Beitrag

LAG Sachsen: Unwirksame Vertragsstrafenregelung

Eine Vertragsstrafenklausel, die daran anknüpft, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis „schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ löst, wird den Anforderungen des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB an die Eindeutigkeit und Klarheit nicht gerecht, da sie weite Spielräume für Interpretationen zulässt, dass das Transparenzgebot verletzt ist.

[Redaktioneller Leitsatz]

LAG Sachsen, Urt. v. 24.1.20221 Sa 345/21

I. Der Fall

Beschäftigung als Altenpfleger

Der Kläger war bei dem Beklagten seit 7.8.2018 zunächst mit einer monatlichen Arbeitszeit von 30 Stunden für ein Bruttoarbeitsentgelt von 450 EUR sowie sodann aufgrund einer Ergänzungsvereinbarung vom 1.3.2019 seit dem 1.4.2019 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 40 Stunden für ein Bruttoarbeitsentgelt von 3.200 EUR tätig. Sein monatliches Gehalt belief sich zuletzt auf einen Betrag in Höhe von 3.306,50 EUR. Im Arbeitsvertrag war eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende vereinbart.

Vertragsstrafenregelungen

In dem zwischen den Parteien unter dem 17.12.2018 geschlossenen Arbeitsvertrag waren zwei Vertragsstrafenregelungen vorgesehen. Unter der Überschrift „Vertragsstrafe bei Vertragsbruch“ ist in § 18 vorgesehen, dass der Arbeitnehmer sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe der Vergütung, die er bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung erhalten hätte, maximal jedoch ein Bruttomonatsgehalt, verpflichtet für den Fall, dass er das Arbeitsverhältnis schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, löst. Des Weiteren sieht § 20 des Arbeitsvertrages eine „Vertragsstrafe bei Herausgabeverweigerung“ vor, wonach der Arbeitnehmer sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die in der vorangehenden Regelung des Arbeitsvertrages vorgesehene Herausgabepflicht von Arbeitsmitteln und Unterlagen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstößt.

Streit über Kündigungsfrist/Rückgabe Tablet

Nachdem der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.1.2021 zum 28.2.2021 gekündigt hatte, kam es zu Streit über die Kündigungsfrist sowie Rückgabe des ihm zur dienstlichen Nutzung überlassenen „IPad“ samt Software. Erst nach anwaltlicher Aufforderung zur Rückgabe vom 23.3.2021 sowie Geltendmachung einer Vertragsstrafe mit weiterem Anwaltsschreiben vom 5.3.2021 gab der Kläger das Tablet schließlich am 16.3.2021 zurück.

Widerklage auf Zahlung von Vertragsstrafen

Der Beklagte hat in seiner in erster Instanz erhobenen Widerklage die Auffassung vertreten, der Kläger schulde ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.306,50 EUR als Vertragsstrafe, weil er die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende nicht eingehalten habe. Ein weiteres Bruttomonatsgehalt von 3.306,50 EUR habe der Kläger als Vertragsstrafe verwirkt, weil er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Tablet nicht herausgegeben habe.

Verfahrensgang

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die auf Zahlung der Vertragsstrafen abzielenden Widerklageanträge zu 1 und 2 abgewiesen (ArbG Chemnitz, Urt. v. 5.7.2021 – 11 Ca 366/21). Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat der Beklagte die auf Zahlung von zwei Vertragsstrafen in Höhe von je 3.306,50 EUR gerichteten Widerklageanträge weiterverfolgt.

II. Die Entscheidung

Berufung zurückgewiesen

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, dass das Arbeitsgericht die auf Zahlung der Vertragsstrafen gerichteten zulässigen Widerklageanträge im Ergebnis zutreffend als unbegründet abgewiesen habe.

Vertragsstrafenregelungen sind AGB

Die Vertragsstrafenregelungen der §§ 18 und 20 des Arbeitsvertrages vom 17.1.2018 seien an den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vorschriften der §§ 305c Abs. 2, 306–309 BGB zu messen, da es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen in Form der Einmalbedingungen i. S. von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handele. Auf die Frage, ob die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden seien (§ 305 Abs. 1 BGB) komme es somit nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht an.

