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Arbeitsrecht 2021

Das Jahr 2020 stand im Zeichen der Corona-Pandemie. Es verwundert deshalb nicht, dass der Gesetzgeber und auch die mit der Gesetzesanwendung betrauten Rechtsanwälte und Personalabteilungen sich in erheblichem Umfang mit den Neuregelungen zur Kurzarbeit, mit den rechtlichen Rahmenbedingungen der Digitalisierung sowie mit neuen Beschäftigungsformen befasst haben.

Die Corona-Pandemie wird uns leider auch im Jahr 2021 begleiten. Auch im Jahr 2021 werden wir uns als Rechtsanwender mit Aspekten der Kurzarbeit zum Zwecke der Beschäftigungssicherung, der fortschreitenden Digitalisierung und auch den neuen Arbeitsformen zu beschäftigen haben.

Der nachfolgende Beitrag wird in einem ersten Teil das Maßnahmenpaket zur Beschäftigungssicherung in Folge der COVID-19-Pandemie und in seinem zweiten Teil die Themen, die auch neben der Pandemie arbeitsrechtlich zu erörtern sein werden, abhandeln.

I.Kurzarbeit im Jahre 2021

Der Gesetzgeber hatte bereits am 3.12.2020 das Gesetz zur Beschäftigungssicherung in Folge der COVID-19-Pandemie verkündet. Dieses Gesetz wird flankiert durch zwei Rechtsverordnungen, nämlich durch die Zweite Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld vom 12.10.2020 und die Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung vom 21.10.2020. Das Maßnahmenpaket umfasst folgende Komponenten:

1. Zweite Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld

Die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wird für Betriebe, die mit der Kurzarbeit bis zum 31.12.2020 begonnen haben, aufgrund der Zweiten Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld v. 12.10.2020 (Zweite Kurzarbeitergeldbezugsdauerverordnung – 2. KugBeV) auf bis zu 24 Monate verlängert, längstens jedoch bis zum 31.12.2021.

2. Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung

Die Zugangserleichterungen zum Kurzarbeitergeld (Mindesterfordernis 10% der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer mit einem Bruttoentgeltausfall von mehr als 10%, keine Ausnutzung negativer Arbeitszeitsalden) werden durch die Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung vom 21.10.2020 bis zum 31.12.2021 verlängert, sofern in dem betroffenen Betrieb die Kurzarbeit bereits bis zum 31.3.2021 begonnen wurde. Die Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer wird ebenfalls bis zum 31.12.2021 für solche Verleihbetriebe verlängert, die bis zum 31.3.2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben.

Die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit wird bis zum 30.6.2021 verlängert. Vom 1.7.2021 bis zum 31.12.2021 werden die Sozialversicherungsbeiträge nur noch zu 50% erstattet, wenn mit der Kurzarbeit bis zum 30.6.2021 begonnen wurde. Der Arbeitgeber kann sich für die Zeit vom 1.7.2021 bis zum 31.12.2021 allerdings sämtliche Sozialversicherungskosten erstatten lassen, wenn nach § 106a SGB III Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die Corona-bedingten Erstattungsvorschriften stehen nämlich neben der Vorschrift des § 106a SGB III, die Gegenstand des Beschäftigungssicherungsgesetzes ist, siehe dazu 3.

3. Gesetz zur Beschäftigungssicherung

Das Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (BeschSiG) sieht vor, dass die Regelungen zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 70% bzw. 77% ab dem 4. Monat und auf 80% bzw. 87% ab dem 7. Monat der Kurzarbeit bis zum 31.12.2021 für sämtliche Beschäftigten verlängert werden, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bereits bis zum 31.3.2021 entsteht.

Die bestehenden befristeten Hinzuverdienstregelungen werden insoweit ebenfalls bis zum 31.12.2021 verlängert. Das Entgelt aus einer während der Kurzarbeit aufgenommenen geringfügig entlohnenden Beschäftigung bleibt anrechnungsfrei.

