1. Auf einen in den Vorinstanzen begangenen Besetzungsverstoß kann die Revision nur gestützt werden, wenn auch das Berufungsurteil mit diesem Verfahrensmangel behaftet ist.
2. Bei einem kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrag ist es für die Wahrung des Schriftformgebots nach § 14 Abs. 4 TzBfG nicht erforderlich, dass neben dem schriftlich benannten Beendigungsdatum das Datum des Beginns des Arbeitsverhältnisses schriftlich festgehalten ist.
[Orientierungssätze]
[Redaktionelle Leitsätze]
I. Der Fall
Streitgegenstand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung sowie einer vorsorglich erklärten Kündigung der Beklagten.
Vertragsschluss
Für die Sommersaison 2019 sollte im Südbad in J. ein Kassierer beschäftigt werden. Zu diesem Zwecke schlossen die Beklagte und der Kläger unter dem Datum „1.4.2019“ einen befristeten Arbeitsvertrag. In § 1 hieß es hierzu:
„Der Arbeitnehmer wird als Kassierer im Südbad für den Zeitraum vom 15.5.2019 bis zum 30.9.2019 befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der vereinbarten Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“
Vertragsmodifizierung vor Aufnahme der Beschäftigung
Nach Unterzeichnung des Vertrages und noch vor Beginn der Tätigkeit, kamen die Parteien mündlich überein, dass die Arbeitsaufnahme früher beginnen solle. Im Zuge dessen übersandte die Beklagte dem Kläger eine geänderte erste Seite des Arbeitsvertrages, in der § 1 dahingehend geändert wurde, dass die befristete Einstellung „für den Zeitraum vom 1.5.2019 bis zum 30.9.2019“ erfolgen solle. Ferner wurde auch die Vertragsnummer modifiziert. Die Beklagte bat den Kläger, die erste Seite des Vertrags auszutauschen und die „alte“ erste Seite zurückzusenden. Dies erfolgte nicht. Der Kläger nahm seine Tätigkeit am 4.5.2019 auf.
Klageerhebung
Mit seiner am 21.10.2019 beim ArbG Gera erhobenen Klage griff der Kläger die Befristung seines Arbeitsverhältnisses an. Er war der Ansicht, dass die Befristungsabrede nicht dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG genüge, da dieses sich auf die Vertragslaufzeit (15.5.2019 bis 30.9.2019) beziehe, deren tatsächliche Änderung (1.5.2019 bis 30.9.2019) allerdings nicht schriftlich niedergelegt worden sei.
vorsorgliche Kündigung
Die Beklagte kündigte vorsorglich mit Schreiben vom 12.12.2019 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. Der Kläger erhob hiergegen Kündigungsschutzklage bei dem ArbG Gera. Beide Verfahren wurden miteinander verbunden.
Verfahrensgang
Das ArbG Gera hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen (ArbG Gera, Urt. v. 5.5.2021 – 7 Ca 271/19). Hiergegen erhob der Kläger erfolglos Einspruch; das Versäumnisurteil wurde aufrechterhalten und ein Befangenheitsantrag als unzulässig zurückgewiesen (ArbG Gera, Urt. v. 18.5.2021 – 7 Ca 271/19). Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das LAG Thüringen zurückgewiesen (LAG Thüringen, Urt. v. 21.6.2022 – 1 Sa 115/21). Mit der Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren zum Teil weiter. Die Revision stützt sich u.a. auf Sachrügen sowie auf eine Verletzung von Verfahrensrecht. Der Kläger habe bereits mit seiner Berufungsbegründung u.a. geltend gemacht, dass an der arbeitsgerichtlichen erstinstanzlichen Entscheidung der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Direktor des Arbeitsgerichts als Vorsitzender der erkennenden Kammer mitgewirkt habe und die erstinstanzliche Behandlung der insoweit angebrachten Ablehnungsgesuche verfahrensfehlerbehaftet gewesen sei. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung
Revision unbegründet
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LAG Thüringen hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil nach Auffassung des 7. Senats zu Recht zurückgewiesen.
keine Verletzung von Verfahrensrecht
Mit der Revision könne die Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht nicht auf den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG gestützt werden, da vorliegend die Besetzung der ersten Instanz, also des Arbeitsgerichts, beanstandet wurde. Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren ist hingegen allein die Entscheidung des LAG, also der zweiten Instanz (§ 72 Abs. 1 ArbGG, § 542 Abs. 1 ZPO). Besetzungsfehler in erster Instanz können eine Verfahrensrüge hingegen nicht begründen. Allerdings ist auch die Entscheidung des LAG Thüringen nicht zu beanstanden. Das LAG Thüringen hat eine Inzidentprüfung des Ablehnungsgesuchs des erstinstanzlichen Richters zu Recht abgelehnt. § 49 Abs. 3 ArbGG schließt insofern eine Inzidentprüfung der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch im Berufungsverfahren grundsätzlich aus, denn hierfür ist das Arbeitsgericht zuständig. Demgegenüber schließt auch § 68 ArbGG für das arbeitsgerichtliche Berufungsverfahren eine Zurückverweisung wegen eines Verfahrensmangels erster Instanz aus. Dadurch wird dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung, § 9 Abs. 1 ArbGG, Genüge getan. Nur wenn der Verfahrensmangel schwer wiegt, ist ausnahmsweise eine Zurückverweisung zulässig. Ein Besetzungsmangel ist allerdings bereits damit behoben, wenn vor dem ordnungsgemäß besetzten Berufungsgericht neu verhandelt wird.
kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis
Die streitbefangene Befristungsabrede vom 1.4.2019 genügt dem Schriftformerfordernis gem. § 14 Abs. 4 TzBfG. Durch die mündliche Abrede, dass der Kläger die Tätigkeit früher aufnehmen werde, sei weder eine weitere noch eine neue Befristungsabrede getroffen worden, die der Schriftform bedurft hätte.
kein neuer Vertragsschluss durch mündliche Abrede
Durch die mündliche Abrede, die Tätigkeit vor dem 15.5.2019 aufzunehmen, sei kein weiterer oder anderer Arbeitsvertrag geschlossen worden. Es handele sich hierbei um kein „neues“ Arbeitsvertragsangebot. Der Beginn des Arbeitsvertrages sollte lediglich vorverlegt werden. Dies ergebe sich zum einen aus der Bitte der Beklagten, dass der Kläger die erste Seite des Arbeitsvertrages vom 1.4.2019 austauschen und die „alte“ Seite zurücksenden solle. Wenn ein neues oder weiteres befristetes Arbeitsverhältnis hätte abgeschlossen werden sollen, wäre eine derartige Vorgehensweise nicht erforderlich gewesen. Ebenso unschädlich sei auch die modifiziert angegebene Vertragsnummer, da vorliegend gerade kein neuer Arbeitsvertragstext übersandt worden ist.
Befristungsabrede ist wirksam
Das Arbeitsverhältnis sei daher wirksam bis zum 30.9.2019 kalendermäßig befristet. Die Befristungsabrede halte einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie sei als Allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB zu verstehen; jedenfalls wäre auch von einer Einmalbedingung gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auszugehen. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Einmalbedingungen durch das LAG ist der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich. Hiernach ergebe sich, dass die Parteien ausdrücklich den 30.9.2019 als Endtermin des Arbeitsverhältnisses bestimmt haben. Hiergegen spricht auch nicht, dass die Parteien die Einstellung von einem „Zeitraum“ vorgesehen haben, da das Enddatum unmissverständlich definiert wurde.
Vorverlegung des Arbeitsbeginns bedarf keiner Schriftform
Dass die Vorverlegung des Arbeitsbeginns mündlich erfolgte, sei unschädlich, denn dies lasse das Enddatum unberührt. Der Anfangszeitpunkt eines befristeten Arbeitsvertrags bedürfe allenfalls dann der Schriftform, wenn er zur Bestimmung des Endzeitpunkts maßgeblich ist. Erforderlich sei insofern, dass der Endzeitpunkt eindeutig bestimmt oder bestimmbar ist. Dies war hier mit der Benennung des 30.9.2019 als Beendigungsdatum der Fall.
Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion des § 14 Abs. 4 TzBfG wurde Genüge getan
Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG verfolge den Zweck, größtmögliche Rechtssicherheit zu gewährleisten. Dem Arbeitnehmer müsse bewusst werden können, dass mit Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages sein Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch endet. Der Arbeitsvertrag bilde insofern keine dauerhafte Existenzgrundlage. Sofern ein bestimmtes Beendigungsdatum angegeben ist, und eben dieses ist für den Arbeitnehmer maßgeblich, tangiere die Angabe des Beginns des Arbeitsverhältnisses weder den klarstellenden, den warnenden noch den beweissichernden Zweck des § 14 Abs. 4 TzBfG. Für den Kläger sei im hiesigen Fall klar erkennbar gewesen, zu welchem Zeitpunkt sein Arbeitsverhältnis, unabhängig von dessen Beginn, enden wird.
Beweisfunktion erstreckt sich nicht auf die Befristungshöchstdauer
Der Senat ist der Auffassung, dass es sich den Gesetzesmaterialien zu § 14 Abs. 4 TzBfG nicht entnehmen lasse, dass sich die Beweisfunktion der schriftlichen Befristungsabrede ebenso auf die Einhaltung der Befristungshöchstdauer – vor allem nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG – erstrecken soll. Gegenstand des Schriftformgebots sei die Befristungsabrede „an sich“ und allein auf diese beziehe sich die bezweckte Erleichterung der Beweisführung. § 14 Abs. 4 TzBfG gibt insofern die Schriftform für jede Art von Befristungen vor, auch für solche, deren Zulässigkeit sich nicht anhand einer (Gesamt-)Vertragsdauer bemisst, wie Befristungen mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG.
III. Der Praxistipp
Dauerbrenner Schriftformerfordernis bei Befristungsabreden
Die kalendermäßige Befristung von Arbeitsverhältnissen birgt eine Vielzahl von Fallstricken. Insbesondere die formalen Anforderungen sollten vor dem Hintergrund der sachlichen Hürden nicht aus den Augen gelassen werden. Empfehlenswert ist es daher stets – jedenfalls wie hier –, ein bestimmtes Beendigungsdatum zu wählen und als solches auch zu benennen und von beiden Parteien handschriftlich unterzeichnen zu lassen. Hierdurch kann bereits eine der formalen Hürden genommen werden.
vorzeitige Arbeitsaufnahme
Bei einer vorzeitigen Aufnahme der Tätigkeit vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn, sollten Arbeitgeber die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen stets im Blick behalten und die erforderlichen Meldepflichten konsequenterweise auch zeitnah einhalten. Auch wenn es hier schließlich keiner schriftlichen Vereinbarung über die Vorverlegung des Arbeitsbeginns bedurft hatte, sollte darauf geachtet werden, dass bei Vertragsabschluss sämtliche Modalitäten bereits abschließend geklärt sind.
Bella Silberstein, Rechtsanwältin, Düsseldorf, silberstein@michelspmks.de