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Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels bieten Unternehmen zur Mitarbeitergewinnung und -bindung an,
sich an den Kosten einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung der Arbeitnehmer ganz oder teilweise zu beteiligen.
Im Gegenzug werden die Mitarbeiter zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet, wenn das
Arbeitsverhältnis während der laufenden Fortbildung oder vor Ablauf einer festgelegten Zeit nach Abschluss
der Fortbildung endet. Eine solche Rückzahlungsverpflichtung bedarf einer ausdrücklichen
individualvertraglichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarung. Dabei unterliegen die vom Arbeitgeber
formularmäßig verwendeten Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklausel dem strengen Kontrollmaßstab
der §§ 305 ff. BGB. Will ein Arbeitgeber die Unwirksamkeit einer Rückzahlungsverpflichtung nicht riskieren,
sollten bei der Formulierung einer Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel daher die nachfolgenden
Aspekte beachtet werden.

I.

Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen

Vor dem Abschluss einer Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel ist zu prüfen, ob eine
Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten überhaupt rechtswirksam vereinbart werden kann. In
Berufsausbildungsverhältnissen und gleichgestellten Ausbildungsgängen sind Rückzahlungsklauseln gem. § 12
Abs. 2, § 26 BBiG gesetzlich untersagt. Das gesetzliche Verbot umfasst alle zum Ausbildungsberuf
hinführenden Bildungsmaßnahmen. Der zur Berufsausbildung des Berufskraftfahrers gehörende Erwerb des
Führerscheins der Klasse 2 kann daher nicht auf den Auszubildenden abgewälzt werden (BAG, Urt. v. 25.4.1984
– 5 AZR 386/83). Nach § 134 BGB nichtig sind auch alle Vereinbarungen über Kosten von Bildungsmaßnahmen, die
der Arbeitgeber zwingend zu tragen hat (z.B. Betriebsarzt, Betriebsbeauftragte, Betriebsratsschulung).
Gleiches gilt auch für die mit der Einweisung des Mitarbeiters in seinen Arbeitsplatz nach § 81 Abs. 1
BetrVG verbundenen Aufwendungen (vgl. BAG, Urt. v. 16.1.2003 – 6 AZR 384/01).

Ist eine Rückzahlungsverpflichtung nicht bereits gesetzlich untersagt, muss es sich um eine
geeignete Bildungsmaßnahme handeln. Dies ist bei einer Maßnahme zur Entwicklung von Fähigkeiten und
Kenntnissen, die generell für den Arbeitnehmer beruflich von Nutzen sind, der Fall. Sie kann auch darin
bestehen, bereits vorhandene Kenntnisse zu verbessern. Eine systematische Wissensvermittlung und Ausbildung
muss nur dann vereinbart werden, wenn das Arbeitsverhältnis wegen der Weiterbildung befristet werden soll
(vgl. BAG, Urt. v. 22.4.2019 – 7 AZR 96/08). Die Abwälzung der Kosten für das sogenannte
TÜV-Schweißerzeugnis ist in der Regel unwirksam, da der Arbeitnehmer bereits über die abverlangten
Fertigkeiten verfügt. Bei dem TÜV-Schweißerzeugnis geht es lediglich um den Nachweis der
öffentlich-rechtlichen Gestattung. Diese liegt im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers, der sonst nicht
auf dem Markt tätig werden könnte. Da die Prüfung regelmäßig zu wiederholen ist, würde eine Anerkennung der
Rückzahlungsklausel zu einer unzulässigen Dauerbindung des Schweißers an seinen Arbeitgeber führen (vgl. LAG
Düsseldorf, Urt. v. 7.11.1990 – 4 Sa 1295/90).

Neben der Eignung der Bildungsmaßnahme kann eine Rückzahlungsklausel nur dann wirksam vereinbart
werden, wenn dem Arbeitnehmer mit der Fortbildung ein verwertbarer Vorteil zufließt. Der Vorteil kann sich
aus unternehmensbezogenen Aufstiegsmöglichkeiten oder aus besseren Chancen am allgemeinen Arbeitsmarkt
ergeben (vgl. BAG, Urt. v. 11.4.1990 – 5 AZR 308/89). Dagegen liegt kein berücksichtigungsfähiger Vorteil
vor, wenn die Bildungsmaßnahme nur den Zweck verfolgt, vorhandene Kenntnisse und Fertigkeiten des
Arbeitnehmers aufzufrischen oder zu vertiefen. Gleiches gilt, wenn die Fortbildung lediglich der
„Qualitätssicherung“ dient (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 31.1.2012 – 13 Sa 1208/11). Dass die
Fortbildungsvereinbarung der beruflichen Weiterbilddung des Mitarbeiters dient und auf dessen Wunsch hin
absolviert wird, sollte in der Fortbildungsvereinbarung zum Ausdruck gebracht werden.

