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OLG Düsseldorf: Variable Vergütung eines Geschäftsführers bei Freistellung

Eine in einem Geschäftsführeranstellungsvertrag vorgesehene Stichtagsklausel, die das Bestehen eines Anspruchs auf eine leistungsbezogene variable Vergütung an das Bestehen des Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag knüpft, ist nicht per se unwirksam.

Eine Stichtagsklausel, bei der die Erreichung der vereinbarten Ziele erst nach einem bestimmten Zeitpunkt, z.B. dem Ende des Geschäftsjahres, festgestellt werden kann, ist in einem Geschäftsführeranstellungsvertrag auch unter der Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig.

[redaktionelle Leitsätze]

OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.1.2021 – 6 U 115/20

I. Der Fall

Die Parteien stritten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2017 zu zahlen. Der Kläger war seit dem 1.7.2016 bei der Beklagten als Geschäftsführer beschäftigt. Am 27.12.2016 hatte die Beklagte ihn bereits wieder abberufen und sodann bis zum Ende der Kündigungsfrist am 31.10.2017 freigestellt.

Der Dienstvertrag des Klägers sah eine variable Vergütung vor, die bei vollständiger Zielerreichung einem Betrag in Höhe von 150.000 EUR brutto entsprochen hätte. Voraussetzung nach dem Dienstvertrag war allerdings, dass der Kläger zum Ende des Geschäftsjahres in einem laufenden Dienstverhältnis stand.

Der Kläger vertrat die Ansicht, dass es sich bei der variablen Vergütung um eine Leistungsvergütung handele. Vertraglich sei vorgesehen, dass der Bonus bei voller Zielerreichung 50% der Gesamtvergütung ausmache. Daher habe die Beklagte durch eine Kündigung des Dienstverhältnisses einseitig erreichen können, dass ein wesentlicher Teil der für bereits erbrachte Leistungen geschuldeten Vergütung entfalle.

Letztlich sei durch diese Stichtagsklausel auch sein eigenes Kündigungsrecht eingeschränkt. Das LAG Düsseldorf, das sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des BAG vom 6.5.2009 – 443/08, berufen habe, habe übersehen, dass diese Rechtsprechung überholt sei. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG sei die streitgegenständliche Klausel als Stichtagsklausel unwirksam.

Die Beklagte verteidigte das erstinstanzliche Urteil und vertrat weiterhin die Auffassung, dass die Klausel in dem Geschäftsführungsvertrag wirksam sei. Das BAG habe seine Rechtsprechung nicht aufgegeben. Auch bei einer unwirksamen Klausel hätte dem Kläger nach ihrer Ansicht aber keine variable Vergütung zugestanden. Im Geschäftsjahr 2017 sei ein Minus von 9 Mio. EUR erzielt worden, sodass ohnehin keine Boni ausgeschüttet worden wären. Außerdem sei keine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2017 geschlossen worden.

Der Kläger führte hierzu aus, dass der Hinweis auf die schlechte Geschäftsentwicklung unzutreffend sei. Im Geschäftsjahr 2017 sei der größte Wettbewerber defizitär übernommen worden, welcher bereits im Geschäftsjahr 2018 ein Jahresüberschuss von 3 Mio. EUR erwirtschaften konnte. Dass in den Geschäftsjahren 2016 und 2017 Verluste anfallen würden, sei klar und so kalkuliert gewesen.

Das LG Düsseldorf hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung und wies die Klage ebenfalls als unbegründet ab.

II. Die Entscheidung

Zwar bestehe nach der erfolgten Freistellung der Vergütungsanspruch des Klägers einschließlich der Sonderzahlung gem. § 615 S. 1 BGB fort. Die Stichtagsklausel im Dienstvertrag halte allerdings einer Inhaltskontrolle stand. Der verlangte Bonus sei außerdem der Höhe nach nicht schlüssig vorgetragen. Auch ein Schadensersatzanspruch wegen des Nichtabschlusses einer Zielvereinbarung sei nicht schlüssig dargetan.

Dem Kläger sei zwar zuzustimmen, dass die zusätzliche variable Vergütung Entgeltcharakter habe. Diese Sonderzahlung diene nicht ausschließlich, sondern allenfalls auch der Honorierung erwiesener Betriebstreue oder der Motivation zu weiterer Betriebstreue. Überwiegend diene der Bonus allerdings der Vergütung der im Bezugsjahr erbrachten Leistungen, mit der Anknüpfung an den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses. Es handele sich also um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter i.S.d. der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10).

