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Mein Kind spielt nebenan – die familienfreundliche Kanzlei

Familienplanung im Studium und Referendariat? Klingt nur schwer kompatibel. Junge Juristinnen sagen sich: „Wenn ich erstmal ein, zwei Jahre im Job bin, dann …“. Die Festanstellung biete – jedenfalls im Gegensatz zur Selbstständigkeit – einen sicheren Rahmen für Eltern mit kleinen Kindern, meinen die jungen Kolleginnen. Wirklich? Leider sind noch nicht alle Kanzleien so weit. Doch was bedarf es eigentlich, um jungen Eltern das Berufsleben und insbesondere Müttern den Wiedereinstieg nach der Elternzeit zu erleichtern? Die Möglichkeiten sind vielfältig, teilweise sehr leicht implementierbar und gehen weit über ein „Sie können schon um 17 Uhr gehen“ hinaus.

Familienfreundlich – was heißt das?

Es gibt bereits Kanzleien, die einige familienfreundliche Merkmale erfüllen, wie beispielsweise

  • Flexible Arbeitszeiten: Hauptmerkmal einer familienfreundlichen Kanzlei ist wohl die Flexibilität von Arbeitszeiten und -modellen. Alle Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeiten in gewissem, angemessenem Umfang an die familiären Verpflichtungen anzupassen – sei es durch Gleitzeitregelungen, Teilzeitarbeit oder Homeoffice-Optionen.
  • Kinderbetreuung: Besonders engagierte Kanzleien bieten „Inhouse-Kinderbetreuung“ oder Kooperationen mit nahegelegenen Kitas an. Das ermöglicht Eltern, sich ungestört auf ihre Arbeit zu konzentrieren, denn sie wissen, dass ihre Kinder gut betreut sind.
  • Eltern-Kind-Zimmer: Eine Alternative zur Inhouse-Kinderbetreuung ist das entsprechend eingerichtete Eltern-Kind-Zimmer, in dem die Kinder quasi neben dem Schreibtisch der Eltern spielen können. Auch in kurzfristigen Betreuungsnotfällen, also z. B. wenn die Kita spontan schließen oder die Betreuungsperson absagen musste, bietet sich so die Möglichkeit, das Kind in der Kanzlei zu beaufsichtigen.
  • Kanzleikultur: Familienfreundliche Kanzleien fördern aktiv eine Bürokultur, in der Aspekte wie Work-Life-Balance, offene Kommunikation und eine wohlwollende, unterstützende Atmosphäre nicht bloß schöne Stichworte in der Stellenbeschreibung, sondern tägliche Realität sind.
  • Bezahlte Freistellung: Einige Kanzleien bieten mehrere Wochen bezahlter Freistellung für Notfälle, wie z. B. einen Unfall oder eine schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen.

Vorteile einer familienfreundlichen Kanzlei

Als ich den Begriff „familienfreundliche Kanzlei“ bei Google eingab, war ich positiv überrascht, dass offenbar doch schon einige Kanzleien mit diesem Attribut für sich werben. Richtig so. In Zeiten des Fachkräfte- und ReFa-Mangels, wo auch ein überdurchschnittliches Gehalt nicht bei der Kandidatenfindung hilft, ist es jedoch noch ein relativ neuer Ansatz, sich explizit arbeitnehmer- und familienfreundlich zu präsentieren. Eigentlich erstaunlich, denn die Korrelationen liegen auf der Hand:

  • Familienfreundliche Kanzleien sind als attraktive Arbeitgeber besonders für Assessorinnen frisch nach dem Examen und jüngere Sekretariatskräfte interessant, deren Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist.
  • Flexible Arbeitsmodelle und eine kinderfreundliche Atmosphäre führen zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit. Zufriedene Mitarbeiter sind überdurchschnittlich motiviert und loyal, was die Bindung an die Kanzlei stärkt und die Fluktuation reduziert. Ähnliches können beispielsweise auch Kanzleien berichten, die großzügige Homeoffice-Regelungen anbieten.
  • Das Kind ist versorgt, die Atmosphäre entspannt, der Schreibtisch steht in einem ruhigen, ablenkungsfreien Büro – all diese Faktoren wirken sich positiv auf die Produktivität aus. Neben dem Job dreht sich bei Eltern nun einmal viel ums Kind. Wenn Arbeitgeber dort entlasten, werden Energie und Geisteskapazität frei für die Arbeit am Mandat.

 Herausforderungen auf dem Weg zur familienfreundlichen Kanzlei

Familienfreundlichkeit ist vorrangig eine Sache des Mindsets, sprich: der Geisteshaltung. Arbeitgeber müssen erkennen, dass Mitarbeitende nicht nur mit einem guten Gehalt zu locken sind, sondern auch mit angenehmen Arbeitsbedingungen – insbesondere jene, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können! Doch selbst, wenn die Einsicht da ist, dass sich entsprechende Maßnahmen lohnen, sind auf dem Weg zum Prädikat „familienfreundliche Kanzlei“ doch noch ein paar Herausforderungen zu meistern:

  • Organisation & Kosten: Ob Implementierung neuer Arbeitsmodelle oder das Engagieren einer kanzleiinternen Kinderbetreuung – auf die Kanzlei kommen Organisationsaufwand und Kosten zu.
  • Gleichbehandlung: Es ist wichtig, dass alle Mitarbeiter in den Genuss familienfreundlicher Maßnahmen kommen, nicht nur junge Eltern. Interessant sind flexible Arbeitszeiten & Co. beispielsweise auch für jene, die sich um ihre alten Eltern oder kranke Angehörige kümmern.
  • Abwägung zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Die Bedürfnisse der Mitarbeiter und Wünsche hinsichtlich Teilzeit, Homeoffice u.ä. müssen mit den Erwartungen der Mandanten und den Anforderungen des Jobs in Einklang gebracht werden.
  • Sensibilisierung des Teams: Das Team, vom Partner bis zur Sekretariatskraft, muss für die Vorteile und Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen sensibilisiert werden. Dies hilft, eventuelle Vorbehalte abzubauen und die Akzeptanz zu fördern. Gute Kommunikation ist dabei die halbe Miete.

Die familienfreundliche Kanzlei ist mehr als nur ein attraktiver Arbeitsplatz – sie ist ein Modell für die Zukunft. Durch die Integration flexibler Arbeitsmodelle, umfassender Betreuungsangebote und einer positiven Kanzleikultur schafft sie eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die langfristigen Vorteile machen die Herausforderungen bei der Implementierung entsprechender Maßnahmen jedenfalls um ein Vielfaches wett.

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