit mehrfach – ohne entsprechenden Pauseneintrag in dem Arbeitszeiterfassungssystem – an der Adresse seiner Freundin oder in Bäckereien/Cafés aufgehalten habe und mehrfach längere Pausen gemacht habe als von ihm eingetragen worden sei. Nachweise oder Berichte über etwaige Fahrausweiskontrollen in diesen Zeiträumen lägen nicht vor. Im Rahmen seiner Anhörung habe der Kläger diese Sachverhalte nicht erklären können.
Detektivkosten
Den von der Detektei für die Observierung des Klägers in Höhe von insgesamt 21.608,90 EUR zzgl. 19 % MwSt. in Rechnung gestellten Fragen verlangt die Beklage ersetzt.
Verfahrensgang
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab (ArbG Köln, Urt. v. 8.11.2023 – 18 Ca 206/23). Die Kündigung sei wirksam. Die Observation durch die Detektei sei berechtigt gewesen, Beweisverbote bestünden nicht und der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Zudem schulde der Kläger der Beklagten die Erstattung der Detektivkosten als Schadenersatz.
II. Die Entscheidung
Berufung erfolglos
Die dagegen eingelegte Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das LAG Köln hielt sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die Zahlungsklage des Arbeitgebers auf Ersatz der Detektivkosten für gerechtfertigt.
Arbeitszeitbetrug erwiesen
Das Landesarbeitsgericht hielt es für erwiesen, dass der Kläger an mehreren Tagen privaten Tätigkeiten nachgegangen sei, ohne dies als Pausenzeiten zu erfassen. So stellt es u.a. pointiert fest, es sei auszuschließen, dass er in der Wohnung seiner Freundin Fahrkarten kontrolliert habe. Eine andere Arbeitsleistung sei weder vorgetragen, noch seien Probleme bei der Zeiterfassung ersichtlich. Dies rechtfertige ohne Weiteres die fristlose Kündigung.
Observation gerechtfertigt
Auch die Observation des Klägers durch die Detektei sei nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zulässig. Selbst wenn man dies anders sehen würde und eine Überwachung des Klägers durch eine Detektei für unzulässig hielte, folge hieraus kein Beweisverbot. Dies setze in aller Regel voraus, dass die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen und deshalb die Verwertung selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen würde. Zwar sei ein Grundrechtseingriff vorliegend gegeben, er sei aber nur von geringer Intensität, weil er nur während der Schichtzeiten des Klägers im öffentlichen Verkehrsraum über einen Zeitraum von wenigen Tagen erfolgt sei. Eine vom Kläger angeführte „Orwell‘sche Überwachung“ habe nicht vorgelegen.
Erstattung Detektivkosten
Die Beklagte habe gegen den Kläger zudem einen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten, dem Detektiv die Überwachung des Klägers da aufgrund des konkreten Tatverdachts übertragen worden sei und der Kläger einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wurde. Insofern handele es sich um keine Vorsorgekosten, die unabhängig von konkreten schadensstiftenden Ereignissen als ständige Betriebsausgabe vom Arbeitgeber zu tragen sind.
III. Der Praxistippe
Datenschutz kein Tatenschutz
Die Entscheidung des LAG Köln verdeutlicht, dass das gerade in Deutschland gern bemühte Datenschutzrecht kein unüberwindbares Schutzrecht ist, sondern das Recht auf informelle Selbstbestimmung einer Interessenabwägung mit anderen Rechten (z.B. des Arbeitgebers) unterzogen werden muss. Derjenige, der einen Arbeitszeitbetrug begeht, der also sogar eine Straftat begeht, der muss daher auch in Kauf nehmen, dass er observiert werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn diese Überwachung – wie im vorliegenden Fall – sehr zurückhaltend erfolgt.
kein Kavaliersdelikt
Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Der Arbeitgeber muss sich insbesondere bei solchen Tätigkeiten, bei denen er keine örtlich bedingte Kontrollmöglichkeit hat (z.B. im Außendienst, Home-Office) darauf verlassen können, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbringt bzw. die Zeit erfasst. Denn schließlich wird diese Leistung auch vergütet. Hat er berechtigte Zweifel, dass der Arbeitnehmer Pflichtverletzungen begeht, lässt er diese durch einen Dritten prüfen und bestätigt sich der Verdacht, dann können auch die notwendigen Kosten der Überwachung dem Arbeitnehmer auferlegt werden.