II.

Umfang der Rückzahlungsverpflichtung

Um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu genügen, muss die Höhe des vom Arbeitnehmer zu
erstattenden Betrags dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen in der Fortbildungsvereinbarung
angegeben werden. Eine Vereinbarung, nach der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, die Kosten einer
erforderlichen Fortbildung zu erstatten, ist mangels Bestimmtheit unwirksam (vgl. BAG, Urt. v. 21.11.2002 –
6 AZR 77/01). Eine exakte Bezifferung der ggf. zu erstattenden Kosten ist zwar nicht erforderlich, das
Rückzahlungsrisiko muss jedoch berechenbar sein. Daher sind Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu
erstattenden Kosten anzugeben (vgl. BAG, Urt. v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10). Eine Rückzahlungsklausel, die
den Arbeitnehmer nur zur Erstattung der „entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der
Lohnfortzahlungskosten“ verpflichtet, genügt diesen Anforderungen nicht. Aus der Klausel muss sich auch
ergeben, ob sich die Rückzahlungsverpflichtung auf die Brutto- oder die Nettobeträge (mit/ohne
Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) bezieht (vgl. BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12). Dabei
ist zu beachten, dass der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht zurückverlangt werden
kann (vgl. BAG, Urt. v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05).

Wurde ein Höchstbetrag festgelegt, kann der Arbeitgeber selbst dann keine höhere Rückzahlung geltend
machen, wenn tatsächlich höhere Kosten angefallen sind. Andererseits darf der Arbeitgeber durch die
Rückzahlung des Arbeitnehmers keinen Vorteil erlangen. Der Rückzahlungsanspruch ist deshalb immer auf die
durch die Fortbildung tatsächlich entstandenen Kosten begrenzt (vgl. BAG, Urt. v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04).
Zu den rückzuzahlenden Kosten können nach der Vereinbarung der Parteien das für die Zeit der Freistellung
gezahlte Entgelt, Sozialversicherungsbeiträge, Schulgeld, Fahrt-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten
sowie Kosten für Schulungsmaterial gehören. Dementsprechend sind die ggf. zu erstattenden Kosten bereits bei
Abschluss der Fortbildungsvereinbarung dem Grunde (z.B. Lehrgangskosten, Fahrtkosten und
Entgeltfortzahlungskosten) und der Höhe nach zu berechnen und festzulegen. Dabei sollte klargestellt werden,
dass die aktuelle Vergütungshöhe Berechnungsgrundlage für ggf. zu erstattende Entgeltfortzahlungskosten ist
und eine Erhöhung der Vergütung auch zu einem höheren Erstattungsbetrag führen kann.

III.

Rückzahlungstatbestände

Bei den Rückzahlungstatbeständen sollte vertraglich zwischen einem Ausscheiden vor
Abschluss der Weiterbildung und einem Ausscheiden nach dem
Ende der Weiterbildung differenziert werden. Dabei ist es in beiden Fällen nicht zulässig, die
Rückzahlungsverpflichtung an jede denkbare Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu knüpfen. Vielmehr muss
nach dem Grund des Ausscheidens unterschieden werden. Unangemessen und damit unwirksam wäre es, wenn der
Arbeitnehmer die Rückzahlungsverpflichtung nicht durch Betriebstreue vermeiden kann (vgl. BAG, Urt. v.
18.11.2008 – 3 AZR 192/07). In der Fortbildungsvereinbarung muss daher danach differenziert werden, in
wessen Verantwortungs- und Risikobereich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällt (vgl. BAG, Urt. v.
13.12.2001 – 3 AZR 791/09). Der Arbeitnehmer darf nicht zur Rückzahlung im Falle einer berechtigten
Eigenkündigung, im Falle einer betriebsbedingten Kündigung oder in sonstigen Fällen, in denen eine
arbeitgeberseitige Kündigung nicht auf einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers beruht,
verpflichtet werden (vgl. BAG, Urt. v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12; BAG, Urt. v. 28.5.2013 – 3 AZR 102/12; BAG,
Urt. v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07). Wird eine Rückzahlungsverpflichtung auch für den Fall einer
personenbedingten Eigenkündigung des Arbeitnehmers vorgesehen, soll sie unangemessen benachteiligend sein
(vgl. LAG Nürnberg, Urt. v. 26.3.2021 – 8 Sa 412/20; LAG Hamm, Urt. v. 29.1.2021 – 1 Sa 954/20). Eine
Abwälzung ist auch unzulässig, wenn der Arbeitgeber nicht bereit und in der Lage ist, den Arbeitnehmer
entsprechend seiner Ausbildung zu beschäftigen und der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus diesem Grund
kündigt (vgl. BAG, Urt. v. 5.12.2002 – 6 AZR 537/02). Wird nicht ausreichend zwischen den einzelnen
Rückzahlungstatbeständen unterschieden, ist die Rückzahlungsverpflichtung unabhängig davon, ob sich der
Arbeitgeber auf einen unzulässigen Rückzahlungstatbestand beruft, in jedem Fall unwirksam. In einem
Formularvertrag wird nach §§ 305 ff. bereits das Stellen inhaltlich ungemessener Vertragsklauseln, nicht
erst deren Gebrauch im konkreten Einzelfall missbilligt (vgl. BAG, Urt. v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09).