Schließlich – und dies ist erwähnenswert – wird der Anreiz zur beruflichen Weiterbildung dadurch verstärkt, dass die für diese Fälle in § 106a SGB III geregelte hälftige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die Qualifizierung zumindest 50% der Zeit des Arbeitsausfalls betragen muss. Erforderlich und ausreichend ist, wenn die Weiterbildungsmaßnahme während des Bezuges des Kurzarbeitergeldes begonnen wurde und wenn zusätzlich eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: Die Weiterbildungsmaßnahme hat einen Mindestumfang von über 120 Stunden und Träger und Maßnahme sind von der von der Akkreditierungsstelle für die Zulassung nach dem Recht der Arbeitsförderung akkreditierten Zertifizierungsstellen zugelassen (ASAV-Zertifizierung) oder die Weiterbildungsmaßnahme bereitet auf ein Fortbildungsziel vor, das nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) förderfähig ist. Die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge unter den vorgenannten Voraussetzungen erfolgt allerdings nur für die Monate, in denen die Weiterbildung auch stattfindet.

Im Ergebnis besteht für die Arbeitgeber bei einer Förderung der Weiterbildung die Möglichkeit, auch in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2021 sich die vollständigen Sozialversicherungsbeiträge erstatten zu lassen.

Darüber hinaus können auch Lehrgangskosten gefördert werden. Der Umfang der Förderung der Lehrgangskosten hängt von der Betriebsgröße ab.

4. Fazit

Fest zu halten ist, dass der Gesetzgeber alles daransetzt, dass das Instrumentarium möglichst vollumfänglich ausgeschöpft wird. Betriebsbedingte Kündigungen sollen hierdurch vermieden werden. Eine Förderung der Arbeitgeber, die neue Beschäftigungsformen einsetzen (Stichwort Digitalisierung), sieht das Gesetz nicht vor.

II.Verbesserungen beim Arbeitslosengeld

Ansprüche auf Arbeitslosengeld, die in der Zeit vom 1.5.2020 bis zum 31.12.2020 auslaufen, verlängern sich gemäß § 421d SGB III einmalig um drei Monate.

III.Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz

Arbeitnehmer, die aufgrund einer durch Schul- oder Kitaschließungen verursachten Betreuungssituation nicht arbeiten können, erhalten gemäß § 56 Abs. 1a IFSG für das entfallende Gehalt eine vom Arbeitgeber auszuzahlende Entschädigung in gleicher Höhe bis maximal 2016 EUR brutto monatlich. Die ursprüngliche Bezugsdauer von sechs Wochen wurde nunmehr auf zehn Wochen, für Alleinerziehende auf 20 Wochen erhöht.

Die Entschädigungsregelung tritt insgesamt zum 1.4.2021 außer Kraft.

Der Gesetzgeber hat gleichzeitig in § 56 Abs. 1 Satz 3 IFSG klargestellt, dass Arbeitnehmer, die sich nach der Rückkehr von einer vermeidbaren Reise aus einem bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuften Risikogebiet in Quarantäne begeben müssen, keinen Anspruch auf Entschädigung haben.

IV.§ 129 BetrVG

Die Regelung des § 129 BetrVG, wonach die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzernjugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen kann, wird bis zum 30.6.2021 verlängert. Dies ist erfreulich. Bedauerlich ist allerdings, dass der Gesetzgeber sich hier nicht zu einer dauerhaften Regelung hat durchringen können. Gerade in größeren Gremien, z.B. in Gesamt- oder Konzernbetriebsräten, ist die Möglichkeit, die Arbeit digital auszugestalten, wünschenswert. Durch die Möglichkeiten der Video- und Telefonkonferenz können die Sitzungen großer Gremien, die sich aus Mitgliedern zahlreicher Standorte zusammensetzen, erheblich vereinfacht werden. Ob der Gesetzgeber sich noch in dieser Legislaturperiode zu einer dauerhaften Regelung durchringt, scheint allerdings zweifelhaft.

V.Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie

Die Bundesrepublik Deutschland hat bis Dezember 2021 Zeit, die Europäische Richtlinie 2019/1937/EU zum Schutz von Whistleblowern umzusetzen. Im Unternehmen mit zumindest 50 Beschäftigten sind zwingend ein verpflichtendes Meldesystem und der Schutz und die Unterstützungsmaßnahmen für Whistleblower zu regeln. Auf den Entwurf der Bundesregierung darf man gespannt sein. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 28.8.2020 (BT-Drucks. 19/21941) lässt sich entnehmen, dass dies noch in der laufenden Legislaturperiode erfolgen soll. Dies darf angesichts der Pandemie wohl aber bezweifelt werden.

