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Home-Office im Ausland

Nach dem Sommer, der keiner war, zurück ins Büro? Manchem Arbeitnehmer ist die liebgewonnene Freiheit, mobil zu arbeiten, ans Herz gewachsen. Auch zögern Arbeitgeber wegen der andauernden Covid-19-Pandemie – die epidemische Lage von nationaler Tragweite wurde vom Bundestag Ende August für weitere drei Monate verlängert –, ihre Arbeitnehmer wieder an den (Büro-)Schreibtisch zurückzuholen. Auch nach dem Ende der Home-Office-Pflicht für Arbeitgeber (§ 28b Abs. 7 IfSG a.F. u. § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV a.F.) ist der Trend zum Home-Office ungebrochen und das Home-Office sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgebern beliebt. Manch einer mag da gar nicht erst aus dem Urlaub zurückkommen, sondern arbeitet lieber von seinem Urlaubsdomizil weiter. Die großen Reiseanbieter haben längst alle Workation-Angebote in ihre Programme aufgenommen.

Ob Arbeitnehmer ohne Weiteres ihr Feriendomizil im EU-Ausland in ein Home-Office verwandeln können und welche sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen eine Home-Office-Tätigkeit im Ausland hat, wird nachstehend im Überblick dargestellt:

I.Home-Office oder mobiles Arbeiten?

Der gemeinhin umgangssprachlich verwendete Begriff „Home-Office“ war und ist bislang gesetzlich nicht definiert. Der Anglizismus deutet bei wortwörtlicher Übersetzung darauf hin, dass es sich um einen häuslichen Arbeitsplatz handelt. Da die Tätigkeit im Home-Office in aller Regel IT-basiert mittels Laptop oder Computer erfolgt, liegt es durchaus nahe, das Home-Office als häuslichen Telearbeitsplatz i.S.d. § 2 Abs. 7 ArbStättV zu qualifizieren. Für eine Subsumtion des Home-Office unter die gesetzliche Definition des häuslichen Telearbeitsplatzes fehlt es in der Praxis jedoch regelmäßig an der für diesen charakteristischen und notwendigen festen Einrichtung eines Bildschirmarbeitsplatzes durch den Arbeitgeber im Privatbereich des Beschäftigten. Nur dann, wenn der Arbeitgeber sowohl die Kommunikationseinrichtungen (insbesondere Computer, Internet, Telefon) als auch das benötigte Mobiliar (z.B. Schreibtisch, Bürostuhl, Aktenschrank, -regal) bereitstellt und installiert und mit dem Beschäftigten die wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festlegt, handelt es sich um einen häuslichen Telearbeitsplatz. In der Praxis fehlt es für die Annahme eines häuslichen Telearbeitsplatzes in aller Regel jedoch an der Einrichtung eines voll ausgestatteten Bildschirmarbeitsplatzes durch den Arbeitgeber und oftmals auch an einer Vereinbarung über die Bedingungen der Telearbeit.

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (i.d.F. v. 7.5.2021) enthält zumindest den Ansatz einer Definition des „Home-Office“. Nach Ziffer 4.2.4 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel ist Home-Office eine Form der mobilen Arbeit. Von dem in der SARS-CoV-2-Arbeitschutzregel verwendeten Begriff ausgehend ist eine Home-Office-Tätigkeit also nicht auf die Privaträume des Arbeitnehmers beschränkt, sondern vielmehr von überall aus und damit auch aus dem Ausland heraus möglich.

II.Direktionsrecht des Arbeitgebers

Mangels eines gesetzlichen Anspruchs auf mobiles Arbeiten oder Home-Office-Tätigkeit können Arbeitnehmer nicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers aus dem Ausland heraus arbeiten. Auch kann der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts weder eine Tätigkeit im Ausland (vgl. ArbG Heilbronn, Urt. v. 11.7.2013 – 8 Ca 7/13) noch eine Home-Office-Tätigkeit anordnen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.11.2018 – 17 Sa 562/18).

Es bedarf vielmehr einer vertraglichen Vereinbarung über die Änderung des Arbeitsortes. Bei einer generellen Freigabe der Wahl des Arbeitsortes („der Arbeitnehmer kann mobil arbeiten“) durch den Arbeitgeber sollte der Rahmen der mobilen Arbeit auch in Bezug auf die erlaubten Tätigkeitsstaaten (Nachbarländer, EU-/EWR-Staaten oder max. Entfernung vom Betrieb) eindeutig geregelt werden.