IV.

Bindungsdauer

Bei einer vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung nach Abschluss
der Weiterbildung ist des Weiteren darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer nicht unzulässig lang an den
Arbeitgeber gebunden werden kann. Der durch die Fortbildung erlangte Vorteil des Arbeitnehmers muss in einem
ausgewogenen Verhältnis zu der eingegangenen Bindung stehen. Nur dann ist der Eingriff in die grundrechtlich
geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers gem. Art. 12 Abs. 1 GG im Verhältnis zu den Aufwendungen des
Arbeitgebers gerechtfertigt. Die Angemessenheit der vereinbarten Bindungsdauer beurteilt sich dabei nach der
Höhe der Arbeitgeberaufwendungen, den Zeiten der bezahlten Freistellung des Arbeitnehmers und dem Ausmaß der
dem Arbeitnehmer zufließenden Vorteile.

Das Bundesarbeitsgericht hat für Sachverhalte, in denen der Arbeitnehmer für die Teilnahme an
Weiterbildungsmaßnahmen bezahlt freigestellt wird, hierzu folgende „Faustformel“ entwickelt (vgl. BAG, Urt.
v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07):

Fortbildungsdauer

Bindungsdauer

Fortbildung bis zu einem Monat

Bindung bis zu sechs Monaten

Fortbildung von ein bis zu zwei Monaten

Bindung bis zu zwölf Monaten

Fortbildung von drei bis vier Monaten

Bindung bis zu 24 Monaten

Fortbildung von sechs Monaten bis zu einem Jahr

Bindung bis zu drei Jahren

Fortbildung von mehr als zwei Jahren

Bindung bis zu fünf Jahren

Trägt der Arbeitgeber auch oder „nur“ die Kosten der Fortbildung, kann diese „Faustformel“ nicht
unmittelbar herangezogen werden. Es dürfte jedoch zulässig sein, die Kosten einer Fortbildung mit den Kosten
einer Freistellung zu vergleichen und die „Faustformel“ entsprechend anzuwenden. Zudem können
einzelfallbezogene Umstände eine kürzere oder längere Bindungsdauer rechtfertigen (vgl. BAG v. 14.1.2009 – 3
AZR 900/07; vgl. LAG Köln v. 28.5.2021 – 10 Sa 460/20; vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 23.8.2011 – 5 Sa
44/11).

Eine geltungserhaltende Reduktion, also die Rückführung einer zu langen Bindungsdauer auf das vom
Arbeitsgericht als angemessen anerkannte Maß, kommt gem. §§ 305 ff. BGB nicht in Betracht. Vor diesem
Hintergrund sollte im Zweifelsfall lieber eine kürzere, dafür aber wirksame, anstelle einer langen und somit
potentiell unwirksamen Bindungsdauer vereinbart werden.

V.

Fazit

Fortbildungsvereinbarungen sind ein bewehrtes Instrument zur Mitarbeitergewinnung und -bindung und
stellen einen Gewinn für beide Parteien eines Arbeitsverhältnisses dar. Sie sind jedoch mit Sorgfalt und
Bedacht zu formulieren, wenn man sich als Arbeitgeber nicht über eine unwirksame Rückzahlungsverpflichtung
im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Mitarbeiters ärgern möchte.

Dr. Tilman Isenhardt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, isenhardt@michelspmks.de

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