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Zu guter Letzt: Ein Blick ins Gesetz

„Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Dieser augenzwinkernde Spruch, ständiger Begleiter aller Juristen seit dem allerersten Semester, mag einem wieder einmal einfallen, wenn man auf eine gerade veröffentlichte Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen schaut (Urt. v. 14.2.2025 – 1 AGH 43/24). Dieser schmetterte die Klage eines älteren Kollegen ab, der sich, sozusagen mit Händen und Füßen, gegen die Aufforderung seiner Kammer gestemmt hatte, endlich ein beA einzurichten. Der Sinn der vom Gesetzgeber in § 31a BRAO angeordneten Digitalisierung erschloss sich ihm einfach nicht: „Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich mit einem elektronischen Anwaltspostfach anfangen sollte. Also lassen Sie mich bitte damit in Ruhe“, antwortete er der Kammer. Der Rechtsanwalt – mittlerweile deutlich über 70 Jahre alt – hat nach eigenem Bekunden seit Jahren kein Mandat mehr bearbeitet und möchte auch keines mehr annehmen, seinen Anwaltstitel allerdings auch nicht aufgeben. „Für Rechtssuchende bin ich nicht mehr erreichbar. Ich will auch nicht mehr erreichbar sein!“, schrieb er seiner Aufsichtsbehörde.

Als diese mit rechtlichen Maßnahmen drohte, erhob der Kollege eine negative Feststellungsklage, um gerichtlich bestätigt zu bekommen, dass er kein elektronisches Anwaltspostfach benötige. Aus seiner Sicht folgerichtig reichte er die Klageschrift in Papierform ein, worauf der Senatsvorsitzende mit der Ladungsverfügung darauf hinwies, dass schon gegen die Zulässigkeit der Klage Bedenken bestünden. Das leuchtete dem betagten Juristen aber auch nicht ein: Per Fax antwortete er dem Gericht, dass er den Einwand bezüglich der Zulässigkeit der Klage – „wenn nun das Verfahren ordnungsgemäß abläuft“, also die Klage „bereits angenommen“ und auch Termin anberaumt worden sei – nicht nachvollziehen könne, es sei denn, das Gericht begreife den „Formalismus der elektronischen Einreichung als Selbstzweck“. Nach seiner Auffassung gebe es kein Gesetz für eine solche Pflicht und er sei nicht verpflichtet, einen sicheren Übermittlungsweg einzuhalten. Ein beA sei nicht zwingend, schließlich gebe es u.a. ja auch die DE-Mail.

Den Ausgang des Verfahrens kann man sich denken: Die Klage wurde als bereits unzulässig abgewiesen, da sie nicht i.S.d. § 112c BRAO i.V.m. § 55a VwGO ordnungsgemäß eingereicht worden war. Rein hilfsweise ging der Senat auch auf die (mangelnde) Begründetheit der Klage ein, indem er auf die gesetzlich angeordnete Pflicht zur Benutzung des beA hinwies. Man fragt sich spätestens an dieser Stelle, warum sich der ältere Kollege auf eine derart aussichtslose Auseinandersetzung eingelassen hat. Aber da er vermutlich weder in die Verfahrensvorschriften noch in die BRAO geschaut hatte, ist er wohl auch nicht auf die Vorschrift des § 17 BRAO gestoßen. Danach kann einem Rechtsanwalt, der wegen hohen Alters oder aus gesundheitlichen Gründen auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet, die Erlaubnis erteilt werden, seine Berufsbezeichnung mit dem Zusatz „im Ruhestand“ (abgekürzt „i.R.“) weiterzuführen. Dies hätte dem Kollegen – der sich laut Urteilstatbestand ja selbst als Ruheständler ansieht – vermutlich genau das verschafft, was er bezweckt hatte, und zwar ganz ohne Ärger mit seiner Kammer.

[Red.]

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