VI.Kein Anspruch auf Home-Office

Der erste Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der mobilen Arbeit des Bundesarbeitsministers Heil wurde bereits im Oktober 2020 vom Kanzleramt gestoppt. Nähere Informationen zu der Gesetzesinitiative für eine gesetzliche Regelung zur mobilen Arbeit finden sich auf den Internetseiten des BMAS (https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/mobile-arbeit.html).

Zwischenzeitlich liegt ein überarbeiteter Entwurf vor, der in die Ressortabstimmung gegeben wurde. Dieser Entwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit (Mobile Arbeit-Gesetz – MAG) ist in der Fassung des Referentenentwurfes vom 26.11.2021 auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer verfügbar (https://www.brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/2020/2020_589anlage.pdf)

Der Entwurf beinhaltet im Wesentlichen folgendes:

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen den Wunsch des Arbeitnehmers nach mobiler Arbeit erörtern
  • Kommt es zu keiner Einigung, hat der Arbeitgeber die ablehnende Entscheidung form- und fristgerecht innerhalb von zwei Monaten zu begründen. Der Arbeitgeber kann die mobile Arbeit mit jedem nachvollziehbaren Argument ablehnen.
  • Unterlässt der Arbeitgeber die Erörterung oder lehnt er den Wunsch des Mitarbeiters aus sachfremden Erwägungen oder nicht form- und fristgerecht ab, greift eine Fiktion, wonach die mobile Arbeit für maximal sechs Monate als vereinbart gilt.
  • Der Arbeitgeber soll den mobil arbeitenden Mitarbeiter zumindest in Textform darüber unterrichten, wie seine Sicherheit und Gesundheit gewährleistet werden.
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit aufzuzeichnen. Er kann die Aufzeichnungspflicht an den Arbeitnehmer delegieren.
  • Zudem sollen Öffnungsklauseln in das Gesetz eingefügt werden. Die Tarifvertragsparteien bzw. Betriebsparteien sollen auch zum Nachteil des Arbeitsnehmers Regelungen schaffen können.

Ob der vorgenannte Entwurf noch vor der im September 2021 anstehenden Bundestagswahl verabschiedet wird, bleibt abzuwarten.

VII.Erfassung der Arbeitszeit

Auch eineinhalb Jahre nach Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019, Az.: C-55/18 zur Arbeitszeiterfassung liegt kein Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor. Die aktuellen Gesetzesentwürfe der Oppositionsparteien werden aller Voraussicht nach nicht zum Zuge kommen. Im Ergebnis gehen wir davon aus, dass die Umsetzung der Entscheidung des EuGH in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht mehr stattfinden wird.

VIII.Betriebsrätestärkungsgesetz

Anstelle des lang erwarteten Entwurfs zur Arbeitszeiterfassung legt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte (Betriebsrätestärkungsgesetz) vor, der im Internet verfügbar ist (https://www.arbrb.de/media/RefEntw_Betriebsr%C3%A4test%C3%A4rkungsgesetz_21122020.pdf). Das Gesetz soll die Wahl der Betriebsräte vereinfachen und die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer durch die Betriebsräte verstärken. Es beinhaltet u.a. folgende Neuerungen:

1. Wahlverfahren

Die Wahl des Betriebsrats soll vereinfacht werden. Das vereinfachte Wahlverfahren, das bislang in Betrieben mit in der Regel 5 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern zwingend angewandt wurde, soll zukünftig in Betrieben mit in der Regel 5 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern zwingend zur Anwendung gelangen.

Zukünftig sollen der Wahlvorstand und der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren können.

Das Betriebsrätestärkungsgesetz sieht zudem vor, dass es in Betrieben von bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern keiner Stützunterschriften für die Unterzeichnung von Wahlvorschlägen mehr bedarf. In Betrieben mit in der Regel 21 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern sollen Stützunterschriften von 2 Wahlberechtigten und in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmern von mindestens 1/20 der wahlberechtigten Arbeitnehmer genügen.

Schließlich soll die Wahlanfechtung stark eingeschränkt werden. Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten soll nämlich nach § 19 Abs. 3 des Gesetzesentwurfes ausgeschlossen sein, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und nicht zuvor aus demselben Grunde ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde.

