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Deutsche Vorratsdatenspeicherung vermutlich EU-rechtswidrig

Deutsche Vorratsdatenspeicherung vermutlich EU-rechtswidrig

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Campos Sánchez-Bordona, hält die deutsche Regelung der Vorratsdatenspeicherung für EU-rechtswidrig. In seinem Schlussantrag zu drei anhängigen Verfahren, darunter zwei, die dem EuGH vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurden, bekräftigte er, dass eine allgemeine und unterschiedslose Datenspeicherung, wie sie auch in der – seit 2017 allerdings auf „Eis“ liegenden – deutschen Regelung vorgesehen ist, nicht mit europäischem Datenschutzrecht vereinbar ist.

Die Speicherung in Deutschland ist im Telekommunikationsgesetz (TKG) geregelt. Sie wurde einst als Reaktion auf Terroranschläge in Europa eingeführt. Danach müssen Telekommunikationsanbieter Verbindungsdaten für zehn Wochen und Standortinformationen für vier Wochen ohne Verdacht aufbewahren und auf Anordnung hin an Ermittler herausgeben. Nach einer Entscheidung des nordrhein-westfälischen OVG wird diese Regelung in Deutschland seit 2017 allerdings nicht in der Praxis angewandt.

Der Generalanwalt erkennt zwar ausdrücklich an, dass Deutschland die entsprechenden Vorschriften mit Blick auf europäische Vorgaben novelliert hatte. Darin sieht er u.a. den guten Willen, der Rechtsprechung des EuGH nachzukommen. Dennoch bleibe festzustellen, dass die mit den novellierten Rechtsvorschriften auferlegte Verpflichtung zu einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung auf eine große Vielzahl von Verkehrs- und Standortdaten verbleibe. Das verstoße gegen europäisches Datenschutzrecht in der konkreten Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof. Die zeitliche Begrenzung, die für die deutsche Vorratsspeicherung gelte, heile diesen Mangel nicht, da, abgesehen von dem gerechtfertigten Fall der Verteidigung der nationalen Sicherheit, die Speicherung von Daten über die elektronische Kommunikation selektiv erfolgen müsse, aufgrund der schweren Gefahr, die mit der allgemeinen Speicherung dieser Daten verbunden sei. Der Generalanwalt erinnert außerdem daran, dass in jedem Fall der Zugang zu diesen Daten einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Familien- und Privatleben sowie den Schutz personenbezogener Daten darstelle, unabhängig von der Länge des Zeitraums, für den der Zugang zu den genannten Daten begehrt werde.

An das Votum des Generalanwalts sind die Richter bei ihrer Entscheidungsfindung nicht gebunden; gleichwohl folgen sie ihm in der Mehrzahl der Fälle. Das scheint auch hier einigermaßen wahrscheinlich, weil der Generalanwalt mit seiner aktuellen Stellungnahme lediglich die Argumente aus früheren EuGH-Entscheidungen wiederholt hatte; i.Ü. hatte auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags bereits im vergangenen Jahr eine Niederlage vor dem EuGH vorhergesagt. Entsprechend erstaunt, wenn nicht sogar verärgert, holte Campos Sánchez Bordona denn auch zu einem Seitenhieb aus: Er hätte eigentlich erwartet, dass der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung längst ein Ende gesetzt worden sei, weil der EuGH sich verschiedentlich im Dialog mit den nationalen Gerichten um eine detaillierte Erläuterung seiner Gründe bemüht habe. Dennoch scheine „die Debatte noch kein Ende gefunden zu haben“, heißt es ausdrücklich in seinem Schlussantrag.

[Quelle: EuGH]

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