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Unsolicited advice: Über den Umgang mit ungefragtem Rat

Einen Fachmann oder eine gute Freundin aktiv um Rat oder innerhalb einer Gruppe nach Feedback zu fragen, kann bei Problemen sehr erhellend sein und neue Erkenntnisse bringen. Doch wie sieht es aus, wenn man von Leuten Ratschläge erhält, die man gar nicht gefragt hat? 

Junge Juristen beim Eintritt ins Berufsleben können ein Lied davon singen. Wenn sie sich nach dem Referendariat für eine Selbstständigkeit mit eigener Kanzlei entscheiden oder gar beabsichtigen, eine nichtjuristische Karriere einzuschlagen, ist Gegenwind – ungefragt und verpackt als “gut gemeinter Rat” – vorprogrammiert. Eltern, Ausbilder, karrierebewusste Kommilitonen – sie alle meinen, intervenieren zu müssen. Wer sich in einem Umfeld mit Angestellten bewegt, ruft Zweifler auf den Plan. Mahnend haken sie nach, ob man sich das mit der Selbstständigkeit auch gut überlegt hat und regen an, doch erstmal als Angestellter in einer Kanzlei ein paar Jahre gutes Geld zu verdienen. Dass man sich zuvor durchaus Gedanken über die eigene Karriereentscheidung gemacht hat, wird ignoriert.

Ungefragter Rat erzeugt Stress. Doch, warum eigentlich?

Einen Rat zu erhalten ist doch gut. Wo ist eigentlich das Problem?

Ungefragter Rat (englisches Buzzword: unsolicited advice) sorgt beim Empfänger eher selten für große Dankbarkeit, sondern vielmehr für latente Irritation, stillen Frust oder auch mal für richtigen Ärger. Wie er vom Empfänger aufgefasst wird, hängt vom Zusammenspiel verschiedener Faktoren ab:

Form: Ungefragter Rat kommt in verschiedenen Formen daher. Bestenfalls nett verpackt als Vorschlag, Information, Hilfestellung, Anmerkung oder Kommentar, schlechtestenfalls als offen geäußerte Kritik. Als problematisch wird empfunden, dass der ungefragte Rat meist einen latent belehrenden Unterton hat. Zudem wurde er nicht angefordert und wirkt für den Empfänger daher oftmals überraschend.

Beziehung: Neben der Form ist auch bedeutsam, in welchem Verhältnis Sender und Empfänger zueinander stehen. Innerhalb eines Arbeitsverhältnisses (Chefin gegenüber dem Mitarbeiter oder Kollegen untereinander) wirken ungebetene Ratschläge anders als innerhalb der Familie, unter Freunden oder gar unter Fremden (z.B. auf LinkedIn).

Absicht und Urteilsvermögen des Senders: Teils werden die Ratschläge von Menschen erteilt, die dem Empfänger nur ihre Ansichten und Werte aufdrängen wollen. Das ist an sich schon unangenehm, wird aber in vielen Fällen noch dadurch verstärkt, dass sie weder die Situation des Empfängers noch die Begleitumstände des Problems kennen. Das Ganze wird dann noch getoppt, wenn der Ratgeber in der jeweiligen Thematik nicht einmal über objektiv mehr Sachwissen als der Empfänger verfügt.

Kritikfähigkeit des Empfängers: Wie sich unsolicited advice auswirkt, korreliert auch mit dem Grad an Kritikfähigkeit und Reflexionsvermögen des Empfängers. Manch zarte Seele kommt per se nicht mit Kritik zurecht, andere Charaktere freuen sich, wenn eine fremde Sichtweise ihr Blickfeld erweitert. Ungefragter Rat kann aber in jedem Fall auf beiden Seiten Stress verursachen, wenn der Empfänger ihn nicht befolgt.

Müssen Rat oder Kritik immer erst aktiv erfragt werden?

Es stellt sich die Frage: Ist ungefragt geäußerter Rat stets respektlos, selbst wenn er

  • objektiv berechtigt und 100% hilfreich ist,
  • den Empfänger womöglich vor Ärger bewahrt und
  • vom Sender in guter Absicht geäußert wurde?

Diese Frage soll Sie lediglich zum Nachdenken anregen, denn eine eindeutige Antwort wird es nicht geben. Die oben genannten, hauptsächlich zwischenmenschlichen Faktoren werden immer auch eine Rolle spielen und von jedem unterschiedlich stark gewichtet werden.

“Was darf ich noch sagen?” – Tipps für Ratgeber und Empfänger

Sie sehen: die Erteilung ungefragten Rats ist ein Minenfeld. Doch wenn Sie die folgenden Tipps berücksichtigen, können Sie die zwischenmenschlichen Klippen besser umschiffen.

Für den Ratgeber:

  • Fragen Sie den Empfänger stets, ob Sie zu einem bestimmten Thema eine Anmerkung machen oder einen Rat geben dürfen.
  • Äußern Sie Kritik stets unter vier Augen im persönlichen Gespräch. In Gegenwart Dritter fühlt sich der Empfänger sonst zu Recht bloßgestellt.

Für Empfänger des Rats:

  • Einatmen. Ausatmen. Lächeln. Bedanken. Ggf. direkt ein anderes Thema ansprechen, um die Aufmerksamkeit umzulenken.
  • Höflich bleiben, aber Grenzen setzen.
  • Die eigene Ansicht oder Vorgehensweise darlegen und aufzeigen, warum das Angeratene hier nicht klappt.
  • Ehrlich zu sich selbst bleiben: Warum möchte ich diese Kritik nicht hören oder annehmen? Ist sie unberechtigt oder bin ich nicht kritikfähig?

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