Die vorgenannten Änderungen des Wahlverfahrens für Betriebsräte sind durchaus zu begrüßen. Das bisherige Wahlverfahren ist m.E. recht bürokratisch, unübersichtlich und auch kompliziert. Eine Vereinfachung, gerade in kleineren Betrieben, ist wünschenswert. Mit der Vereinfachung wird es vermutlich einhergehen, dass nicht schon bei jeder der Betriebsratswahl Berater zur ordnungsgemäßen Wahl hinzugezogen werden müssen.

2. Erweiterung des besonderen Kündigungsschutzes

§ 15 Abs. 3a KSchG in der derzeitigen Fassung sieht vor, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebsversammlung zur Bestellung des Wahlvorstandes einlädt, vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig ist, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt nach der bisherigen Fassung des § 15 Abs. 3a KSchG nur für die ersten drei in der Einladung oder Antragsstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Dieser Kündigungsschutz soll erweitert werden. Vorgesehen ist zunächst einmal, dass der Kündigungsschutz nicht nur für die ersten drei, sondern für die ersten sechs in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer gilt. Des Weiteren soll die Kündigung nach § 15 Abs. 3a KSchG nicht nur das Vorliegen eines wichtigen Grundes, sondern auch die Zustimmung des Betriebsrats bzw. die gerichtliche Zustimmungsersetzung voraussetzen.

Aufgrund der Einfügung des Erfordernisses der gerichtlichen Zustimmungsersetzung steht fest, dass auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Wahlversammlung einlädt, der Sache nach kaum mehr durchsetzbar ist. Die gerichtliche Zustimmungsersetzung wird nicht bis zum Abschluss der Betriebsratswahl erstritten werden können.

Darüber hinaus soll ein neuer § 15 Abs. 3b KSchG in das Gesetz eingefügt werden. Danach soll die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternimmt und eine nach § 129 BGB öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat zu errichten, aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, unzulässig sein.

Liegen Tatsachen vor, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigten, so soll eine Kündigung zulässig sein, wenn zuvor das Arbeitsgerichts auf Antrag des Arbeitgebers der Kündigung zugestimmt hat, weil diese unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Der vorgenannte Kündigungsschutz soll von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1, also der Erklärung im Sinne des § 129 BGB, bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebswahl – oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3 BetrVG –, längstens jedoch für drei Monate gelten. Im Ergebnis gilt auch für die vorgenannte Personengruppe, dass diese jedenfalls für drei Monate auch nicht bei Vorliegen wichtiger Gründe gekündigt werden kann. Einem Arbeitgeber wird es nämlich für die Dauer des Sonderkündigungsschutzes (längstens drei Monate) kaum gelingen, eine rechtkräftige Entscheidung zur Zustimmung der Kündigung zu erstreiten. Hinzu kommt, dass der in § 15 Abs. 3b KSchG vorgesehene Kündigungsschutz konturenlos und auch zu weit gefasst sein dürfte. Völlig unklar ist, welche Vorbereitungshandlungen zur Betriebsratswahl den Kündigungsschutz auslösen sollen. Genügt beispielsweise bereits die Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft, um Informationen zur Betriebsratswahl zu erhalten oder aber schon vertrauliche Gespräche mit anderen Arbeitnehmern, um die Unterstützung für eine Betriebsratsgründung zu ermitteln?

Ich persönlich neige dazu, dass die beabsichtigte Neuregelung in § 15 Abs. 3b den Arbeitnehmern „Steine statt Brot“ geben wird. Sollte diese Regelung in Kraft treten, wird sich ein Arbeitgeber nämlich gut überlegen, ob er zuvor noch mit Arbeitnehmern über ein freiwilliges Ausscheiden spricht oder nicht. Spricht er in einem bislang betriebsratslosen Betrieb beispielsweise mit einem Arbeitnehmer über ein freiwilliges Ausscheiden und führt dieser danach ein Gespräch über eine Betriebsratsgründung und gibt zudem eine öffentlich beglaubigte Erklärung nach § 129 BGB ab, so genießt er den Sonderkündigungsschutz für drei Monate. Dies werden Arbeitgeber vermutlich nicht hinnehmen und zunächst kündigen, um dann weitere Gespräche zu führen.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass gute Gründe dafürsprechen, den bisherigen Schutz des § 15 Abs. 3 KSchG für Arbeitnehmer, die zu einer Betriebsversammlung zur Bestellung des Wahlvorstandes einladen, auf 6 Arbeitnehmer zu erweitern. Die weiteren Erweiterungen des KSchG sind sachlich kaum zu rechtfertigen.

3. Zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit

Das Betriebsrätestärkungsgesetz sieht eine Änderung des § 87 BetrVG vor. In § 87 soll als mitzubestimmende Angelegenheit „die Ausgestaltung von mobiler Arbeit aufgenommen werden“.

Die Formulierung „Ausgestaltung mobiler Arbeit“ verdeutlicht, dass der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht darüber erhalten soll, ob mobile Arbeit eingeführt wird. Der Betriebsrat hat nur über das „Wie“ der mobilen Arbeit mit zu bestimmen.

Diese Mitbestimmung wird m.E. zu keiner nennenswerten Stärkung der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten führen. Die Lebenssachverhalte des mobilen Arbeitens beinhalten nämlich bereits bislang zahlreiche Regelungskomplexe, die der Mitbestimmung unterliegen, so z.B. Regelungen zur privaten Nutzung von Telefon, Internet und E-Mail-System nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, Regelungen hinsichtlich des Beginns und des Endes der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, Regelungen der vorübergehenden Verlängerung und Verkürzung der betrieblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Des Weiteren greift regelmäßig das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein, da IT-Geräte, unabhängig von der Kontrollabsicht des Arbeitgebers, geeignet sind, Arbeitszeit und Arbeitsleistung am häuslichen Arbeitsplatz zu überwachen. Des Weiteren besteht bei der Umsetzung der Bestimmungen des technischen Arbeitsschutzes gemäß §§ 3, 4 ArbSchG ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Schließlich sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 BetrVG bei der Gestaltung der Vergütung der Arbeit im Home-Office zu berücksichtigen. Die Aufnahme des neuen Mitbestimmungsgegenstandes „Ausgestaltung von mobiler Arbeit“ hat deshalb weitgehend klarstellende Funktionen.

4. Erforderlichkeit des Sachverständigen

Das Betriebsrätestärkungsgesetz sieht vor, dass in den Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich gilt.

Diese gesetzliche Fiktion der Erforderlichkeit ist kaum zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, als dass der Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ohnehin nahezu konturenlos geworden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Arbeitgeber eine technische Einrichtung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle einsetzen will sondern nur darauf, ob die technische Einrichtung hierzu geeignet ist. Im Ergebnis unterliegt deshalb jede Einrichtung einer Telefonanlage oder eines Schließsystems der Mitbestimmung des Betriebsrats. Der Betriebsrat kann nun, ohne die Erforderlichkeit im Einzelnen begründen zu müssen, zukünftig auch noch einen Sachverständigen hinzuziehen. Dies wird die Kosten der Einführung von technischen Einrichtungen deutlich erhöhen.

5. Digitalisierung/Teilnahme an Betriebsratssitzungen im Wege der Video- oder Telefonkonferenz, Einigungsstellen

Das Betriebsrätestärkungsgesetz sieht eine Neufassung von § 30 BetrVG vor, aufgrund derer Betriebsratssitzungen zwar grundsätzlich als Präsenzsitzungen stattfinden sollen, ausnahmsweise sollen aber auch Sitzungen per Video- und Telefonkonferenz zulässig sein. Voraussetzung hierfür ist, dass die Teilnahme in der Geschäftsordnung des Betriebsrats unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt wird, nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widersprechen und sichergestellt wird, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nennen können.

Die Regelung, die auch die digitale Betriebsratsarbeit erlaubt, ist sicherlich zu begrüßen. Noch mehr zu begrüßen wäre es allerdings, wenn zumindest in den großen Gremien der Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsräte der Vorrang der Präsenzsitzung nicht ausdrücklich festgeschrieben worden wäre, sondern wenn diese Gremien in ihrer Geschäftsordnung das Recht hätten, nach billigem Ermessen von Telefon- und Videokonferenzen Gebrauch zu machen.

6. Schlusswort

Das Betriebsrätestärkungsgesetz beinhaltet zahlreiche materielle Änderungen, die diskussionsbedürftig sind. Ob es noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten wird, halten wir angesichts der Tragweite der Änderungen für zumindest zweifelhaft. Erfreulich wäre es allerdings zumindest, wenn die Regelung des § 129 BetrVG dauerhaft fortgeschrieben würde. Wir werden Sie über die weitere Behandlung des Referentenentwurfes unterrichtet halten.

Dr. Marcus Michels, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

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