Die Voraussetzungen für die Zahlung der variablen Vergütung sei – so das OLG Düsseldorf – allerdings nicht erfüllt. Unstreitig habe der Kläger zum Ende des Geschäftsjahres 2017 nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten gestanden, weil dieses per 31.10.2017 endete. Außerdem sei keine Zielvereinbarung für das streitgegenständliche Geschäftsjahr zustande gekommen.

Das LG Düsseldorf habe zu Recht angenommen, dass die im Dienstvertrag vorgesehene Stichtagsklausel wirksam sei. Das Bundesarbeitsgericht halte nach seiner neueren Rechtsprechung eine Sonderzahlungsklausel grundsätzlich nur für unwirksam, wenn diese auch eine Gegenleistung für im gesamten Kalenderjahr laufend erbrachte Arbeit darstellt. Der Bonus könne daher regelmäßig nicht vom Bestand des Beschäftigungsverhältnisses des Bezugsjahres abhängig gemacht werden (BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12). Möglich sei aber, dass eine Sonderzahlung an bis zu bestimmten Zeitpunkten eintretende Unternehmenserfolge anknüpfe. In diesen Fällen sei eine zu bestimmten Stichtagen erfolgende Betrachtung zweckmäßig und nicht zu beanstanden.

Die im Dienstvertrag vorgesehene Klausel benachteilige den Kläger aus Sicht des OLG Düsseldorf allerdings nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Zwar dürften Stichtagsklauseln den Vertragspartner nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in der Berufsfreiheit beschränken. Da die Erreichung der Ziele erst nach dem 31.12.2017 hätte festgestellt werden können und der Kläger das Unternehmen unterjährig, nämlich zum 31.10.2017, verlassen habe, war ein Abstellen auf den Stichtag als Voraussetzung für die Bonuszahlung zulässig. Dass bezogen auf diesen Stichtag der Grad der Erreichung bestimmter Ziele überhaupt oder mit noch zumutbarem Aufwand bestimmt werden konnte, sei außerdem weder vorgebracht noch ersichtlich gewesen.

Die Zahlung der variablen Vergütung könne der Kläger nach Ansicht des OLG Düsseldorf auch nicht aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281, 252 BGB beanspruchen. Ein Arbeitgeber könne zwar bei einer nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer nach Ablauf der Zielperiode wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten. Dieser Schadensersatzanspruch beruhe jedoch darauf, dass eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist, obwohl eine Verpflichtung zum Abschluss und zu ernsthaften Verhandlungen bestand, und dadurch eine bestimmte Vergütung entgehe. Diese Voraussetzungen habe der Kläger nicht vorgetragen. Zudem sei die Übertragung dieser Grundsätze auf einen Geschäftsführer fraglich. Aus Sicht des OLG Düsseldorfs dürfte es zudem aufgrund der Freistellung Aufgabe des Klägers gewesen sein, die Beklagte zur Verhandlung über die Zielvereinbarung aufzufordern. Dies sei ebenfalls nicht ausreichend vorgetragen worden.

Eine Schätzung des Schadens dürfe nach § 287 Abs. 1 ZPO schließlich nicht völlig abstrakt erfolgen und nicht mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte „völlig in der Luft hängen“. Das OLG Düsseldorf sah daher keine ausreichende Grundlage für eine Schätzung. Es seien keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, welche Ziele speziell mit dem Kläger vereinbart worden wären oder hätten vereinbart werden können. Dass und inwiefern sich seine nur 6-monatige Tätigkeit für die Beklagte im Jahr 2017 noch ausgewirkt und zu deren erfolgreicher Entwicklung beigetragen hat, habe der Vortrag des Klägers nicht erkennen lassen. Da der Kläger außerdem im gesamten Jahr 2017 freigestellt war, scheide auch die Unterstellung vollständigen Zielerreichung aus.

III. Der Praxistipp

Das OLG Düsseldorf überträgt die durch das Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zu Stichtagsklauseln und Schadensersatzansprüchen wegen unterbliebener Zielvereinbarung auf eine Streitigkeit aus einem Geschäftsführeranstellungsverhältnis, für welche die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig war. Auch wenn das OLG Düsseldorf die konkrete Stichtagsklausel für wirksam hielt, lohnt sich diesbezüglich stets eine genaue Prüfung. Schränkt die Klausel den Arbeitnehmer bzw. Geschäftsführer unangemessen in seinem beruflichen Fortkommen ein, kann diese oftmals unwirksam sein. Auf den vertraglich vereinbarten Stichtag kommt es dann nicht mehr an.

Adrian Mrochen, Rechtsanwalt, Köln

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