Lief heute bisher alles nach Plan bei Ihnen? Meistens haben wir ja einen für den Tag, vielleicht sogar für die Woche oder das Jahr. Und meistens haben das Leben und der Kanzleialltag dann trotzdem einige Überraschungen parat, sei es eine supereilige neue Anfrage, ein Terminausfall oder einfach ein Schriftsatz der Gegenseite, der direkt Kopfschmerzen verursacht. Bei all diesen Planabweichungen, egal ob positiv oder negativ, ob groß oder klein, durchlaufen wir verschiedene Phasen, bis wir die Veränderung in unser Leben integriert haben. Je nach Art der Überraschung, je nach Gemüt und Tagesform geschieht das mal schneller und mal langsamer. Es bringt Spaß, das im Alltag bei sich selbst und den Mitmenschen zu beobachten. Es ist ein wunderbares Mittel zum Energiesparen. Und es hilft uns, das Steuerrad jederzeit selbst in der Hand zu behalten.
Das Phasenmodell der Veränderung
Das Phasenmodell der Veränderung stellt die Kurven dar, die wir in der Veränderung mit verschiedenen Phasen immer wieder durchlaufen. Der Ursprung ist nicht ganz klar, schön beschrieben ist es von Martina Schmidt-Tanger in ihrem Buch „Change“.
Phase 1: Schock/Überraschung
Es beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem wir die Veränderung bemerken. Etwas passiert nicht so, wie Sie es erwarten oder sich gewünscht haben. Die so schön für die Berufungsbegründung eingeplante Zeit wird von einem hereinschneienden Mandanten unterbrochen. Der Fahrstuhl kommt nicht, obwohl Sie sehr eilig in den 7. Stock müssen. Eine Mitarbeiterin ist krank. Eine Pandemie bricht aus.
Phase 2: Verneinung
Haben Sie vielleicht auch schon einmal in schneller Folge vielfach auf den Fahrstuhlknopf gedrückt? Das ist die Phase der Verneinung – kann jawohl nicht wahr sein, dass der Fahrstuhl gerade jetzt nicht kommt. Ich soll einen Vortrag vor Fachpublikum halten? Sicher war es ein Irrtum und gleich kommt die Nachricht, dass jemand anderes schon zugesagt hat.
Phase 3: Einsicht
Irgendwann merken Sie dann aber: es ist wahr. Die Veränderung ist da und Sie werden damit umgehen müssen. In dieser Phase wird die Veränderung oft als Problem wahrgenommen und Sie haben noch keine Ahnung, wie Sie damit umgehen sollen. Die Folge dieser Phase ist, dass wir uns hilflos fühlen, nicht als Gestalter unserer eigenen Situation. Und dabei haben wir ja gern immer alles selbst in der Hand.
Phase 4: Emotionale Verarbeitung und Akzeptanz
In dieser Phase geht es dann durch die Gefühle, die auftauchen. Wut, Enttäuschung, Traurigkeit, Verunsicherung machen sich breit und die eigene Kompetenz befindet sich gefühlt auf dem Nullpunkt. Dadurch ist es in dieser Phase nicht möglich, Lösungsmöglichkeiten zu sehen oder Vorschläge hierzu anzunehmen. In Phase 4 denken Sie vielleicht, dass das alles nichts bringt, dass Sie sowieso nichts ändern können und wenn jemand eine gute Idee hat, antworten Sie mit „Ja, aber….“. Diese Phase ist wichtig und gut ist es, sie in dem Moment einfach anzuerkennen. Sie ist unterschiedlich lang, je nach Persönlichkeit und Tagesform und natürlich auch abhängig von der Größe der Veränderung. Und es braucht eine bewusste Entscheidung, aus der Phase heraus und weiter voran zu gehen. Deshalb ist es auch verschwendete Energie, einer anderen Person mit lauter Lösungsvorschlägen für ein Problem zu kommen, wenn diese Person sich gerade in der Phase 4 befindet. Beobachten Sie das mal.
Phase 5: Ausprobieren
Wenn die Phase 4 geschafft ist, geht es ans Ausprobieren. Vielleicht gibt es ja eine Treppe. Vielleicht kann eine Kollegin für die erkrankte Mitarbeiterin einspringen. Und auch für die vielen Herausforderungen der letzten Monate während der Pandemie haben Sie Lösungen gesucht, getestet und gefunden. Damit geht die gefühlte Selbstwirksamkeit wieder nach oben, Sie sehen Handlungsoptionen und Möglichkeiten.
Wichtig ist es, das echte Ausprobieren nicht mit einem blinden Aktionismus zu verwechseln. Dieser führt nämlich direkt in die Verneinungsschleife und lässt uns in diesen Phasen 2 bis 4 steckenbleiben.
Phase 6: Integration und Erkenntnis
Schließlich ist es geschafft, die Lösung gefunden, die Veränderung integriert und vielleicht eine Erkenntnis gewonnen über die Flexibilität des Teams, über die eigenen Fähigkeiten oder bisher übersehene Ressourcen.
Das Phasenmodell im Alltag nutzen
Diese Phasen laufen bei uns und unseren Mitmenschen ständig ab. Es ist nützlich zu wissen, wie wir selbst in einer Phase 4 reagieren, wie wir uns fühlen und auch wie wir wieder herauskommen. Und es ist gut, sich bewusst zu machen, dass wir auch andere immer wieder durch diese Phasen schicken. Unsere MandantInnen zum Beispiel, wenn wir Ihnen eine Information schicken, die sie nicht hören wollten. Die gegnerischen KollegInnen, wenn wir Ihnen den Schriftsatz mit den neu aufgetauchten Beweisen schicken. Immer wieder: Anerkennen, was ist. Zeit geben zum Sacken lassen. Und dann gilt es manchmal, sich selbst oder die Mitmenschen an die eigenen Ressourcen zu erinnern und ihnen zu helfen, wieder in die eigene Kraft und Wirksamkeit zu kommen. Denn das Steckenbleiben in Phase 4 hilft auf Dauer nicht weiter.
Wenn Sie auf Ihr Leben schauen, haben Sie ganz sicher schon unzählige Veränderungen, Überraschungen oder schockierende Situationen erlebt. Schauen Sie mal, mit welchen Fähigkeiten Sie diese Herausforderungen gemeistert haben. Wenn Ihnen diese Fähigkeiten bewusst sind, können Sie gelassener durch den Alltag steuern und mit der Zeit auch immer schneller entscheiden, nicht zu viel Zeit in der Phase 4 zu verbringen. Auch das spart Energie.