Vertragsstrafenregelung nicht durchsetzbar

Die Vertragsstrafenregelung in § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 könne den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Bruttomonatsgehalts als Vertragsstrafe nicht rechtfertigen.

Kündigungsfrist zwar nicht eingehalten

Dies folge zwar – im Gegensatz zur Ansicht des Arbeitsgerichts – nicht bereits daraus, dass die Kündigung des Klägers vom 28.1.2021 zum 28.2.2021 die für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltende Kündigungsfrist wahrte, da der Kläger vielmehr die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende nicht eingehalten habe.

Vertragsstrafe für Lösen vom Vertrag nicht per se unwirksam

Der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel stehe auch die Vorschrift des § 309 Nr. 6 BGB, wonach eine Klausel unwirksam ist, die eine Vertragsstrafe für den Fall verspricht, dass sich der andere Teil vom Vertrag löst, nicht entgegen. Aus der Vorschrift des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ergebe sich, dass § 309 Nr. 6 BGB auf arbeitsvertragliche Vertragsstrafenabreden, mit denen die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist sanktioniert wird, nicht anwendbar sei, da bei der Anwendung der gesetzlichen Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen seien.

Vertragsstrafe aus anderen Gründen unwirksam

Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe folge indes aus mehreren anderen Gründen. Die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen seien, so dass der Vertragspartner des Verwenders schon bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt. Diesen Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit entspreche die in § 18 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 getroffene Vertragsstrafenregelung nicht, da sie daran knüpfe, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis „schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ löst, was zu weite Spielräume für Interpretationen zuließe, dass das Transparenzgebot verletzt ist.

Vertragsstrafe wg. Nichtrückgabe ebenfalls unwirksam

Auch § 20 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 kann den insoweit geltend gemachten Vertragsstrafenanspruch von einem Bruttomonatsgehalt nicht rechtfertigen. Es handele sich zwar nicht um eine Pauschalierung von Schadensersatz, sondern eine Vertragsstrafe, die das Beststehen eines Schadensersatzanspruchs des Verwenders gerade nicht voraussetzt. Anders als nach Auffassung des Arbeitsgerichts habe der Kläger auch gegen die Herausgabepflicht aus § 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 verstoßen. Die Regelung sei allerdings ebenfalls nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB mit Blick auf die umfassend geregelte Herausgabepflicht („sämtliche Arbeitsunterlagen, -mittel und -ergebnisse, Unterlagen, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Durchschriften oder Kopien“) wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers unwirksam.

III. Der Praxistipp

Vertragsstrafenregelung schwer durchsetzbar

Es zeigt sich einmal mehr, dass die Vereinbarung von wirksamen und damit im Streitfall auch durchsetzbaren Vertragsstrafenregelungen in Arbeitsverträgen schwierig ist. Der Teufel steckt hier im Detail und immer wieder werden derartige Regelungen von der Rechtsprechung „kassiert“. Dies lässt sich auch durch eine noch so sorgsame Vertragsgestaltung nicht immer vermeiden.

Vertragsstrafenregelungen gleichwohl sinnvoll

Gleichwohl empfiehlt sich die Verwendung von Vertragsstrafenregelungen auch weiterhin, da diesen auch eine „Signalwirkung“ zukommt und Arbeitnehmer ggf. auch ungeachtet einer möglichen Unwirksamkeit im Einzelfall den Vertragspartner bereits davon abhalten, die vertragstrafenbewehrte Handlung überhaupt vorzunehmen.

Vertragsstrafenregelungen regelmäßig überprüfen

Vor dem Hintergrund der recht strengen Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenregelungen sollten derartige in Arbeitsverträgen enthaltene Klauseln regelmäßig mit Blick auf die Fortentwicklung der Rechtsprechung überprüft und ggf. angepasst werden.

Dr. Gunther Mävers, Maître en Droit, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, maevers@michelspmks.de

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…