Beitrag

LAG Nürnberg: Transparenzanforderungen an eine Urlaubsabgeltungsklausel in einem Formulararbeitsvertrag

Die formularmäßige Vereinbarung im Arbeitsvertrag, „Urlaubsabgeltung wird nur in Höhe des noch nicht genommenen gesetzlichen Urlaubsanspruchs gewährt“, ist nicht intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

[Amtlicher Leitsatz]

LAG Nürnberg, Urt. v. 2.3.2021 – 7 Sa 347/20

I. Der Fall

Die Parteien stritten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses der Klägerin über die Abgeltung des vertraglichen Mehrurlaubs. Die Parteien hatten sich nach Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung im Kündigungsschutzprozess darauf geeinigt, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis bis zum 30.11.2019 ordnungsgemäß und ungekürzt unter Berücksichtigung offener Urlaubsansprüche abrechnet und ausbezahlt.

Der Arbeitsvertrag der Klägerin sah in § 10 vor, dass der Klägerin 20 Arbeitstage gesetzlicher Mindesturlaub sowie zehn Arbeitstage vertraglicher Mehrurlaub zustehen. Zudem konnte der vertragliche Mehrurlaub um 1/12 für jeden Monat gekürzt werden, in welchem kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand oder das Arbeitsverhältnis ruhte. Schließlich war vorgesehen, dass im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur eine Urlaubsabgeltung in Höhe des nicht genommenen gesetzlichen Urlaubsanspruchs gewährt wird.

Nachdem die Beklagte vorprozessual bereits zwölf Arbeitstage in natura gewährt und den verbleibenden gesetzlichen Urlaubsanspruch abgegolten hatte, verlangte die Klägerin nunmehr auch die Abgeltung des vertraglich vereinbarten Mehrurlaubs. Aufgrund des unterjährigen Ausscheidens sei ihr für insgesamt 28 Arbeitstage eine Urlaubsabgeltung zu zahlen, wovon die Beklagte bislang nur 20 Arbeitstage abgegolten bzw. in natura gewährt habe.

Nach Ansicht der Klägerin stünde die Regelung im Arbeitsvertrag, wonach nur der gesetzliche Urlaubsanspruch abzugelten sei, ihrem Klagebegehren nicht entgegen. Die Regelung sei auch intransparent, da ihr hierdurch Urlaubstage genommen würden, welche ihr an anderer Stelle im Arbeitsvertrag gewährt würden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG zu Gratifikationszahlungen sei die Klausel daher als intransparent anzusehen. Eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB folge zudem daraus, dass sie ohne eigenes Verschulden bei einer Arbeitgeberkündigung Urlaubsansprüche verliere. Letztlich leide die gesamte Klausel unter einem Wertungswiderspruch.

Die Beklagte war der Ansicht, die arbeitsvertragliche Regelung verletzte weder zwingendes gesetzliches Urlaubsrecht noch die Regelung des § 307 BGB. Die Abgeltungsklausel betreffe lediglich den übergesetzlichen Urlaub, sodass für die Parteien Vertragsfreiheit gelte. Ebenso würde der Klägerin auch kein Anspruch genommen werden, welchen sie bereits verdient habe. Der Abgeltungsanspruch stehe nicht im arbeitsrechtlichen Synallagma zur Arbeitsleistung. Aus diesem Grund sei auch die Rechtsprechung zu den Gratifikationszahlungen nicht übertragbar. Ein Wertungswiderspruch innerhalb der Klausel bestünde aus Sicht der Beklagten ebenfalls nicht.

Das ArbG Würzburg hat der Klage teilweise stattgegeben, die Klage aber im Übrigen weit überwiegend abgewiesen (Urt. v. 4. 8.2020 – 9 Ca 300/20). Das LAG Nürnberg bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung der Klägerin zurück (Urt. v. 2. 3.2021 – 7 Sa 347/20).

II. Die Entscheidung

Das LAG wies die Berufung der Klägerin als unbegründet zurück. Der Klägerin stünde nach der Begründung des LAG lediglich eine Urlaubsabgeltung für acht nicht in natura genommene Urlaubstage zu. Diese habe die Beklagte ordnungsgemäß abgerechnet und abgegolten.

Zwar handele es sich bei § 10 des Arbeitsvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 BGB, sodass die Klausel der AGB-Kontrolle unterliege. Für das LAG würde weder ein Verstoß gegen die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB noch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 BGB vorliegen.

Zwar würden die gesetzlichen Vorschriften vorsehen, dass arbeitsvertragliche Regelungen klar und durchschaubar formuliert werden müssen, um der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Aus der arbeitsvertraglichen Klausel sei jedoch klar erkennbar, welcher Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist und, im Umkehrschluss, welcher Urlaubsanspruch ersatzlos entfällt. Aus dem Wortlaut lasse sich problemlos entnehmen, dass nur der nicht genommene gesetzliche Urlaub abgegolten wird.

Die verwendete Klausel sei auch nicht wertungswidersprüchlich. Es würde ausdrücklich danach unterschieden, welcher Teil des Urlaubs im Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses und welcher Teil in Zeiten ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfalle. Im Übrigen könne auch bei einer wertungswidersprüchlichen Regelung aus Sicht des LAG der sog. Blue-pencil-Test zugunsten der Beklagten angewendet werden.

Einen Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften des BUrlG könne das LAG ebenfalls nicht erkennen. Bei den arbeitsvertraglichen Regelungen zum Mehrurlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehe, seien die Arbeitsvertragsparteien in ihrer Regelungsmacht frei. Es gelte zugunsten der Parteien insofern Vertragsfreiheit. Die verwendete Klausel verstoße somit nicht gegen die Vorschriften des BUrlG, auch nicht in richtlinienkonformer Auslegung nach der Rechtsprechung des EuGH und BAG.

Insbesondere stelle der vertragliche Mehrurlaub – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch keine Gegenleistung für die Arbeitspflicht dar. Das BUrlG gehe dem Wortlaut nach davon aus, dass es sich um Erholungsurlaub handele, also einen Zeitraum, der der Erholung des Arbeitnehmers diene und unabhängig von der erbrachten Arbeitsleistung sei. Weder der gesetzliche noch ein vertraglicher Urlaubsanspruch stünden daher im arbeitsrechtlichen Synallagma.

III. Der Praxistipp

Spätestens seit der Entscheidung des EuGH vom 20.1.2009 – C 350/06, zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankungen, welcher sich das BAG in der Folge anschloss, ist Arbeitgebern zu empfehlen, bei den Regelungen zum Erholungsurlaub klar zwischen den gesetzlichen und den vertraglichen Urlaubsansprüchen zu unterscheiden. Nur in diesem Fall ist auch eine Abgeltungsklausel zum vertraglichen Mehrurlaub möglich. Wie das LAG Nürnberg nunmehr klarstellt, begegnet eine solche Klausel auch keinen rechtlichen Bedenken. Die 7. Kammer konnte weder einen Verstoß bei der AGB-Kontrolle noch einen Verstoß gegen die Vorschriften des BUrlG erkennen.

Arbeitgebern ist daher zu raten, entsprechende Abgeltungsklauseln in die Arbeitsvertragsmuster aufzunehmen. Ist der Arbeitnehmer allerdings noch nicht ausgeschieden, muss der vertragliche Mehrurlaub im Zweifel gewährt werden. Hiervor schützt auch eine Abgeltungsklausel nicht.

Adrian Mrochen, Rechtsanwalt, michels.pmks, Köln

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…