Ist die Akte zugeklappt, kann ein Gericht noch länger anfragen, ob sich der Mandant, der Prozesskostenhilfe bekommen hat, finanziell verbessert hat. Das ganze Prozedere läuft über die beigeordneten Anwälte, die nicht selten genervt sind. Kostet Zeit, wird nicht zusätzlich vergütet. Ein lästiger Job, den viele Juristen gleich zu Mandatsbeginn ausschließen wollen. Mit Klauseln in ihren Vollmachten tun das auch einige Robenträger. Das läuft so aber nicht, meint das LAG Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 10.08.2023, 5 Ta 65/22). Dieser Beitrag greift die Entscheidung auf und erläutert auch, wer verantwortlich ist, wenn Mandanten plötzlich den Anwalt wechseln.
Neu ist das Problem nicht: Die Prozesskostenhilfe (PKH) produziert im Kanzleialltag erheblichen Mehraufwand. Nicht der PKH-Antrag selbst ist das Problem. Gut, manchmal ist er das auch, vor allem, wenn Mandanten an fehlende Unterlagen zu erinnern sind oder wichtige Angaben im Formular „vergessen“ oder falsch angegeben wurden. Unterschätzt wird hingegen oft der sogenannte Nachprüfungszeitraum, wenn sich die Gerichte melden und die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. die Leistungsfähigkeit des Mandanten checken wollen. Das Gericht kann nach Mandatsende bzw. Abschluss des Verfahrens deshalb noch vier Jahre lang beim Anwalt anklopfen. Das kann richtig Zeit kosten, auch wenn inhaltlich keine juristische Arbeit mehr ansteht. Da der Anwalt im Rahmen der PKH beigeordnet wurde, laufen auch eventuelle gerichtliche Nachprüfungen über ihn.
Neugierige Gerichte: Hallo Anwalt, wie steht’s denn beim Mandanten jetzt mit Einkommen und Vermögen?
Mitunter verlangen Gerichte zahlreiche Unterlagen, können im Einzelfall beispielsweise die Kontoauszüge des Mandanten rückwirkend bis zu einem Jahr verlangen (OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 24.03.2021, Az. 6 WF 48/21). Für den Anwalt heißt das, nicht nur die Aufforderung des Gerichts samt den Formularen an Mandanten weiterzuleiten, mit denen er vielleicht schon seit Jahren nicht mehr in Kontakt steht. Er muss sie auch auf ihre Mitwirkungspflicht und die Folgen hinweisen, wenn der Mandant sich nicht kümmert, und um möglichst schnelle Erledigung bitten.
„Schnelle Erledigung“ bleibt dann oft Wunschvorstellung in der Anwaltsmanege. Tatsächlich läuft man den Mandanten oft wie ein Clown hinterher, wenn angeforderte Unterlagen unvollständig sind, Unterschriften fehlen oder diese gleich ihren Wohnsitz verlegt haben und die neue Adresse zu ermitteln ist. „Ich kenne selbst Fälle, in denen Mandanten nicht reagieren oder den Anwalt bitten, die Angaben dem Gericht selbst mitzuteilen, was er nun eben nicht kann. Dann muss der Jurist noch einmal ausführlich erklären, dass und warum der Mandant verpflichtet ist, mitzuwirken“, sagt Herbert P. Schons, Rechtsanwalt und Notar a.D. und Mitglied des Ausschusses RVG und Gerichtskosten beim Deutschen Anwaltverein. Er kennt das Phänomen, dass Mandanten die Sache gern vor sich herschieben. „Das ist ein Ping-Pong-Spiel, das Zeit kostet. Erst wenn das Gericht konkret droht, die Prozesskostenhilfe aufzuheben, reagieren manche Mandanten dann endlich.“
Keine halben Sachen, bitte. Wer den Anwaltsjob nicht vollständig macht, wird auch nicht beigeordnet
Besten Dank für diese zeithungrigen Epen, seufzen da einige Anwälte, und schieben kurze Klauseln in ihre Vollmachten, dass sie bei möglichen späteren Nachprüfungen nicht tätig werden. Manche Gerichte haben in solchen Fällen dem Anwalt jedoch gleich signalisiert, dass es mit seiner Beiordnung dann nichts wird. So wie das LAG Köln, das eine derart beschränkte Vollmacht nicht akzeptierte (Beschl. v. 25.07.2019, Az. 9 Ta 101/19). Nach § 121 Abs. 2 ZPO könne nur ein Anwalt beigeordnet werden, der bereit ist, im gesamten Rechtszug einschließlich des Nachprüfungsverfahrens mit allen einhergehenden Rechten und Pflichten zu vertreten. Wer die Nachprüfung ausschließen will, zeigt, dass er eine solche „Bereitschaft“ kaum hat.
