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LAG Schleswig-Holstein: Herausgehobene Position kein Befristungsgrund

Die herausgehobene Position eines Arbeitnehmers im Rahmen der Organisation eines Unternehmens und die sich daraus ergebenden Befugnisse können nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen der Eigenart der Arbeitsleistung rechtfertigen.

LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 26.1.2021 – 1 Sa 241öD/20

I. Der Fall

Die Beklagte ist das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Gemäß ihrer Hauptsatzung verfügt das Klinikum über mehrere rechtlich unselbstständige Zentren, die durch eine Zentrumsleitung geführt werden. Der Kläger war auf Grundlage eines zunächst für fünf Jahre befristeten Arbeitsvertrages als geschäftsführender Direktor des Diagnostikzentrums und Radiologiezentrums tätig. Der Vertrag wurde 2018 für anderthalb Jahre bis Ende 2019 verlängert. Der Kläger, der für das wirtschaftliche Ergebnis des Zentrums verantwortlich war und dessen Bruttojahresvergütung rund 170.000 EUR betrug, war in der Gestaltung seiner Arbeitszeit weitestgehend frei. Nachdem das Arbeitsverhältnis Ende 2019 auslief und nicht verlängert wurde, erhob der Kläger Befristungskontrollklage. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.

II. Die Entscheidung

Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein war die vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2019 unzulässig. Eine die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG liege nicht vor. Insbesondere sei die Befristung entgegen der Auffassung des beklagten Klinikums nicht durch die Eigenart der Arbeitsleistung im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt.

Das Gesetz bestimme nicht näher, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtfertigen könnten. Der Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit und der Kunstfreiheit ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden solle. Zwar sei der Anwendungsbereich nicht auf diese Fälle beschränkt. Wegen des Ausnahmecharakters des Befristungsgrundes könne die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweise, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergebe, den Vertrag zu befristen. Die Interessen des Arbeitgebers müssten die Interessen des Arbeitnehmers an der Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses überwiegen. Solche außergewöhnlichen Umstände könnten etwa in Form von Verschleißtatbeständen vorliegen oder in dem Abwechslungsbedürfnis des Publikums bestehen (Schauspieler).

Solche außergewöhnlichen Umstände seien vorliegend nicht gegeben. Zunächst könnte sich das Universitätsklinikum nicht auf verfassungsrechtliche Besonderheiten, insbesondere auf die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre berufen. In dem beklagten Hochschulklinikum werde zwar auch geforscht und gelehrt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei hiervon jedoch nicht bestimmt. Der Kläger sei kein wissenschaftlicher Mitarbeiter. Funktionell sei die Aufgabe des Klägers mit der jedes anderen Verwaltungsmitarbeiters des beklagten Klinikums vergleichbar und auf die Herstellung eines organisatorischen Rahmens gerichtet, in dem andere Beschäftigte ihre grundrechtlich geschützten Tätigkeiten in Forschung und Lehre ausüben könnten.

Außergewöhnliche Umstände ergäben sich auch nicht daraus, dass der Kläger eine herausgehobene Stellung innehatte, die nach Einschätzung des beklagten Klinikums mit der eines GmbH-Geschäftsführers vergleichbar sei. Hiergegen spreche schon, dass der Kläger in der Hierarchie des beklagten Klinikums eingebunden sei. Er sei insbesondere gegenüber dem Vorstand des Klinikums weisungsgebunden gewesen. Er sei auch nicht berechtigt gewesen, das Klinikum nach außen zu vertreten. Ebenso wenig habe er über die Befugnis zur Einstellung und Entlassung von Personal verfügt, sodass er nicht einmal leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG gewesen sei.

Schließlich ergebe sich ein Befristungsgrund auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die Hauptsatzung des Klinikums nur die befristete Bestellung des geschäftsführenden Direktors vorsehe. Ein Arbeitgeber könne nicht durch Vorgaben seiner Organe für sein Unternehmen Befristungsgründe setzen.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, den Befristungsgrund der Eigenart der Arbeitsleistung nur in Ausnahmefällen anzuwenden. Neben grundrechtlich geprägten Tätigkeiten hat die Rechtsprechung diesem Befristungsgrund letztlich nur im Spitzensport angenommen (BAG, Urt. v. 16.1.2018 – 7 AZR 312/16 – Befristung eines Fußballbundesligaspielers).

Eine herausgehobene (Leitungs-) Funktion ist damit nicht vergleichbar. Vor Inkrafttreten des TzBfG hat das BAG angenommen, dass zumindest bei leitenden Angestellten im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG eine Befristung auch ohne Sachgrund zulässig ist, sofern dem Angestellten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses es arbeitsvertraglich ein finanzieller Ausgleich zugesagt wurde (BAG, Urt. v. 26.4.1979 – 2 AZR 431/77). Diese Rechtsprechung hat das BAG indes nach Inkrafttreten des TzBfG aufgegeben (BAG, Urt. v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15). Es kann insofern nicht überraschen, dass eine de facto sachgrundlose Befristung von Führungskräften nicht durch die Hintertür eines Sachgrunds (Eigenart der Arbeitsleistung) Bestand haben kann.

De lege ferenda wäre es sicherlich überlegenswert, den arbeitsvertraglichen Bestandsschutz solcher Arbeitnehmer zu lockern, die aufgrund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung hierauf nicht angewiesen sind. Der richtige Ansatz dürfte hierbei eher in einer zeitgemäßen Definition des leitenden Angestellten im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG bestehen und weniger im Befristungsrecht liegen.

Ulrich Kortmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

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