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Terminvorschau BAG 02-2023

– BAG 8 AZR 126/22 –

Entschädigungsanspruch (AGG) – Benachteiligung wegen der Religion im Stellenbesetzungsverfahren – Tragen eines islamischen Kopftuchs durch eine Erzieherin in einer städtischen Kindertagesstätte

Die Klägerin ist ausgebildete Sozialpädagogin. Aufgrund ihrer Religion trägt sie ein Kopftuch. Im Februar 2019 bewarb sie sich auf eine bei der beklagten Stadt ausgeschriebene Vollzeitstelle als Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Bei der Beklagten besteht eine Dienstanweisung, nach der für die Arbeitsverhältnisse der bei ihr Beschäftigten auf Arbeitsplätzen mit unmittelbarem Kundenkontakt § 45 des Hessischen Beamtengesetzes entsprechend angewendet wird. Diese Norm regelt für Beamte die Pflicht, sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten und verbietet ihnen u.a. das Tragen von Kleidungsstücken, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden. Unter Hinweis auf die bestehende Neutralitätspflicht wurde die Klägerin im Vorstellungsgespräch gefragt, ob sie bereit sei, während der Dienstzeit das Kopftuch abzulegen. Die Klägerin konnte dies nicht zusichern. Die Beklagte teilte ihr im weiteren Verlauf des Bewerbungsverfahrens mit, dass sie nicht in die engere Auswahl gekommen sei. Darauf antwortete die Klägerin unter Hinweis auf den Verlauf des Bewerbungsgesprächs, dass sie nun doch bereit sei, das Kopftuch abzulegen. Die Beklagte bot ihr eine unverbindliche Hospitation in einer ihrer Einrichtungen an. Letztlich wurde die Klägerin nicht eingestellt.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund ihrer Religion i.H.v. drei Bruttomonatsgehältern geltend gemacht, die sie auf der ausgeschriebenen Stelle erzielt hätte, insgesamt 9.167,97 EUR. Sie hat gemeint, das bloße Tragen eines Kopftuchs durch eine Erzieherin sei nicht geeignet, die Neutralität der Kindertagesstätte in Frage zu stellen. Ein Verbot sei nur aufgrund von konkreten Gefährdungen des Einrichtungsfriedens gerechtfertigt, die die Beklagte nicht dargelegt habe. Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, eine verbotene Benachteiligung der Klägerin liege nicht vor. Ihre eigene Pflicht zu religiöser Neutralität, die Konzeption ihrer Kindertagesstätten sowie die negative Religionsfreiheit der dort betreuten Kinder und das Vertrauen von deren Eltern in eine religiös und weltanschaulich neutrale Betreuung und Erziehung erforderten eine ausnahmslose weltanschauliche und religiöse Neutralität der dort beschäftigten Erzieher. Dem stehe das Tragen eines islamischen Kopftuches entgegen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin eine Entschädigung i.H.v. eineinhalb Bruttomonatsgehältern zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Vorinstanz: Hessisches LAG, Urt. v. 15.11.2021 – 7 Sa 1341/19

Termin der Entscheidung: 30.3.2023, 11:30 Uhr

Zuständig: Achter Senat

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