Mandanten verlassen sich auf kümmernde Anwälte und rechnen nicht mit „Überraschungs-Eiern“ im Juristennest
Mandanten als in der Regel juristische Laien haben kaum Lust auf Ratespiele, differenzieren sicher auch wenig zwischen Hauptsache- und Nachprüfungsverfahren. Logischerweise erwarten sie, nicht plötzlich in einem bestimmten Verfahrensabschnitt selbst aktiv werden müssen. Deshalb wertete das LAG Sachsen-Anhalt kürzlich dies als eine ungewöhnliche, überraschende Klausel (§ 305c BGB), wenn ein Anwalt seine Vollmacht derart beschränkt (Beschl. v. 10.08.2023, 5 Ta 65/22).
Laut § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil (hier: der Vollmacht), die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht rechnen muss. Die meisten Mandanten dürften bei einem Blick in die Vollmacht mit „ausgeschlossenen Nachprüfungsverfahren“ oder ähnlichen Formulierungen wenig anfangen. Es besteht ein besonderes Interesse gerade einer PKH-Partei, dass das gesamte Verfahren in den Händen ihres Anwalts zusammenläuft und er so in der Lage ist, die Partei über den jeweiligen Stand des Verfahrens auf dem Laufenden zu halten und notwendige Schritte zu unternehmen, so das LAG.
Natürlich ändert sich hieran nichts, nur weil der eigentliche Rechtsstreit, also das Hauptverfahren, abgeschlossen ist. PKH-Verfahren gehören eindeutig zum Rechtszug (so auch das LAG Köln, Beschl. v. 30.04.2019, Az. 1 Ta 17/19). Zudem ist der Abschnitt einer gerichtlichen Nachprüfung keine Formsache mit ein paar schnell ausgefüllten Formularen. Vielmehr drohen konkrete Rechtsnachteile, denn bleibt eine Reaktion des Mandanten aus, kann das Gericht die PKH aufheben. Dann sieht sich der Mandant mit (unter Umständen hohen) Kosten konfrontiert, die er gerade vermeiden wollte.
Ferner war in dem Fall vor dem LAG die Vollmachtsklausel auch intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und benachteiligte den Mandanten unangemessen. Denn die hier in der Vollmacht verwendete Formulierung “eventuelles Überprüfungsverfahren” lässt offen, welche Verfahrensabschnitte bei dem PKH-Bewilligungsverfahren von der Vollmacht ausgenommen werden sollen. Ob dies auch die Tatbestände des § 124 ZPO erfassen soll, blieb hier völlig unklar.
Gerichte könnten selbst aktiv werden. Kein nachvollziehbarer Grund, warum dies Anwaltsjob sein soll?
„Grundsätzlich begrüße ich, dass Gerichte im Rahmen von Nachprüfungsverfahren schauen, ob die Mandanten selbst leistungsfähig sind und so auch die Staatskasse entlastet wird“, sagt Schons.
„Es leuchtet mir allerdings nicht ein, warum das Verfahren über den Anwalt laufen soll. Anwälte sind frei darin, PKH-Mandate zu übernehmen, und wenn dies freiwillig geschieht, steht es dem Juristen meines Erachtens auch zu, zu entscheiden, ob er in seiner Vollmacht solche Nachprüfungsverfahren ausschließt.“ Tatsächlich sehen viele Anwälte hierin unnötigen Mehraufwand, der unvergütet nebenher zu leisten ist. „Es ist meines Erachtens kein großer Aufwand, dass Gerichte selbst die PKH-Parteien anschreiben und sie um aktuelle Informationen bezüglich ihrer Einkommensverhältnisse bitten. Es ist den Mandanten als PKH-Parteien auch zuzumuten, hierauf zu reagieren. Zumal diese ohnehin meist ausführlich vom Anwalt belehrt wurden, dass das Gericht später noch einmal nachfragen kann.“
Anwalt, wechsle’ dich. Wird ein neuer Anwalt beauftragt, läuft Nachprüfung nicht mehr über den ehemals beigeordneten Anwalt
Bei den Nachprüfungen führt das Gericht alle erforderlichen Zustellungen bzw. den Schriftverkehr mit dem seinerzeit im PKH-Verfahren beigeordneten Anwalt. Gut möglich allerdings, dass der Mandant zwischenzeitlich einen neuen Anwalt gewählt hat. Das Gericht darf dann nicht mehr an den „alten“ Anwalt zustellen, sondern muss sich an den neu beauftragten Advokaten halten, so das LAG Hamm (Beschl. v. 07.06.2021, Az. 14 Ta 144/21).
In dem Moment, wo der neue Anwalt seine Vollmacht anzeigt, ist ausschließlich an diesen und nicht mehr an den zuvor beigeordneten Rechtsanwalt zuzustellen. Der neue Bevollmächtigte übernimmt mit dem Mandat aufgrund erteilter Prozessvollmacht die Vertretung der Partei im Verfahren insgesamt. Hierzu zählt sowohl das Hauptsache- als auch das PKH-Verfahren. Dabei spielt es keine Rolle, ob der neue Anwalt sich bei dem Mandatswechsel zusätzlich beiordnen lässt bzw. beigeordnet wird oder eben nicht.