II.Anwendbares Arbeitsrecht

Regelmäßig wird der Arbeitgeber die Geltung der inländischen, deutschen arbeitsrechtlichen Vorschriften auch für die Tätigkeit im Ausland vereinbaren wollen. Dies ist nach dem in Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO verankerten Prinzip der freien Rechtswahl durchaus möglich. Allerdings darf die Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO zwingende, für den Tätigkeitsort geltende Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht ausschließen, sofern die gewählte Rechtsordnung insoweit nicht günstiger ist. Insbesondere in Bezug auf die Arbeitszeit sowie den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit sollten die gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Staates, in dem die Home-Office-Tätigkeit erfolgt, vorsorglich geprüft werden.

III.Sozialversicherungsrechtliche Aspekte bei Home-Office-Tätigkeit im Ausland

Für die EU regelt die VO (EG) Nr. 883/2004, welches Sozialversicherungssystem bei einer Tätigkeit im Ausland Anwendung findet. Mit der Schweiz und den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen bestehen Abkommen über die Anwendung der VO (EG) Nr. 883/2004.

Art. 11 Abs. 3 lit. a) der VO (EG) Nr. 883/2004 stellt die allgemeine Regel auf, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat tätig wird, auch den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt.

Das in Art. 11 der Verordnung postulierte Tätigkeitsortprinzip gilt jedoch nicht ausnahmslos. Art. 12 und 13 VO (EG) Nr. 883/2004 enthalten Ausnahmen, die, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, zur Fortgeltung der bisherigen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen auch bei Auslandstätigkeit führen. Nach Art. 13 VO (EG) Nr. 883/2004 bleibt es bei der Anwendung des Sozialversicherungssystems im Wohnmitgliedstaat, wenn eine Person regelmäßig in mindestens zwei Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt und einen wesentlichen Teil der Tätigkeit weiterhin im Wohnsitzstaat erbringt, Art. 13 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 883/2004. Wird der wesentliche Teil der Tätigkeit nicht (mehr) im Wohnmitgliedstaat erbracht, unterliegt eine regelmäßig in mindestens zwei Mitgliedstaaten tätige Person den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber, bei dem sie beschäftigt ist, seinen Sitz hat, Art. 13 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 883/2004.

Für die Annahme einer gewöhnlich in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten erfolgenden Beschäftigung reicht es nach Auffassung der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) aus, wenn die Beschäftigung regelmäßig wiederkehrend an mindestens einem Tag im Monat oder an mindestens fünf Tagen im Quartal in mehr als einem Staat ausgeübt wird. Weiter ist erforderlich, dass der Mitarbeiter in einem der Staaten, in denen er tätig ist, auch seinen Wohnsitz hat, in dem sich also der gewöhnliche Mittelpunkt seiner Interessen befindet. Das für die Anwendbarkeit von Art. 13 VO (EG) Nr. 884/2004 entscheidende Kriterium der Ausübung eines wesentlichen Teils der Beschäftigung im Wohnstaat ist erfüllt, wenn im Rahmen einer Gesamtbewertung festgestellt wird, dass mindestens 25 % der Arbeitszeit im Wohnstaat erbracht und/oder mindestens 25 % des Arbeitsentgelts im Wohnmitgliedstaat bezogen werden.

Die Voraussetzungen des Art. 13 VO (EG) Nr. 883/2004 zusammenfassend bleibt ein in Deutschland ansässiger (Wohnsitz-)Mitarbeiter auch bei einer Tätigkeit im ausländischen Home-Office weiterhin in der deutschen gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung versichert, wenn er zumindest 25 % seiner Tätigkeit in Deutschland erbringt oder, bei einer weniger als 25 % ausmachenden Tätigkeit in Deutschland, der Sitz des Arbeitgebers in Deutschland ist.

Für die Feststellung des bei Home-Office-Tätigkeit im Ausland anzuwendenden Sozialversicherungsrechts hat die DVKA einen Fragebogen (https://www.dvka.de/media/dokumente/antraege_av_gme/gewoehnliche_erwerbstaetigkeit/GME1A_Online.pdf) online bereitgestellt, der zugleich auch der Erteilung der auch bei Home-Office-Tätigkeit im Ausland erforderlichen A1-Bescheinigung dient.

III.Fazit

Home-Office oder besser: mobiles Arbeiten im Ausland ist durchaus möglich.

Wo, in welchen Ländern, für welche Dauer und in welchem Umfang mobil gearbeitet werden darf, sollte jedoch vertraglich festgelegt werden. Dabei sind etwaige gegenüber Deutschland höhere Arbeitsschutzstandards vor Ort zu beachten.

In der Regel wird das deutsche Sozialversicherungsrecht auch bei einer Tätigkeit im ausländischen Home-Office weiterhin anwendbar bleiben.

Peter Hützen, Fachanwalt für Arbeitsrecht, michels.pmks, Düsseldorf

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