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Vorgerichtliche Anwaltskosten in der privaten Pflegeversicherung

Eine interessante Entscheidung zur Erstattung vorgerichtlicher Kosten im Rahmen einer privaten Pflegeversicherung hat kürzlich das Bundessozialgericht gefällt. Die Kasseler Richter entschieden, dass wenn eine private Pflegekasse freiwillig ein Vorverfahren anbietet, in dem der Versicherte Einwendungen gegen eine Entscheidung der Pflegekasse erheben kann, sie auch die Kosten für das am Ende erfolgreiche Vorverfahren zu erstatten hat. Dafür bemüht das Gericht eine Analogie zu der entsprechenden Vorschrift in der gesetzlichen Pflegeversicherung (BSG, Urt. v. 22.2.2024 – B 3 P 8/22 R).

Der Fall: Ein in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten versicherter Mann verlangte von seiner Versicherung Pflegeleistungen für seine mitversicherte Ehefrau. Die Kasse ließ ein Gutachten erstellen und lehnte auf dessen Grundlage einen Leistungsanspruch ab. Im Ablehnungsschreiben wies sie aber zugleich auf die Möglichkeit hin, Einwendungen geltend zu machen.

Der Versicherte beauftragte daraufhin eine Rechtsanwältin, die erfolgreich Einwände geltend machte, denn ein von der Versicherung daraufhin eingeholtes Zweitgutachten führte zur Einstufung der pflegebedürftigen Ehefrau in die Pflegestufe I. Die Kosten für das Tätigwerden der Rechtsanwältin i.H.v. 350 € wollte die Kasse allerdings nicht übernehmen, woraufhin der Ehemann Klage erhob.

Diese war in allen Instanzen erfolgreich; das BSG bestätigte den vom SG Bremen und dem LSG Niedersachsen-Bremen anerkannten Erstattungsanspruch. Wie das Bundessozialgericht ausführt, gibt es zwar keine ausdrückliche Norm in der privaten Pflegeversicherung, die – vergleichbar mit der Vorschrift des § 63 SGB X in der gesetzlichen Pflegeversicherung – einen Anspruch auf Anwaltskostenerstattung im Vorverfahren enthalten würde. Darin erkannten die Kasseler Richter aber eine planwidrige Regelungslücke. Denn wenn von der Pflegekasse ein vorgerichtliches fakultatives Einwendungsverfahren eröffnet werde, das dem obligatorischen Widerspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte einer Pflegekasse in Angelegenheiten der sozialen Pflegeversicherung nachgebildet sei, so die Richter, dann müsse es zwingend auch einen Erstattungsanspruch geben.

Diesen zwingenden Charakter des Anspruchs leiteten die Gerichte aus der von § 23 Abs. 1 S. 2 SGB XI vorgegebenen Gleichwertigkeit von Leistungen der privaten und sozialen Pflegeversicherung her. Daraus folge, dass die Unterstützung privat Pflegeversicherter bei der Realisierung der ihnen zustehenden Leistungen und Hilfen nicht hinter den entsprechenden Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung zurückbleiben dürfe, weshalb auch die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entsprechende Geltung für die private Pflegeversicherung beanspruchten. Dies habe das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden.

Daher gelte auch in der privaten Pflegeversicherung: Eröffne ein Versicherungsunternehmen ein Verfahren der vorgerichtlichen Selbstkontrolle seiner Entscheidungen und der Einholung eines Zweitgutachtens, hätten die Versicherten das Recht, für die Formulierung von inwendungen einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, und bei Erfolg in entsprechender Anwendung von § 63 SGB X einen Kostenerstattungsanspruch. Ein Verweis der Versicherten auf zivilrechtliche Möglichkeiten, eine Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu erlangen, widerspräche hier dem gebotenen Gleichlauf von privater und sozialer Pflegeversicherung auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht.

[Quelle: BSG]

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