1. Beim Befristungsgrund der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber grundsätzlich davon ausgehen, dass der Vertretene nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit seine Arbeit wiederaufnehmen wird, es sei denn, es bestehen bei Vertragsabschluss erhebliche Zweifel an der Rückkehr des zu vertretenden Arbeitnehmers.
2. Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist keine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme nach dem Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen.
[Redaktioneller / amtlicher Leitsatz]
I. Der Fall
Sachgrundbefristung zur Vertretung
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Sachgrundbefristung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers.
krankheitsbedingte Vertretung
Der Kläger war in der Vergangenheit mehrfach (vom 7.9.2015 bis zum 2.12.2015 sowie vom 1.12.2020 bis zum 9.1.2022) befristet zur Vertretung einer anderen Arbeitnehmerin beschäftigt worden, die nun aufgrund ärztlicher Bescheinigung „aus medizinischen Gründen über einen längeren Zeitraum als Lehrerin ausfallen [wird], vermutlich bis Ende März 2022“. Vor diesem Hintergrund schlossen die Parteien nach Beteiligung der Personalvertretung, aber ohne Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten unter dem 10.1.2022 erneut einen nun bis zum 24.4.2022 (verlängerten) befristeten Arbeitsvertrag.
Arbeitnehmer hat Zweifel an Wirksamkeit der Befristung
Der Kläger erhob fristgerecht Entfristungsklage mit der Begründung, dass es unwahrscheinlich sei, dass die von ihm zu vertretende Arbeitnehmerin aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustands wieder zurückkehren würde, und dass die Befristung deshalb nur ein Vorwand sei. Zudem sei die Gleichstellungsbeauftragte nicht ordnungsgemäß in die Entscheidung einbezogen worden, was die Befristung seiner Meinung nach ungültig machte.
Verfahrensgang
Nachdem bereits das Arbeitsgericht die Entfristungsklage des Klägers abgewiesen hatte (ArbG Duisburg, Urt. v. 26.10.2022 – 4 Ca 627/22), wies auch das Landesarbeitsgericht die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zurück (LAG Düsseldorf, Urt. v. 19.5.2023 – 7 Sa 770/22). Die hiergegen eingelegte Revision blieb ohne Erfolg.
II. Die Entscheidung
Revision ohne Erfolg
Der Siebte Senat hat die zulässige Revision als unbegründet angesehen, da das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende arbeitsgerichtliche Urteil im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen habe. Das Arbeitsverhältnis habe aufgrund Befristung mit Ablauf des 24.4.2022 sein Ende gefunden und die Befristung ist insbesondere nicht aus landesgleichstellungsrechtlichen Gründen rechtsunwirksam.
Elternzeitvertretung wirksamer Sachgrund
Das Landesarbeitsgericht habe zu Recht erkannt, dass die im Arbeitsvertrag vom 10.1.2022 vereinbarte Befristung durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt ist.
zutreffende Ausfallprognose
Zunächst – so lautet es in den Entscheidungsgründen – sei die Prognose, die zu vertretene Arbeitnehmerin werde krankheitsbedingt vorübergehend ausfallen, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gerechtfertigt gewesen und das beklagte Land habe aufgrund der ihm vorliegenden Informationen keine erheblichen Zweifel an deren Rückkehr haben müssen. Insbesondere sei es nicht gehalten gewesen, vor Abschluss des Vertrags mit dem Kläger von sich aus Erkundigungen über die gesundheitliche Entwicklung der Vertretenen einzuholen oder nach deren vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu fragen.
Kausalzusammenhang zwischen Ausfall und Vertretung
Ferner sei das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler von einem Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall und der befristeten Einstellung des Klägers ausgegangen, da eine auch arbeitsvertraglich dokumentierte Vertretung in einem Fach unmittelbar und in einem weiteren Fach mittelbar vorlag.
geringfügige Überlappung nach Rückkehr irrelevant
Des Weiteren stelle auch der Umstand, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit geringfügig länger war als der dem beklagten Land ausweislich der ihm vorliegenden ärztlichen Bescheinigung vom 15.12.2021 mitgeteilte (weitere) Ausfall der zu vertretenen Arbeitnehmerin, die Wirksamkeit der Befristung nicht in Frage. Das Landesarbeitsgericht habe insoweit wegen der schuljahres- und schulhalbjahresbezogenen Personalplanung für den Unterricht sowie der Osterferien 2022 eine nicht zu beanstandende Rechtfertigung für die den prognostizierten Vertretungsbedarf überschreitende Befristungsdauer angenommen.
kein Rechtsmissbrauch
Schließlich sei die Wertung des Landesarbeitsgerichts, wonach in der Beschäftigungszeit des Klägers vom 1.12.2020 bis zum 21.4.2022 nur vier befristete Arbeitsverträge geschlossen worden seien und der von August bis Dezember 2015 befristete Vertrag wegen der erheblichen Unterbrechung und seiner nur kurzen Dauer nicht hinzuzurechnen sei, nicht zu beanstanden. Liege ein Sachgrund vor, können nach der Rechtsprechung von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht werden, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteige bereits acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart (BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15; BAG, Urt. v. 21.2.2018 – 7 AZR 765/169). Eine missbräuchliche Nutzung der Befristungsmöglichkeit sei von daher nicht gegeben.
ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung
Auch der nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW zu beteiligende Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden, da insbesondere der Sachgrund für die (beabsichtigte) Befristung hinreichend benannt worden sei.
keine Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten
Schlussendlich sei die Befristung eines Arbeitsvertrags keine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme nach dem Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen.
III. Der Praxistipp
Leitplanken beachten
Geradezu mustergültig zeigt das Urteil die (sinnvollen) Möglichkeiten und die Reichweite einer Sachgrundbefristung „zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers“ (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 TzBfG) auf. Diese Leitplanken sind zu beachten und man sollte nicht nur auf die arbeitsvertragliche Dokumentation achten, sondern auch darauf, dass die Vertretung in der Praxis auch tatsächlich erfolgt.
Gleichlauf zwischen Ausfallzeit und Vertragslaufzeit
Zur Vermeidung eines Risikos der Unwirksamkeit der Sachgrundbefristung sollte jedoch nicht darauf vertraut werden, dass eine wenn auch nur geringfügig längere Vertragslaufzeit als die voraussichtliche Vertretungsdauer generell als rechtswirksam betrachtet wird. Es empfiehlt sich vielmehr ein Gleichlauf zwischen der voraussichtlichen Ausfallzeit des zu vertretenden Arbeitnehmers und der Dauer der Sachgrundbefristung.
Dr. Gunther Mävers, Maître en Droit (Aix-en-Provence), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, maevers@michelspmks.de